OGH 15Os59/19v

OGH15Os59/19v10.7.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Juli 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Binder als Schriftführer in der Strafsache gegen Ilkkan A***** wegen des Vergehens des Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 31. Jänner 2019, GZ 54 Hv 155/18k‑20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0150OS00059.19V.0710.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen Freispruch von einem weiteren Tatvorwurf enthält, wurde Ilkkan A***** des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 5. April 2017 in W***** mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte der B***** AG „durch Täuschung über Tatsachen, nämlich der Vorgabe seiner Zahlungsfähigkeit und ‑willigkeit zu einer Handlung, nämlich zum Abschluss eines Kreditvertrags und zur Auszahlung von 75.000 Euro verleitet, die diese in einem insgesamt 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigte, indem er in der Selbstauskunft angab, am 1. Oktober 2016 beim aktuellen Arbeitgeber eingetreten zu sein und verschwieg, spielsüchtig zu sein und 30.000 Euro Schulden zu haben“.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Vor Eingehen auf die Mängelrüge (Z 5) ist zu betonen, dass mit diesem Nichtigkeitsgrund nur Begründungsmängel hinsichtlich entscheidender Tatsachen geltend gemacht werden können. Tatsachen sind in diesem Sinn entscheidend, wenn die Feststellung ihres Vorliegens oder Nichtvorliegens entweder die rechtliche Entscheidung über Schuld‑ oder Freispruch oder – im Fall gerichtlicher Strafbarkeit – darüber beeinflusst, welche strafbaren Handlungen begründet werden (RIS‑Justiz RS0117264).

Angesichts der Feststellungen zur (vorsätzlichen) Täuschung von Mitarbeitern der Bank über die Zahlungswilligkeit (US 3 ff) betrifft das Vorbringen betreffend die Kausalität der (Online‑)Selbstauskunft über die Dauer des aktuellen Beschäftigungsverhältnisses von vornherein keine entscheidende Tatsache.

Im Übrigen unterstellt die Beschwerde dem Urteil in diesem Zusammenhang auch einen anderen Inhalt: Die angefochtene Entscheidung bringt nämlich unmissverständlich zum Ausdruck, dass die im Tenor erwähnte „Selbstauskunft“ nicht bloß im zunächst Online gestellten Kreditantrag, sondern auch in einer von einer Mitarbeiterin der Bank auf Grund dieser Angaben (formularmäßig) erstellten und vom Angeklagten mit seiner Unterschrift bestätigten schriftlichen „Selbstauskunft“ samt Haushaltsrechnung die Information enthielt, dass im Zeitpunkt der Antragstellung eine bereits seit Oktober 2016 aufrechte Beschäftigung beim selben Arbeitgeber bestanden habe (US 3 f [iVm ON 3 S 47, 49], 6). Die Behauptung eines Widerspruchs (Z 5 dritter Fall; RIS‑Justiz RS0119089) zwischen Urteilsspruch und Feststellungen geht somit auch deshalb ins Leere.

Dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider haben die Tatrichter bei ihren Erwägungen ohnehin berücksichtigt, dass die der Bank darüber hinaus vorgelegten Lohnzettel inhaltlich richtig waren und vom jeweils tatsächlichen Arbeitgeber stammten (US 5 f, 8).

Weshalb die von der Beschwerde isoliert hervorgehobene Deposition der Zeugin K*****, bei langjährigen Bestandskunden (wie dem Angeklagten) würde im Normalfall auch eine einzige Gehaltsbestätigung genügen (ON 19 S 18), einer besonderen Erörterung (Z 5 zweiter Fall) bedurft hätte, obwohl die genannte Zeugin klar zum Ausdruck gebracht hatte, dass im konkreten Fall auch die Schulden und die Spielsucht des Angeklagten einer Bewilligung des Kredits entgegenstanden (US 5), erhellt die Beschwerde nicht.

Soweit der Nichtigkeitswerber unter Berufung auf diese Beweisergebnisse andere Feststellungen zur Kausalität seiner Angaben zum aktuellen Arbeitgeber (US 3) einfordert, argumentiert er nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

Im Übrigen wurde die von der Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) hervorgehobene Behauptung des Angeklagten, er habe die befasste Bankmitarbeiterin ausdrücklich darauf hingewiesen, vom aktuellen Arbeitgeber nur einen einzigen Lohnzettel vorweisen zu können, von den Tatrichtern erörtert, jedoch als unglaubwürdige Schutzbehauptung verworfen (US 6). Dass die in der Hauptverhandlung vernommene Zeugin K***** diese (angeblich gegenüber der seinerzeit konkret befassten Mitarbeiterin mündlich getätigte) Mitteilung an die Bank bestätigt hätte, wird von der Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) im Übrigen – ohne Angabe entsprechender Fundstellen (vgl RIS‑Justiz RS0124172[T9]) – bloß behauptet.

Im Zusammenhang mit den Konstatierungen zur subjektiven Tatseite wurde die jeglichen Betrugsvorsatz leugnende Verantwortung des Angeklagten – auch in Bezug auf die Hoffnung auf Spielgewinne – hinreichend gewürdigt (Z 5 zweiter Fall), im Hinblick auf die wahrheitswidrigen Angaben bei Kreditantragstellung, die triste finanzielle Ausgangslage und den Umstand, dass der Angeklagte auf Grund seiner massiven Spielsucht sein gesamtes Vermögen, Vermögen seiner Eltern und regelmäßig auch seinen gesamten Monatslohn verspielt hatte, als unglaubwürdig verworfen (US 6 f).

