OGH 15Os26/16m

OGH15Os26/16m27.6.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Janisch als Schriftführerin in der Strafsache gegen DI Dr. Alaa A***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 15, 156 Abs 1 und Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. November 2015, GZ 62 Hv 77/03a‑485, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0150OS00026.16M.0627.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen – im dritten Rechtsgang ergangenen, auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthaltenden – Urteil wurde DI Dr. Alaa A***** im Zusammenhalt mit dem im ersten Rechtsgang ergangenen rechtskräftigen Schuldspruch wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 15, 156 Abs 1 StGB auch der Qualifikation nach § 156 Abs 2 StGB idF vor BGBl I 2015/112 schuldig erkannt (B.).

Danach hat er in Wien

B. als verantwortlicher Geschäftsführer der S***** GmbH versucht, deren Vermögen zum Schein zu verringern und dadurch die Befriedigung der Gläubiger oder zumindest eines von ihnen zu vereiteln oder zu schmälern, indem er im Juni 2000 nicht marktkonforme Mietverträge über Teile der Liegenschaft EZ 103, GB W*****, mit seiner Mutter Nadja I***** und seinem Bruder Murat G***** abschloss (Urteil vom 15. September 2011, ON 378), wobei er „einen nicht mehr feststellbaren, 50.000 Euro übersteigenden Schaden in der Höhe von mehr als 300.000 Euro herbeigeführt“ hat (Urteil vom 23. November 2015, ON 485).

Nach den wesentlichen Annahmen des nunmehr angefochtenen Urteils hielt es der Angeklagte ernstlich für möglich und fand sich damit ab, die Befriedigung der Gläubiger im Ausmaß der durch das Eingehen der Mietverträge erfolgten Verringerung des Verkehrswerts der Liegenschaft zu schmälern. Er wusste und wollte, „dass bei einer etwaigen Verwertung der Liegenschaft die genannten Mietverträge spürbar wertmindernd ins Gewicht fallen würden und die Befriedigung der Gläubiger um diesen Betrag geschmälert würde. Ebenso hielt er es ernstlich für möglich und fand sich damit ab, dass die Befriedigung der Gläubiger in einem 300.000 Euro übersteigenden Ausmaß geschmälert worden wäre“ (US 7).

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 4, 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Der Erledigung der Verfahrens‑ (Z 4), Mängel- (Z 5) und Tatsachenrüge (Z 5a) ist voranzustellen, dass der Beschwerdeführer mit dem durch das Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs vom 27. Juni 2012, AZ 15 Os 37/12y, rechtskräftigen Schuldspruch des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 15. September 2011 (ON 378) des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 15, 156 Abs 1 StGB schuldig erkannt wurde. Der aufhebende Teil des Erkenntnisses des Obersten Gerichtshofs betraf – soweit hier von Relevanz – lediglich die Unterstellung der diesem Schuldspruch zugrunde liegenden Taten (auch) unter Abs 2 des § 156 StGB. Soweit sich das Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde somit auf die Bestreitung einer versuchten (scheinbaren) Vermögensverringerung und Gläubigerschädigung bezieht, ist es – weil einen rechtskräftigen Schuldspruch betreffend – unbeachtlich. Dies betrifft insbesondere die Behauptung, dass sich der Verkehrswert der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft durch den Abschluss der Mietverträge mit dem Bruder und der Mutter des Angeklagten erhöht hätte und demzufolge der Vorsatz nicht auf eine Gläubigerschädigung gerichtet gewesen sei.

Zudem wurde der Beschwerdeführer des Verbrechens der betrügerischen Krida in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) schuldig erkannt. Jegliches Vorbringen zu (tatsächlich) eingetretener Vermögensverringerung und Gläubigerschädigung ist daher ebenfalls unbeachtlich.

In seiner Verfahrensrüge (Z 4) verweist der Beschwerdeführer hinsichtlich eines Antrags auf Beischaffung des Kaufvertrags (Blg ./40 zum Sachverständigengutachten DDr. Al*****) und des Kreditvertrags mit der SKWB Schöllerbank auf seinen (im Übrigen auch nicht den Erfordernissen des § 55 Abs 1 StPO entsprechenden) schriftlich gestellten, mehrere Beweismittel und ‑themen umfassenden Beweisantrag vom 18. November 2015 (ON 481), welchen er in der Hauptverhandlung am 23. November 2015 aufrechterhalten habe. Beachtlich ist jedoch nur ein solcher Beweisantrag, den der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung mündlich gestellt hat; in Schriftsätzen gestellte Anträge, die ohne konkrete Bezugnahme lediglich „aufrechterhalten werden“, genügen diesem Erfordernis nicht ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 309 ff).

