OGH 15Os35/24x

OGH15Os35/24x15.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Mai 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart der Schriftführerin FI Jäger in der Strafsache gegen * B* wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, Abs 2 Z 1 (iVm Abs 1 Z 1), 130 Abs 2 zweiter Fall und Abs 3 (jeweils iVm Abs 1 erster Fall) StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 13. November 2023, GZ 60 Hv 52/23a‑26b, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Ramusch LL.M. LL.M. WU, des Angeklagten B*, dessen Verteidigerin Mag. Karlsböck, der Privatbeteiligtenvertreterin Mag. Resch, sowie der Dolmetscherin Dr. Millischer zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0150OS00035.24X.0515.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch II./2./ in Betreff einer Bankomatkarte und einer Kreditkarte der * G* sowie einer Bankomatkarte der * R*, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und im Adhäsionserkenntnis betreffend die Privatbeteiligte G* im Umfang des Zuspruchs von 200 Euro sowieim Verweis auf den Zivilrechtsweg aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:

* B* hat im Zuge der zu I./11./ genannten Tat unbare Zahlungsmittel, über die er nicht verfügen durfte, nämlich eine Bankomatkarte und eine Kreditkarte der * G* sowie eine Bankomatkarte der * R*, mit dem Vorsatz unterdrückt, deren Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern, indem er diese an sich nahm und verbrachte.

Er hat hiedurch die Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB begangen und wird hiefür sowie für die ihm weiterhin zur Last liegenden strafbaren Handlungen, nämlich das Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 2 Z 1 (iVm Abs 1 Z 1), 130 Abs 2 zweiter Fall und Abs 3 (jeweils iVm Abs 1 erster Fall) StGB (I./) und die Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (II./1./ und II./2./) unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 130 Abs 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von

zwei Jahren und sechs Monaten

verurteilt.

Die Vorhaftanrechnung wird dem Erstgericht überlassen.

Gemäß § 369 Abs 1 StPO ist B* schuldig, der Privatbeteiligten G* 200 Euro binnen 14 Tagen zu zahlen. Mit ihren darüber hinausgehenden Ansprüchen wird die Privatbeteiligte auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.

Seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche betreffend den Zuspruch von 7.000 Euro an den Privatbeteiligten Ru** wird dahingehend teilweise Folge gegeben, dass der Zuspruch im Ausmaß von 1.151 Euro aufgehoben und der Privatbeteiligte in diesem Umfang auf den Zivilrechtsweg verwiesen wird.

Der gegen die Zusprüche an die Privatbeteiligten S* und Se* GmbH gerichteten Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * B* des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 2 Z 1 (iVm Abs 1 Z 1), 130 Abs 2 zweiter Fall und Abs 3 (jeweils iVm Abs 1 erster Fall) StGB (I./1./ bis 11./) sowie einer Mehrzahl (der Sache nach: zehn) Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (II./1./ und 2./) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt.

[2] Danach hat er in L* und andernorts

I./ gewerbsmäßig Nachgenannten fremde bewegliche Sachen in einem Gesamtwert von zumindest 82.580 Euro durch (überwiegend) Einbruch zum Teil in Wohnstätten unter Verwendung eines widerrechtlich erlangten Schlüssels mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

1./ im März 2023, indem er aus dem unversperrten Fahrzeug des * S* dessen Schlüsselbund mit darauf befindlichem Wohnungs-, Lokal- und Safeschlüssel entnahm;

2./ im Zeitraum von 5. bis 9. April 2023, indem er mit dem zu 1./ genannten Wohnungsschlüssel des S* in dessen Wohnhaus eindrang und daraus 18.000 Euro Bargeld sowie einen Fahrzeugschlüssel verbrachte;

3./ am 13./14. April 2023, indem er in das Lokal „C*“ des S* unter Verwendung der zu 1./ genannten Schlüssel eindrang und aus dem Safe 3.000 Euro Bargeld entnahm und verbrachte;

4./ am 14./15. April 2023, indem er in das Lokal „C*“ des S* unter Verwendung der zu 1./ genannten Schlüssel eindrang und aus dem Safe 3.000 Euro Bargeld entnahm und verbrachte;

5./ am 4. Juni 2023, indem er in das Lokal „C*“ des S* unter Verwendung der zu 1./ genannten Schlüssel eindrang und aus dem Safe 8.000 Euro Bargeld entnahm und verbrachte;

6./ Anfang Dezember 2022, indem er aus dem unversperrten Geschäftslokal „D*“ einen Schlüsselbund der B* N* mit darauf befindlichen Schlüsseln für das Geschäftslokal sowie das Wohnhaus mit sich nahm;