Der eingewendete innere Widerspruch (Z 5 dritter Fall) besteht nicht. Denn die von der Beschwerde angesprochenen Feststellungen, der Angeklagte habe anlässlich der Unterzeichnung der unrichtigen Selbstauskunft zwar drei echte und richtige Lohnzettel vorgelegt, aber dennoch mit Betrugsvorsatz gehandelt (US 3), schließen einander nach den Kriterien logischen Denkens nicht aus (vgl RIS‑Justiz RS0117402). Das Erstgericht ging übrigens gerade nicht davon aus, dass der Angeklagte die mit der formularmäßigen Erstellung dieser Selbstauskunft befasste Mitarbeiterin ausdrücklich auf den erst kurz davor stattgefundenen Arbeitgeberwechsel hingewiesen hatte (US 6 iVm US 3).

Keine oder eine nur offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) liegt dann vor, wenn für den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache entweder überhaupt keine oder nur solche Gründe angegeben sind, aus denen sich nach den Kriterien logischen Denkens und allgemeiner Lebenserfahrung ein Schluss auf die zu begründende Tatsache entweder überhaupt nicht ziehen lässt oder der logische Zusammenhang kaum noch erkennbar ist (RIS‑Justiz RS0099413).

Das Schöffengericht stützte die Feststellungen zum Vorsatz auf unrechtmäßige Bereicherung auf das äußere Tatgeschehen (Täuschung über die Rückzahlungswilligkeit und -fähigkeit bei trister finanzieller Ausgangslage, nämlich Schulden in Höhe von 30.000 Euro und bestehende Spielsucht, daneben Falschangaben zur Beschäftigungsdauer beim aktuellen Arbeitgeber; US 6 f iVm US 3), was unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden ist. Dass die Argumentation des Erstgerichts den Nichtigkeitswerber insgesamt nicht überzeugt und aus seiner Sicht andere, für ihn günstigere Schlüsse wünschenswert gewesen wären, stellt kein Begründungsdefizit dar (RIS‑Justiz RS0098400).

Ebensowenig liegt ein solches deshalb vor, weil im Hinblick auf die Vorlage echter und richtiger Lohnzettel für den Angeklagten günstigere Feststellungen zur subjektiven Tatseite möglich gewesen wären. Schließlich wird auch mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (§ 14 zweiter Halbsatz StPO) keine Nichtigkeit aus Z 5 (oder Z 5a) des § 281 Abs 1 StPO aufgezeigt (RIS‑Justiz RS0102162).

Nach der Gesamtheit der Entscheidungsgründe stellten die Tatrichter fest, dass der Angeklagte in der Selbstauskunft (zunächst Online und dann mit Unterzeichnung des Formulars) samt Haushaltsrechnung (ON 3 S 47 ff; US 4 f) wahrheitswidrige Angaben zur Dauer des aktuellen Beschäftigungsverhältnisses machte und sich zur Frage nach sonstigen Verbindlichkeiten als schuldenfrei darstellte. Den diesbezüglich konstatierten Täuschungsvorsatz erschlossen sie aus den Angaben im Zug der Kreditantragstellung, der tristen finanziellen Situation des Angeklagten, dessen massiver Spielsucht und dem Umstand, dass er nach eigenen Angaben selbst überrascht war, den Kredit erhalten zu haben, obwohl aus seinem Konto erhebliche Abbuchungen für Online-Glücksspiel ersichtlich gewesen wären (US 6 f). Dass der Beschwerdeführer diese Begründung nicht für überzeugend erachtet, stellt keinen Urteilsmangel (Z 5 vierter Fall) dar.

Der Tatsachenrüge (Z 5a) gelingt es nicht, beim Obersten Gerichtshof durch Verweis auf die Verantwortung des Angeklagten, auf die Vorlage von echten und richtigen Lohnzetteln, auf die langjährige Geschäftsbeziehung zur Bank, auf isoliert hervorgehobene Depositionen der Zeugin K*****, auf die Erwartung künftiger Lohnzahlungen und auf den Umstand, dass der Kredit trotz Bonitätsprüfung und Einblick der Bank in das bei ihr bestehende Girokonto genehmigt wurde, erhebliche Bedenken gegen den Ausspruch über entscheidende Tatsachen (insbesondere zur subjektiven Tatseite) zu erwecken.

Indem die Rechtsrüge (nominell auch Z 10, der Sache nach nur Z 9 lit a) die Feststellungen zur Kausalität der Angaben in der Selbstauskunft und einen dadurch bei Verfügungsberechtigten der Bank ausgelösten Irrtum negiert, erweist sie sich – weil nicht am Urteilssachverhalt (auch zu den weiteren Kreditversagungsgründen) ausgerichtet – als nicht prozessordnungskonform ausgeführt (RIS‑Justiz RS0099810). Soweit sie auf eine Prüfpflicht der Bank (§ 7 VKrG), den konkret verlangten hohen Zinssatz für „Hochrisikokredite“ und (angeblich) leichte Überprüfbarkeit der Richtigkeit von Angaben im Kreditantrag rekurriert, leitet sie nicht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116569, RS0117321), weshalb eine bei gebotener Aufmerksamkeit mögliche Durchschaubarkeit eines zur Irreführung abstrakt geeigneten Verhaltens eine iSd § 146 StGB tatbildliche Täuschung ausschließen soll (vgl RIS‑Justiz RS0106200).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus dizue Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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