Der auf den Zustand des Straßentrakts zum Zeitpunkt der Fälligstellung der Kredite durch die Creditanstalt bzw UniCredit Bank AG gerichtete Antrag auf Vernehmung der Zeugen Julius M***** und Jego Go***** zum Beweis dafür, dass dieser nicht fertig gestellt war und erhebliche Fertigstellungsarbeiten gefehlt hätten (ON 484 S 40), verfiel zu Recht der Abweisung, weil das Gericht ohnedies von einem desolaten Zustand ausgegangen ist und ein solcher auch dem Gutachten des Sachverständigen Mag. St***** zugrunde gelegt wurde (§ 55 Abs 2 Z 3 StPO; US 9, 13 f).

Die Anträge auf Vernehmung der Zeugen Mag. Franz Ai***** und Dr. Karl Sc***** zielten im Ergebnis auf eine Beweisführung zur subjektiven Tatseite des Beschwerdeführers ab (arg: „... ich mit Sicherheit davon ausgegangen bin“, „... mit Überzeugung davon ausgegangen bin“), die – bloß auf eine Schlussfolgerung oder sonstige Meinung gerichtet – mangels sinnlicher Wahrnehmbarkeit einem Zeugenbeweis nicht zugänglich war (RIS‑Justiz RS0097540, RS0097545).

Der Antrag, „dem Herrn Sachverständigen Mag. St***** oder Mag. R***** aufzutragen, eine Bewertung der Liegenschaft F*****straße 7 ohne getätigte Investitionen und ohne Mietvertrag mit dem Ministerium zum Zeitpunkt des Abschlusses der Mietverträge und zum Zeitpunkt der Fälligstellung der Kredite“ zum Beweis dafür vorzunehmen, „dass ohne Mietvertragsabschluss mit den Parteien I***** und G***** sowie Sa***** & Sa***** insgesamt das Objekt entwertet worden gewesen wäre und diese Mietverträge zu einer Aufwertung des Objekts, jedenfalls aber zu keiner 50.000 Euro oder 300.000 Euro übersteigenden Wertminderung geführt haben, daraus resultierend ein Befriedigungsausfall der Gläubiger in diese Beträge übersteigender Höhe“ (ON 484 S 41) konnte ebenfalls sanktionslos abgewiesen werden, weil im Hinblick auf den Schuldspruch wegen eines (bloß) versuchten Verbrechens der betrügerischen Krida tatsächliche Wertveränderungen nicht schuld- oder subsumtionsrelevant sind (§ 55 Abs 2 Z 1 StPO).

Zudem ließ der Beweisantrag eine Begründung dahingehend vermissen, weshalb trotz bereits bestehenden Mietvertrags mit dem Ministerium seit 28. Dezember 1999 (US 5) dieses – weiterhin aufrecht bestehende, auf unbestimmte Zeit abgeschlossene – Bestandverhältnis für die Zeitpunkte weiterer Mietvertragsabschlüsse im Juni 2000 mit Sa***** & Sa***** sowie mit I***** und G***** (US 6) bei zum Zeitpunkt der letztgenannten Mietverträge bereits gekündigtem Kredit (26 April 2000; US 5) unberücksichtigt bleiben sollte und demzufolge eine Gutachtensergänzung im beantragten Umfang für die Beurteilung des Tatverdachts von Bedeutung sein sollte.

Die die Beweisanträge ergänzenden Beschwerdeausführungen sind schon deshalb unbeachtlich, weil die Berechtigung eines Antrags stets auf den Antragszeitpunkt bezogen zu prüfen ist (RIS‑Justiz RS0099618, RS0099117).

Soweit der Beschwerdeführer Zweifel an der fachlichen Qualifikation der gerichtlich bestellten Sachverständigen DI Dr. B***** und DDr. Al***** hegt, scheitert seine Mängelrüge (Z 5) schon daran, dass er es unterlässt, den Kategorien der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO entsprechende Mängel der Begründung (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) des Erstgerichts aufzuzeigen. Tatsächlich wendet er sich mit seiner Kritik an den vom Gericht aus den Gutachten gezogenen Schlüssen bloß in im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehener Weise gegen die Beweiswürdigung des Gerichts. Im Übrigen wäre auch eine auf mangelnde Sachkunde des Sachverständigen gegründete Einwendung gegen diesen nach Erstattung von Befund und Gutachten zufolge der Spezialregelung des § 127 Abs 3 StPO nicht mehr zulässig (RIS-Justiz RS0126626; RS0115712).

Gleichfalls unzulässige Beweiswürdigungskritik stellt das Vorbringen dar, der Sachverständige Mag. St***** habe keine Befundaufnahme zum Tatzeitpunkt durchgeführt, zumal der Zustand der Gebäude zum Tatzeitpunkt zentrales Beweisthema der Hauptverhandlung war und das Gericht – der Verantwortung des Beschwerdeführers folgend – diesen ohnedies als desolat angenommen hat (vgl US 9, 10, 14).