7./ im Zeitraum von 17. bis 20. Dezember 2022 D* N* und B* N* 25.000 Euro Bargeld, eine Halskette im Wert von 7.000 Euro und Münzen sowie Modeschmuck im Gesamtwert von 3.000 Euro, indem er sich unter Verwendung des zu 6./ genanntenSchlüssels Zugang zu deren Wohnhaus verschaffte;

8./ am 30. April 2023, indem er den außen an der Wohnungseingangstüre oder einem Postkasten im Stiegenhaus steckenden Schlüsselbund des E* A* mit darauf befindlichem Wohnungs- und Postkastenschlüssel an sich nahm und verbrachte;

9./ am 6. Mai 2023 J* A* und E* A* Uhren und Schmuck im Gesamtwert von zirka 10.000 Euro, indem er sich unter Verwendung des zu 8./ angeführten Wohnungsschlüssels Zugang zu deren Wohnräumlichkeiten verschaffte;

10./ zu einem unbekannten Zeitpunkt vor dem 6. Juni 2023, indem er den frei zugänglichen Schlüsselbund der * K* mit darauf befindlichem Haustür-, Wohnungseingangs- und Postkastenschlüssel sowie drei weiteren Schlüsseln an sich nahm und verbrachte;

11./ am 8. Oktober 2022, indem er die Heckscheibe eines PKW mit dem Kennzeichen * einschlug und daraus eine Registrierkasse samt Bargeld in Höhe von zumindest 5.000 Euro, mehrere Schlüssel, Kleidungsstücke im Wert von zirka 200 Euro, zwei Geldbörsen mit 100 und 50 Euro sowie eine Handtasche im Wert von 30 Euro und ein Mobiltelefon im Wert von 200 Euro entnahm und verbrachte;

II./ Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, indem er

1./ im Zuge der zu I./9./ genannten Tat die Reisepässe der J* und des E* A* sowie den Typen- und Zulassungsschein eines PKW mit dem Kennzeichen * an sich nahm und verbrachte;

2./ im Zuge der zu I./11./ genannten Tat den Führerschein, eine Bankomatkarte, eine Kreditkarte und eine E‑Card der * G* sowie eine Bankomatkarte und eine E‑Card der * R* an sich nahm und verbrachte.

[3] Der Angeklagte wurde gemäß § 369 Abs 1 StPO schuldig erkannt, binnen 14 Tagen den Privatbeteiligten Se* GmbH 14.000 Euro, S* 18.000 Euro, Ru* 7.000 Euro, R* 80 Euro und G* 700 Euro zu bezahlen. Letztere wurde mit ihren darüber hinausgehenden Ansprüchen gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Rechtliche Beurteilung

[4] Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – teilweise Berechtigung zukommt.

[5] Zutreffend bringt die zu II./2./ erhobene Subsumtionsrüge (Z 10) vor, dass die Urteilskonstatierungen die rechtliche Beurteilung der eine Bankomatkarte und eine Kreditkarte der G* sowie eine Bankomatkarte der R* betreffenden Taten als (jeweils ein) Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB nicht tragen. Wie das Erstgericht ohnehin selbst erkannt hat (US 16), handelt es sich bei Kredit- und Bankomatkarten um unbare Zahlungsmittel iSd § 74 Abs 1 Z 10 StGB. Basierend auf den (unbekämpften) Feststellungen des Erstgerichts zur objektiven (US 5) und subjektiven (US 7) Tatseite wäre demnach die Ansichnahme und Verbringung einer Bankomatkarte und einer Kreditkarte der G* sowie einer Bankomatkarte der R*, über welche der Angeklagte jeweils nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz, deren Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern, jeweils dem Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB zu subsumieren gewesen (RIS-Justiz RS0119423).

[6] Das angefochtene Urteil, das den Feststellungen entsprechend die Anzahl der aus seiner Sicht verwirklichten (zehn) Vergehen nicht offen lässt (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 576) und damit Beschwer des Angeklagten iSd § 282 StPO bewirkt (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 647, 655), war daher in diesem Umfang aufzuheben und in diesem Sinn in der Sache selbst zu entscheiden (§ 288 Abs 1 Z 3 StPO).

[7] Nicht im Recht ist die Beschwerde jedoch mit der Behauptung, dass auch die Unterdrückung der E‑Card der R* § 241e Abs 3 StGB zu subsumieren gewesen wäre. Denn bei der E-Card handelt es sich mangels bargeldähnlicher Einsetzbarkeit nicht um ein unbares Zahlungsmittel iSd § 74 Abs 1 Z 10 StGB (RIS-Justiz RS0122092, RS0120525 [T1, T2]), sondern um eine Urkunde iSd § 74 Abs 1 Z 7 StGB (RIS‑Justiz RS0121508). Die vom Erstgericht vorgenommene Subsumtion erfolgte daher zu Recht, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde in diesem Umfang zu verwerfen war (§ 288 Abs 1 StPO).

