OGH 15Os84/04

OGH15Os84/0418.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. November 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klenk als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Keta L***** und andere Angeklagte wegen der Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Keta L*****, Johann S***** und Marita A***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 5. Mai 2004, GZ 14 Hv 61/04b-62, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Keta L*****, Johann S***** und Marita A***** wurden der (in einer nicht näher bekannten Anzahl von Angriffen begangenen) Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei in Tateinheit mit der vorsätzlichen Monopolhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a und 46 Abs 1 lit a FinStrG schuldig erkannt.

Danach haben sie in Ardning und anderen Orten des Bundesgebietes vorsätzlich Waren, hinsichtlich derer von bislang unbekannten Personen Finanzvergehen des Schmuggels und des vorsätzlichen Eingriffs in die Rechte des Tabakmonopols begangen wurden, verhandelt, bzw gekauft, wobei es ihnen darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, indem

(1) Keta L***** von Anfang 1997 bis September 2002 mindestens 9.172 Stangen Zigaretten verschiedener Sorten (im Gesamtwert von 242.190,40 Euro, US 4) an Johann S*****, Marita A*****, Andreas H***** und Mario F***** verkaufte;

(2) Johann S***** von Mitte 2001 bis September 2002 zumindest 4.200 Stangen Zigaretten (im Gesamtwert von 112.933,58 Euro US 4) von Keta L***** ankaufte und an bislang unbekannte Personen weiterverkaufte;

(3) Marita A***** von 1998 bis September 2002 zumindest 3.024 Stangen Zigaretten (im Gesamtwert von 79.954,56 Euro, US 4) von Keta L***** kaufte und in der Folge an teilweise unbekannt gebliebene Personen weiterverkaufte (Verkürzungsbetrag betreffend Keta L***** 249.661,84 Euro, betreffend Johann S***** 114.266,84 Euro, betreffend Marita A***** 82.283,04 Euro [US 15]).

Rechtliche Beurteilung

Die von der Angeklagten L***** aus Z 5, 9 lit a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO, vom Angeklagten S***** aus Z 5, 5a und 9 lit a leg cit und von Marita A***** aus Z 5 der genannten Bestimmung erhobenen, getrennt ausführten Nichtigkeitsbeschwerden verfehlen ihr Ziel.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten L*****:

Entgegen der Behauptung der Mängelrüge (Z 5), aus dem Urteil sei nicht nachvollziehbar, wie das Erstgericht zur Annahme einer Stückzahl von "mindestens 9.172 Stangen Zigaretten" gelangt sei, ergibt sich dies hinreichend deutlich aus US 10 und 11 (F***** 800, H***** 1.148, S***** 4.200, A***** 3.024 = 9.172 Stangen), wobei dort von der Untergrenze der möglichen Menge (vgl "zumindest") ausgegangen wurde.

Die weiteren unter dem Aspekt der Unvollständigkeit, Widersprüchlichkeit und unzureichenden Begründung erhobenen Beschwerdeeinwände, die Feststellungen zur Menge der geschmuggelten Zigaretten seien nur aus den Depositionen der Angeklagten anlässlich ihrer ersten Vernehmung vor der Finanzstrafbehörde, bei der sie Angst gehabt habe, erschlossen worden, weitere Beweisergebnisse, wie Depositionen der Zeugen S*****, G***** und Aufzeichnungen der Angeklagten seien "unstatthaft nur zu Lasten (des Zweit- und somit) der (Erst-)Angeklagten verwertet worden" bekämpfen, wie sich aus dem Begehren "bei richtiger Würdigung der Beweis- und Verfahrensergebnisse" zwanglos ableiten lässt, in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung, ohne damit einen formalen Begründungsmangel aufzuzeigen. Diese haben, dem Gebot der gedrängten Darstellung der Urteilsgründe nach § 270 Abs 2 Z 5 StPO Rechnung tragend, im Einklang mit den Grundsätzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen nicht widersprechend begründet dargelegt, warum sie im Umfang der im Spruch genannten Mengen die Täterschaft der Angeklagten als erwiesen angesehen haben, wobei sie sich auch mit deren widerstreitenden Depositionen vor Finanzstrafbehörde und Gericht und den weiteren abweichenden Verfahrensergebnissen auseinandergesetzt haben. Dass sie dem leugnenden Teil der Verantwortung der Angeklagten nicht gefolgt sind und die aus den im Ersturteil angeführten Beweismitteln gezogenen Schlüsse der Beschwerdeführerin nicht überzeugend genug erscheinen, vermag den Nichtigkeitsgrund nach Z 5 nicht herzustellen. Der Rechts- (Z 9 lit a) und Subsumtionsrüge (Z 10) ist vorerst voranzustellen, dass deren Gegenstand ausschließlich der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt ist, wobei unerheblich bleibt, ob die mit dem Gesetz zu vergleichenden Feststellungen einwandfrei zu Stande gekommen oder dargestellt sind oder erheblichen Bedenken begegnen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581).

