European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0150OS00077.18I.0725.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Felix P***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 1 und 3 SMG als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB (A.I. und II.), des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 1 und 3 SMG (A.IV.) und der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 und Abs 3 SMG (B.) sowie der Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB (C.) und des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (D.) schuldig erkannt.
Danach hat er – soweit für die Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung zusammengefasst wiedergegeben – in Wien und Spanien vorschriftswidrig
A. als Mitglied einer kriminellen Vereinigung bestehend aus ihm selbst, Franz P*****, Michel P*****, Thomas K*****, Gerd L*****, Enrico T*****, Andreas S*****, Hans B***** und Thomas S***** sowie weiteren Mitgliedern, „in Bezug auf Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) um das 25‑fache übersteigenden Menge, wobei er bereits mit Urteil des Landesgerichts Berlin vom 21. April 1999, AZ (517) 69 Js 231/96 (3/99), wegen des Vergehens nach §§ 29a Abs 1 Nr 2, 30 Abs 1 Nr 4, 1, 3 iVm Anlage I zu § 1 deutsches Betäubungsmittelgesetz sowie den §§ 6 Nr 5, 22, 23, 25 Abs 2 und 52 deutsches Strafgesetzbuch, inhaltlich sohin wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG“, verurteilt wurde,
I. zwischen 2004 und 2013 Mitglieder der kriminellen Vereinigung dazu bestimmt (§ 12 zweiter Fall StGB), in zahlreichen Angriffen insgesamt mehr als 463 Kilogramm Cannabisharz (mit dem im Urteil ausgewiesenen Reinheitsgehalt an Delta-9-THC und THCA) aus Spanien aus- und über Deutschland und Frankreich nach Österreich einzuführen, indem er das aus Marokko stammende Cannabisharz in Spanien zu Tarnungszwecken mit Wachs ummanteln ließ und anschließend mittels speziell für den Transport von Suchtgift umgebauten Fahrzeugen nach Österreich schmuggeln ließ,
II. zwischen Juli 2014 und Oktober 2015 „nicht mehr feststellbare und ohne Vorsatz handelnde Personen“ dazu bestimmt (§ 12 zweiter Fall StGB), in zahlreichen Angriffen insgesamt 80 Kilogramm Cannabisharz (mit dem im Urteil ausgewiesenen Reinheitsgehalt an Delta-9-THC und THCA) und 84,4 Gramm Kokain (mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 22,1% Cocain) aus Spanien aus‑ und nach Österreich einzuführen, indem er das aus Marokko stammende Cannabisharz sowie das Kokain in Spanien zu Tarnungszwecken mit Wachs ummanteln ließ und anschließend mittels einer Spedition nach Österreich schicken ließ,
IV. zwischen 2004 und 23. Oktober 2015 teils im Urteil namentlich genannten, teils unbekannten Personen gewerbsmäßig (§ 70 StGB) insgesamt mehr als 487 Kilogramm Cannabisharz (mit dem im Urteil ausgewiesenen Reinheitsgehalt an Delta-9-THC und THCA) und 20 Gramm Kokain (mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 22,1 % Cocain) überlassen,
B. von einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt bis 23. Oktober 2015 in Wien als Mitglied einer kriminellen Vereinigung bestehend aus Hans B***** sowie weiteren Mitgliedern Suchtgift in einer das 15‑fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 7.734,5 Gramm Cannabisharz (mit dem im Urteil ausgewiesenen Reinheitsgehalt an Delta-9-THC und THCA) und eine unbekannte Menge Kokain (mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 22,1 % Cocain) mit dem Vorsatz, dass es durch nachfolgenden gewinnbringenden Verkauf in Verkehr gesetzt werde, erworben und besessen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen die Schuldsprüche zu A. und B. richtet sich die auf Z 5, 5a, 9 lit b, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie verfehlt ihr Ziel.
Entgegen der Kritik der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) blieben die vom Angeklagten in der Hauptverhandlung am 5. Dezember 2017 vorgelegten Dokumente aus dem in Spanien gegen den Angeklagten geführten Ermittlungsverfahren, GZ 1441/2010 des Amts- und Ermittlungsgerichts Nr 3 von P*****, (ON 252 S 10) sowie die vom Gericht selbst beigeschafften Urkunden aus den Verfahren in Spanien (ON 226 insbesondere S 13 ff) nicht unberücksichtigt (US 35 f). Die Tatrichter haben daraus jedoch – anders als der Beschwerdeführer – den Schluss gezogen, dass das Verfahren gegen den Angeklagten lediglich vorläufig eingestellt wurde (und mittlerweile unter der AZ 136/16 beim Strafgericht C***** anhängig ist), sodass kein Verbrauch des staatlichen Strafverfolgungsanspruchs im Sinn des Art 54 SDÜ vorliege (vgl RIS‑Justiz RS0117954).