[8] Bei der erforderlichen Strafneubemessung war nach § 130 Abs 3 StGB von einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe auszugehen.

[9] Erschwerend waren das Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehreren Vergehen, die Mehrzahl der Angriffe zu I./, die Verwirklichung mehrerer Deliktsqualifikationen zu I./ und das deutliche Überschreiten der Wertgrenze des § 128 Abs 1 Z 5 StGB zu werten, mildernd hingegen die Unbescholtenheit des Angeklagten und der Umstand, dass mehrere gestohlene Gegenstände sichergestellt werden konnten (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB; RIS-Justiz RS0091384, RS0091337).

[10] Davon ausgehend sowie unter Berücksichtigung der allgemeinen Strafzumessungserwägungen (§ 32 Abs 3 StGB) erweist sich die im Spruch genannte Freiheitsstrafe als tat‑ und schuldangemessen.

[11] Die – von der Berufung im Übrigen angestrebte – Gewährung bedingter Nachsicht eines Teils der verhängten Strafe nach § 43a Abs 4 StGB scheitert mit Blick auf die wiederholte Delinquenz und die Persönlichkeit des Angeklagten am Erfordernis der hohen Wahrscheinlichkeit künftigen Wohlverhaltens (vgl RIS-Justiz RS0092050).

[12] Mit seiner gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung war der Angeklagte auf die Strafneubemessung zu verweisen.

[13] Die Aufhebung der Schuldsprüche im oben ersichtlichen Umfang erforderte die Beseitigung des darauf basierenden Adhäsionserkenntnisses in Betreff der Privatbeteiligten G* (RIS-Justiz RS0101311 [T3], RS0100510 [T2]). Aufgrund der Verfahrensergebnisse (ON 26a, 11; siehe auch US 5) war ihr jedoch (neuerlich) für die Unkosten zur Neubeschaffung der weggenommenen Urkunden, Bankomat- und Kreditkarten sowie Schlüssel ein Pauschalbetrag von 200 Euro zuzusprechen und die Privatbeteiligte mit ihren darüber hinausgehenden Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.

[14] Der gegen den Zuspruch von 7.000 Euro an den Privatbeteiligten Ru* gerichteten Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche war – wie aus dem Spruch ersichtlich – teilweise Folge zu geben, weil die Verfahrensergebnisse (nur) den Zuspruch von 5.000 Euro an weggenommenem Bargeld sowie – von der Berufung übergangen – von 849 Euro für die gestohlene Registrierkasse rechtfertigen (vgl dazu jeweils ON 12.2.2, 3 und ON 26a, 12) und eine genauere Aufschlüsselung der darüber hinausgehenden Ansprüche durch den Privatbeteiligten bis zum Schluss des Beweisverfahrens (§ 67 Abs 3 StPO) nicht erfolgt ist.

[15] Das Erstgericht legte den S* und der Se* GmbH zuerkannten Privatbeteiligtenansprüchen jeweils den festgestellten Deliktsschaden (zu I./2./ und zu I./3./ bis 5./) zu Grunde (US 5 f). Entgegen dem Berufungsvorbringen, wonach die Angaben des Zeugen S* widersprüchlich seien, es „nicht nachvollziehbar“ sei, warum „derartig hohe Summen“ an Geld nicht zur Bank gebracht würden, und die Privatbeteiligten S* und Se* GmbH keine Unterlagen oder Aufstellungen vorgelegt hätten, sind die Annahmen des Schöffengerichts unbedenklich und aus den für glaubwürdig befundenen Aussagen des Zeugen S* ableitbar (ON 5.3, 15.3, 2 f und ON 26a, 7 f; vgl auch US 9). Warum S* zur Geltendmachung des aus I./2./ resultierenden Schadens nicht aktiv legitimiert sein sollte, obwohl er durch die Wegnahme von 18.000 Euro aus seinem Gewahrsam in seinen Privatrechten verletzt wurde, macht die Berufung mit der Behauptung, ein Teil des Geldes stamme von der Se* GmbH (vgl aber ON 26a, 8), nicht klar. Die Zusprüche erfolgten daher zu Recht, weshalb der gegen das Adhäsionserkenntnis gerichteten Berufung in diesem Umfang nicht Folge zu geben war.

[16] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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