OGH 15Os46/15a

OGH15Os46/15a22.7.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Juli 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Leisser als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hubert R***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 9. September 2014, GZ 40 Hv 3/14w‑35, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0150OS00046.15A.0722.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hubert R***** der Verbrechen der „Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60“ (1./a./), des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB „idF BGBl 1998/153“ (1./b./), eines Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und 3 erster Fall StGB sowie mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB jeweils „idF BGBl 1998/153“ (2./) und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB „idF BGBl 1974/60“ (3./) und „idF BGBl 1998/153“ (4./) schuldig erkannt.

Danach hat er „in H***** zu nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkten während nachgenannter Zeiträume

1./ in zahlreichen Fällen zu a./ den bzw zu b./ mit dem am 2. Jänner 1986 geborenen, somit zu den Tatzeiten unmündigen Simon P***** dadurch, dass er dessen Penis betastete sowie mit der Hand stimulierte und er sich seinen Penis von diesem mit dessen Hand bis zur Ejakulation stimulieren ließ,

a./ im Zeitraum Frühjahr 1996 bis 30. September 1998 auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht;

b./ im Zeitraum 1. Oktober 1998 bis 1. Jänner 2000 außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person vorgenommen bzw von einer unmündigen Person an sich vornehmen lassen;

2./ in zahlreichen Fällen mit der am 22. April 1989 geborenen, somit zu den Tatzeiten unmündigen Theresa P***** im Zeitraum Anfang 2000 bis Mitte des Jahres 2001 dadurch, dass er deren Vagina betastete und seinen Finger in deren Vagina einführte, eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, wobei die Taten eine schwere Körperverletzung, nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung (F 43.1) der zu den Tatzeiten unmündigen Theresa P***** zur Folge hatte;

3./ durch die zu Punkt 1./a./ beschriebenen Handlungen unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dem seiner Erziehung und Aufsicht unterstehenden, am 2. Jänner 1986 geborenen, sohin zu den Tatzeiten minderjährigen Simon P***** zur Unzucht missbraucht;

4./ durch die zu Punkt 1./b./ und 2./ beschriebenen Handlungen unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber den seiner Erziehung und Aufsicht unterstehenden, am 2. Jänner 1986 geborenen, sohin zu den Tatzeiten minderjährigen Simon P*****, sowie am 22. April 1989 geborenen, somit zu den Tatzeiten minderjährigen Theresa P*****, zur Unzucht missbraucht.“

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der Nichtigkeitswerber durch die Abweisung der in der Hauptverhandlung am 3. Juli 2014 (ON 27 S 23) gestellten, am 9. September 2014 (ON 34 S 3 und 38) nach vorangehender erstgerichtlicher Abweisung wiederholten Beweisanträge auf Vernehmung des Rafael H***** (Sohn der neuen Lebensgefährtin des Angeklagten) und der Brigitte W***** (Schwester dieser Lebensgefährtin) und auf „Einholung eines Sachbefundes aus dem Gebiet der Sexual‑Psychologie“ jeweils zum Beweis dafür, dass der Angeklagte keine pädophilen oder homosexuellen Neigungen hätte, sowie dafür, dass die vorgeworfenen Tathandlungen der Natur und Neigung des Angeklagten geradezu widersprechen würden und er diese Taten auch nicht begangen habe, nicht in seinen Verteidigungsrechten verletzt. Die darauf bezogene Antragstellung (ON 27 S 23 iVm ON 26) ließ nämlich die ‑ erforderliche (§ 55 Abs 1 letzter Satz StPO) ‑ Begründung vermissen, inwiefern die begehrten Beweisaufnahmen das intendierte Ergebnis erbringen sollten (RIS-Justiz RS0124721; vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 327).

