OGH 15Os29/23p

OGH15Os29/23p19.4.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. April 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Mag. Gigl als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des * S* in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. Jänner 2023, GZ 52 Hv 18/22d‑51, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00029.23P.0419.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * S* in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB eingewiesen, weil er in W* unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruhte, nämlich einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis mit schweren Impulsdurchbrüchen im Rahmen einer psychotischen Dekompensation und einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit emotional-instabilen, impulsiven, narzisstischen und dissozialen Anteilen, ein Tier, nämlich seine Hündin der Rasse Bollipoo roh misshandelt hat, und zwar

A./ am 31. Dezember 2021, indem er mehrmals mit einem rund 20 cm langen Ast auf das Tier hinschlug und mehrmals darauf eintrat;

B./ am 12. Jänner 2022, indem er das Tier mit beiden Händen am Hals hochhob und würgte bis es winselte,

und somit Taten begangen hat, die als Vergehen der Tierquälerei nach § 222 Abs 1 Z 1 StGB mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind.

Rechtliche Beurteilung

 

[2] Dagegen richtet sich die auf Z 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen, die ihr Ziel verfehlt.

[3] Soweit die Rüge in Betreff der Anlasstat auf die Änderungen des § 21 StGB durch das Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz 2022, BGBl I 2022/223, hinweist (dSn Z 9 lit a; RIS‑Justiz RS0113981; RS0132762), erklärt sie nicht, weshalb im Verfahren über eine Nichtigkeitsbeschwerde, in dem sich die Kompetenz des Obersten Gerichtshofs auf eine Richtigkeitskontrolle des erstinstanzlichen Urteils beschränkt, nicht das im Entscheidungszeitpunkt erster Instanz geltende Recht anzuwenden sein sollte (RIS‑Justiz RS0088808; RS0087462; Ratz, WK‑StPO § 288 Rz 34 f).

[4] Im Übrigen stellt das mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bedrohte Vergehen der Tierquälerei nach § 222 Abs 1 Z 1 StGB auch nach neuer Rechtslage eine taugliche Anlasstat iSd § 21 Abs 1 StGB dar (§ 21 Abs 3 erster Satz StGB).

[5] Das Erstgericht stellte zur Gefährlichkeits-prognose fest, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten sei, dass S* unter dem maßgeblichen Einfluss seiner Krankheit eine mit Strafe bedrohte Handlung gegen Leib und Leben mit schweren Folgen, wie etwa eine schwere Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB oder eine absichtliche schwere Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB begehen werde (US 3, 5 f). Diese Prognosetat wurde vom Erstgericht – rechtsrichtig – als mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen qualifiziert (US 12).

[6] Soweit die Beschwerde die Wahrscheinlichkeit einer Prognosetat in Zweifel zieht und deren Begründung durch das Erstgericht „lediglich“ mit den „Ausführungen des Sachverständigen“ kritisiert, erstattet sie bloß ein Berufungsvorbringen (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 716).

[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die (angemeldete; ON 54) Berufung ergibt (§ 285i StPO).

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