Der formelle Nichtigkeitsgrund nach Z 5a greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, mit anderen Worten intersubjektiv gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt – wird dadurch nicht ermöglicht (RIS‑Justiz RS0119583).
Indem die Rüge die Glaubwürdigkeit des Zeugen Thomas K***** unter Hinweis auf die Angaben anderer Zeugen zu erschüttern trachtet, das Motiv für dessen Aussageverhalten hinterfragt (zu den Erwägungen der Tatrichter hiezu vgl US 16 ff) und auf die Beweiswürdigung des Gerichts in einem „Parallelverfahren“ (AZ 44 Hv 102/16i des Landesgerichts für Strafsachen Wien) verweist, gelingt es ihr nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen den Ausspruch über entscheidende Tatsachen zu wecken.
Zu A.I.1. und 2. sowie A.IV.1. und 2. behauptet die Beschwerde (nominell Z 9 lit b, der Sache nach Z 10), diese Taten hätten „auf Basis der Rechtslage vor der SMG‑Novelle 2007“ beurteilt werden müssen, weil sie vor dem 1. Jänner 2008 gesetzt wurden. Sie unterlässt es dabei aber, aus dem Gesetz abzuleiten, weshalb die zu den Tatzeitpunkten (2004 und 2005) geltende Bestimmung des § 28 Abs 4 Z 1 und 3 SMG idF BGBl I 2002/134, welche die identen Strafdrohungen von einem bis 15 Jahren Freiheitsstrafe aufweist, im Sinn des § 61 zweiter Satz StGB insgesamt günstiger sein sollte.
Die zu A.I. und II. erhobene Subsumtionsrüge (Z 10) leitet die Behauptung rechtlich verfehlter Annahme mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels gleichfalls nicht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116569).
Der Beschwerdeführer stützt seine Rechtsauffassung, wonach Ein- und Ausfuhr einer das 25‑fache der Grenzmenge des § 28b SMG übersteigenden Suchtgiftmenge „stets“ nur ein einziges Verbrechen begründen, nämlich ausschließlich darauf, dass § 28a Abs 4 Z 3 SMG nach ständiger Rechtsprechung und Lehre eine besondere Art von Zusammenrechnungsgrundsatz für jeweils große Mengen darstellt (RIS‑Justiz RS0117464). Der Angeklagte hat nach den Urteilsfeststellungen mit deliktsspezifischem Vorsatz andere zur – mehrere Grenzüberschreitungen (von Spanien über Frankreich und Deutschland nach Österreich) umfassenden, sohin – mehrfachen Aus- und Einfuhr ein und derselben, das 25‑fache der Grenzmenge des § 28b SMG übersteigenden Menge Suchtgifts (vgl nur A.I.1.: 90.600 Gramm Cannabisharz mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 0,32 % Delta-9-THC [289,92 Gramm Reinheitsgehalt] und 3,68 % THCA [3.334,08 Gramm Reinsubstanz]; US 3, 11) bestimmt. Das Problem einer Zusammenrechnung stellt sich hier nicht. Weshalb bloß ein und nicht mehrere real konkurrierende Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, verwirklicht worden sein soll (vgl 14 Os 164/08m; Matzka/Zeder/Rüdisser , SMG 3 § 27 Rz 31/2; Schwaighofer in WK 2 SMG § 27 Rz 34), erklärt die Beschwerde nicht.
Die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) behauptet eine Überschreitung der Sanktionsbefugnisgrenze, weil vom Erstgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 StGB angenommen wurde, obwohl zwischen der Verbüßung der Haftstrafe im Verfahren vor dem Amtsgericht Berlin/Tiergarten, AZ 69 Js 231/96 KLS (3/99) mit 21. April 1999 (Tag der Urteilsverkündung) und den frühesten vom Schuldspruch umfassten Taten „zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2004“ (A.I.1. und A.IV.1.) mehr als fünf Jahre vergangen wären (§ 39 Abs 2 StGB). Sie übergeht dabei aber, dass diese Strafe nach den Urteilsfeststellungen erst mit 14. März 2000 verbüßt worden ist (US 10, vgl Strafregisterauskunft ON 273), sodass die Taten im Jahr 2004 jedenfalls innerhalb der Frist des § 39 Abs 2 StGB lagen. Dass diese für die Sanktionsbefugnis entscheidenden Tatsachen mit einem formalen Begründungsmangel behaftet wären oder erheblichen Bedenken begegnen würden, behauptet die Beschwerde nicht (vgl RIS‑Justiz RS0118581).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sogleich zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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