Soweit ein Mangel an Feststellungen (Z 9 lit a) bzw ein Begründungsmangel (Z 5) hinsichtlich des ausgeschiedenen (vgl S 97/IV) Verfahrens betreffend Svetlan R***** moniert wird, bekämpft die Beschwerde ein nicht ergangenes Urteil und erweist sich damit als nicht prozesskonform ausgeführt.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) lässt mit dem pauschalen Verweis auf die Argumentation zur Z 5 und von der selbst beweiswürdigend getroffenen, jedoch urteilsfremden Annahme einer geschmuggelten Menge von 3.500 Stangen Zigaretten ausgehend, das oben angeführte Gebot des Festhaltens am Urteilssubstrat außer Acht, sodass die Beschwerdeeinwände zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 53 Abs 4 FinStrG ebenfalls die gesetzgemäße Darstellung verfehlen (Ratz aaO Rz 584).

Die Sanktionenrüge (Z 11) macht (unter neuerlichem Hinweis auf die Ausführungen zur Z 5) gesetzwidrige Strafzumessung geltend, weil sich "bei richtiger Würdigung der Angaben der Angeklagten bzw der Zeugen zur Menge der verkauften Zigaretten ein anderer Verkürzungsbetrag ergeben hätte", bekämpft aber mit dieser Argumentation auch unter diesem Nichtigkeitsgrund in unzulässiger Weise lediglich die Beweiswürdigung der Tatrichter. Dem Einwand, es sei für die Beschwerdeführerin "nicht nachvollziehbar" weshalb neben dem Verfall von 2.400 Stück Zigaretten auch auf eine Wertersatzstrafe erkannt worden sei, weil nach § 19 FinStrG anstatt des Verfalls auf Wertersatz zu erkennen sei, mangelt es an der deutlichen und bestimmten Bezeichnung der die Nichtigkeit begründenden Tatumstände, sodass es auch insoweit an einer prozessordnungsgemäßen Ausführung fehlt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*****:

Entgegen der Unvollständigkeit der Urteilsgründe geltend machenden Kritik der Mängelrüge (Z 5) hat das Erstgericht zur Feststellung der Menge von 4.200 Stangen Zigaretten die widersprüchlichen Angaben der Erstangeklagten vor der Zollbehörde nicht unerörtert gelassen und begründet dargelegt, inwieweit es welche Depositionen - in Übereinstimmung mit zitierten weiteren Beweisergebnissen - den Feststellungen zugrundegelegt hat (US 8, 9 und 11, 12). Mit der Behauptung, aus den Beweisergebnissen ergäben sich keine Gründe, welche die Feststellung gewinnbringender Weitergabe der Zigaretten stützen könnten, bleibt die Beschwerde unsubstanziiert und der behauptete Nichtigkeitsumstand daher nicht deutlich und bestimmt bezeichnet (Ratz aaO § 285d Rz 10).

Unter dem Aspekt unzureichender bzw Scheinbegründung moniert die Beschwerde, die Tatrichter seien zu Unrecht der leugnenden Verantwortung des Angeklagten, die mit den (von diesen als nicht unparteilich gewerteten) Aussagen der Zeugen Herbert S***** und Harald G***** übereinstimmten, nicht gefolgt, wendet sich aber mit dieser Argumentation ebenfalls lediglich gegen die Beweiswürdigung der Tatrichter, die auch hier in Einklang mit den Gesetzen folgerichtigen Denkens und ohne Widerspruch gegen grundlegende Erfahrungssätze aus den im Urteil S 11 und 12 genannten Gründen die Täterschaft des Angeklagten als erwiesen angesehen haben. Der unter dem Gesichtspunkt der Aktenwidrigkeit erhobene Einwand, die Urteilsannahmen, die Menge von 4.200 an S***** weitergegebenen Stangen Zigaretten fänden in den von der Erstangeklagten geführten Aufzeichnungen nicht Deckung, übersieht, dass die Tatrichter die Aufzeichnungen der Erstangeklagten zu den Mengen zur Widerlegung der (insgesamt) leugnenden Verantwortung des Angeklagten herangezogen haben (US 12), die Mengenannahme jedoch auf deren Depositionen vor dem Zollamt stützten (US 12), und sodann ersichtlich davon ausgegangen sind, dass die Aufzeichnungen über die Mengen jedenfalls in den diesbezüglich darüber hinausgehenden Angaben Deckung findet. Im Übrigen verkennt die Beschwerde, dass ein Urteil nur dann aktenwidrig ist, wenn es den entscheidende Tatsachen betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt, wohingegen der Vorwurf, aus der Urkunde oder Aussage statt vertretbarer Weise gezogener Schlüsse nicht andere gezogen zu haben, bloß unzulässige Kritik an der Beweiswürdigung darstellt (Ratz aaO Rz 467).