Auch der Antrag auf „Einholung eines forensisch‑psychiatrischen sowie eines sexual-psychologischen Sachbefundes zum Beweis dafür, dass sexuelle Misshandlungen über den angeblichen langen Tatzeitraum von mehreren Jahren im Ehebett unter Anwesenheit der Kindesmutter, also unter ständiger Gefahr, ertappt zu werden, zudem mit Kindern beiderlei Geschlechts nur bei Vorliegen einer psychopathologischen Persönlichkeitsstruktur möglich sind, die im Testverfahren austestbar, beim Angeklagten aber nicht vorhanden ist, und er sohin die ihm vorgeworfenen sexuellen Handlungen an den beiden Kindern auch nicht begangen haben kann“ (ON 34 S 38), verfiel zu Recht der Abweisung.

Der Antrag legte nämlich nicht dar, weshalb die angelasteten Missbrauchshandlungen nur bei Vorliegen einer nicht näher definierten „psychopathologischen Persönlichkeitsstruktur“ möglich sein sollten. Dass mangels einer solchen Persönlichkeitsstruktur die fallbezogen angelasteten Missbrauchshandlungen auszuschließen wären, wurde gleichfalls nicht behauptet.

Das den Beweisantrag ergänzende Vorbringen im Rechtsmittel ist prozessual verspätet und insoweit genauso unbeachtlich wie es die im gegebenen Zusammenhang angestellten eigenständigen Beweiswerterwägungen und Schlussfolgerungen des Beschwerdeführers sind (RIS‑Justiz RS0099618).

Die Mängelrüge behauptet eine Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe (Z 5 zweiter Fall), führt jedoch nicht aus, welche Beweisergebnisse unerwogen geblieben wären, sondern stellt den erstgerichtlichen bloß eigene Beweiswerterwägungen entgegen. Die Auseinandersetzung der Tatrichter sowohl mit der als widerlegt erachteten Verantwortung des Angeklagten (US 7 f und 16 ff) als auch mit den Depositionen der Opfer und ihrer Mutter (US 8 ff und 15 ff) übergeht sie dabei.

Soweit der Beschwerdeführer diese Belastungszeugen mit Blick auf die Gefahr der Entdeckung durch die in der Wohnung anwesende Mutter der Kinder als „unglaubwürdig“ oder „zumindest zweifelhaft“ bezeichnet, bekämpft er nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung die Beweiswürdigung der Tatrichter, die im Übrigen auch die räumlichen Gegebenheiten in der Wohnung nicht unerwähnt ließen (US 20).

Gleiches gilt für die auf eigenen Erwägungen basierende Kritik am Beweiswert einer im Urteil referierten Tagebucheintragung der Theresa P*****. Dass sich im Tagebuch (über die Genannte hinaus) keine weiteren Eintragungen über sexuelle Übergriffe finden, haben die Tatrichter bei ihrer Beweiswürdigung erwogen (US 13 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§ 285i StPO).

Bleibt anzumerken, dass zufolge des gemäß § 61 StGB anzustellenden Günstigkeitsvergleichs die Schuldsprüche (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) hinsichtlich aller Taten nach der aktuellen Rechtslage, dh nach dem Gesetz in der jeweils (im Urteilszeitpunkt) geltenden Fassung erfolgen hätten müssen (somit: zu 1./ die Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB, zu 2./ ein Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und 3 erster Fall StGB sowie mehrere Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und zu 3./ und 4./ die Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB), weil die ‑ vom Erstgericht den Schuldsprüchen zugrunde gelegten ‑ Tatzeitgesetze nur dann anzuwenden sind, wenn sie für den Täter günstiger sind. Sind hingegen die im Urteilszeitpunkt geltenden Strafgesetze ‑ wie hier bei jeweils identer Strafdrohung ‑ zumindest gleich günstig, wirken sie zurück (Fabrizy,StGB11 § 61 Rz 1).

Da mit diesem Subsumtionsfehler (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) in concreto kein Nachteil für den Angeklagten verbunden war, sah sich der Oberste Gerichtshof zu einem Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO nicht veranlasst (RIS‑Justiz RS0118870, RS0090885; Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 23).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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