Da das Gericht die als „conclusio“ bezeichnete Berechnungsvariante des Sachverständigen Mag. R***** nicht unerwähnt gelassen hat, den dieser zugrunde gelegten Zustand der Gebäude aber nicht angenommen hat (US 10), ist die Beweiswürdigung nicht mangelhaft unvollständig (Z 5 zweiter Fall).

Als widersprüchlich bezeichnet die Rüge (Z 5 dritter Fall) die Annahmen des Gerichts zum Mietverhältnis mit dem Bruder des Beschwerdeführers, wonach einerseits der Mieter zu Investitionen vertraglich verpflichtet gewesen sei, obwohl andererseits nicht festgestellt werden konnte, ob Zahlungen geleistet worden seien (US 7), macht aber nicht klar, weshalb diese Aussagen einander logisch ausschließen sollten (vgl RIS-Justiz RS0119089).

Weshalb sich das Gericht beweiswürdigend mit einer Ausführung des Sachverständigen Mag. St***** auseinandersetzen hätte müssen (Z 5 zweiter Fall), wonach „der Wertsteigerungswille des Dr. A***** [...] möglicherweise vorhanden gewesen sein [kann] und [...] die Folgefrage gleichermaßen aufgrund des spekulativen Charakters durch den gefertigten Sachverständigen nicht abschließend beantwortet werden [kann]“ (ON 411 S 17), bleibt unerfindlich, zumal die Beurteilung der subjektiven Tatseite des Beschwerdeführers nicht Thema des Sachverständigenbeweises ist.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) will nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld‑ oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichtlichen Beweiswerterwägungen) verhindern (RIS‑Justiz RS0118780).

Mit der Wiederholung seiner Verantwortung, insbesondere dem neuerlichen Hinweis auf Klauseln im Mietvertrag mit seinem Bruder, auf eine als „richtig“ eingestufte, vom Schöffengericht jedoch (aufgrund eines nach dessen Ansicht die Realität nicht widerspiegelnden Sanierungsbedarfs) seinen Feststellungen nicht zugrunde gelegten Rechenvariante des Sachverständigen Mag. St***** („conclusio“; vgl hiezu neuerlich US 10) und auf die Abfolge der Abschlüsse und Aufkündigungen von Mietverträgen (US 6 f), sowie mit der wiederholten Kritik an den von den Tatrichtern ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Gutachten gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, erhebliche Bedenken im Sinn des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes zu wecken.

Die Subsumtionsrüge (Z 10), die einen Entfall der Qualifikation des § 156 Abs 2 StGB anstrebt, vermisst Feststellungen zum Vorsatz des Angeklagten im Hinblick auf einen 50.000 Euro übersteigenden Befriedigungsausfall. Das Gericht stellte – wie der Beschwerdeführer in seinem Rechtsmittel selbst ausführt – fest, dass der Angeklagte es ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden hat, dass „die Befriedigung der Gläubiger in einem 300.000 Euro übersteigenden Ausmaß geschmälert worden wäre“ (US 7). Welche darüber hinausgehenden Konstatierungen für eine richtige rechtliche Subsumtion erforderlich sein sollten (RIS‑Justiz RS0095939), und weshalb es den getroffenen Annahmen an einem Sachverhaltsbezug (vgl den diesbezüglichen Verweis auf den konstatierten Wertverlust der Liegenschaft, US 6) fehlen sollte (RIS‑Justiz RS0119090), lässt die Rüge unbeantwortet. Vielmehr bestreitet der Beschwerdeführer unter Zugrundelegung seiner leugnenden Verantwortung und entgegen den Anforderungen an die Geltendmachung materiell‑rechtlicher Nichtigkeit (vgl RIS‑Justiz RS0099810) die vom Erstgericht getroffenen Erwägungen und ersetzt diese durch für ihn günstigere Schlussfolgerungen ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 593). Solcherart verbleibt die Subsumtionsrüge – unter diesem Nichtigkeitsgrund unzulässig – im Bereich der Beweiswürdigungskritik.

Soweit der Rechtsmittelwerber (der Sache nach Z 5 vierter Fall) die Begründung der subjektiven Tatseite kritisiert, übergeht er, dass die Tatrichter diese – logisch und empirisch mängelfrei – auf die langjährige Erfahrung des Angeklagten in der Immobilienbranche im Zusammenhalt mit dem objektiven Tatgeschehen (etwa dem Nichtbeachten einer Vertragsklausel, die ihn zur Bekanntgabe des Abschlusses von Bestandverträgen verpflichtete) gegründet haben (US 11 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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