Auch unter dem Blickwinkel der Tatsachenrüge (Z 5a) trachtet die Beschwerde unter neuerlichem Verweis auf die leugnende Verantwortung des Angeklagten und die diese Verantwortung stützenden Aussagen der Zeugen Herbert S***** und Harald G***** in selektivem Hervorheben einzelner, für den Angeklagten günstig scheinender Verfahrensergebnisse das den Tatrichtern zukommende Beweiswürdigungsermessen im Sinn des § 258 Abs 2 StPO in Zweifel zu ziehen, vermag damit aber keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen zu wecken. Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) übergeht mit der Behauptung von Mängeln von Feststellungen zur subjektiven Tatseite die diesbezüglichen Konstatierungen US 7 iVm US 14 und 15, wonach der Umstand, dass es sich bei den verhehlten Zigaretten um Schmuggelware gehandelt hat, vom Vorsatz umfasst war, und legt mit dem Verweis auf den substanzlosen Gebrauch der verba legalia nicht dar, welche über die im Urteil dort dazu angeführten Feststellungen hinaus von den Tatrichtern aus Sicht der Beschwerde noch getroffen hätten werden sollen (Ratz aaO Rz 584).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten A*****:

Die Mängelrüge (Z 5) wendet sich gegen die beweiswürdigenden Erwägungen des Erstgerichtes betreffend die Annahme der Stangenanzahl der geschmuggelten Zigaretten und trachtet unter Anstellen eigener Berechnungsmethoden sowie unter Hinweis auf die Depositionen der Drittangeklagten, die eine wesentlich geringere Anzahl angekaufter Zigaretten zugestanden hat, weiters unter Verweis auf aus dem Zusammenhang gelöste Teile der Verantwortung der Erstangeklagten zu günstigeren Schlussfolgerungen zu gelangen, legt damit aber keinen der Fälle der Z 5 des § 281 dar.

Die somit zum Teil nicht dem Gesetz gemäß ausgeführten, im Übrigen unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden waren daher in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und Z 2 StPO). Die Entscheidung über die Berufungen obliegt demgemäß dem Oberlandesgericht Graz (§ 285i StPO).

Zu einer Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO hinsichtlich des Verfallserkenntnisses nach § 17 FinStrG betreffend der bei Keta L***** beschlagnahmten 2.400 Stück Zigaretten bestand kein Anlass. Nach der vom Erstgericht herangezogenen Vorschrift des § 17 Abs 1 lit a (gemeint wohl Abs 2 lit a) und Abs 4 FinStrG unterliegen Sachen, hinsichtlich derer das Finanzvergehen begangen wurde, der (Neben-)Strafe des Verfalls. Für Abgabenhehlerei in Bezug auf Schmuggelgut folgt daraus, dass nur solches Gut für Verfallen erklärt werden kann, welches gleichzeitig dem Schuldspruch wegen Abgabenhehlerei zugrunde liegt (vgl Dorazil/Harbich FinStrG § 17 E 7, 12 Os 132/92). Bei dem vom Verfall betroffenen 2.400 Stück Zigaretten handelt es sich jedoch nach Urteilssatz wie auch -gründen (US 7) nicht um Tabakwaren, die vom Schuldspruch 1 umfasst sind, sondern um bei der Beschwerdeführerin beschlagnahmte weitere Zigaretten. Der diese Sicherstellungsobjekte betreffende Verfallsausspruch in dem gegen die Beschwerdeführerin gefällten angefochtenen Urteil entbehrt somit der gesetzlichen Grundlage.

Einer Wahrnehmung dieses Umstandes durch den Obersten Gerichtshof nach § 281 Abs 1 Z 11 (erster Fall) StPO bedurfte es jedoch nicht, weil die Korrektur der diesem Verfallsausspruch nach dem Finanzstrafgesetz anhaftenden Nichtigkeit dem Oberlandesgericht im Rahmen der ihm obliegenden Entscheidung über die Berufungen möglich ist (vgl Ratz aaO § 290 Rz 29; EvBl 1998/163; 13 Os 123/99; 13 Os 113/00; 14 Os 133/00; 12 Os 30/02; 15 Os 56/02; 15 Os 163/03). Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a StPO.

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