OGH 15Os172/11z

OGH15Os172/11z29.2.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Februar 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Linzner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Primoz K***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 11. Oktober 2011, GZ 38 Hv 137/11f-16, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthält, wurde Primoz K***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (2./) sowie der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (1./), der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (3./a) sowie der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB (3./b) schuldig erkannt.

Danach hat er in L***** Anita K*****

1./ am 21. Februar 2011 mit Gewalt, indem er die Tür zum Schlafzimmer mehrmals gegen deren Fuß stieß, zum Zurückziehen des Fußes von der Türschwelle genötigt;

2./ in der Nacht vom 9. auf 10. Februar 2011 mit Gewalt, indem er sich auf ihren Oberschenkel setzte und sie festhielt, ihr trotz Gegenwehr die Unterhose hinunterzog, mit einer Hand zwischen ihre Beine griff, sich sodann auf die am Bauch Liegende legte und so mit seinem Gewicht festhielt, und sodann von hinten mit seinem Penis in ihre Vagina eindrang, zur Duldung des Beischlafs genötigt;

3./ vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar:

a) am 21. Februar 2011 durch die zu 1./ angeführten Handlungen, wobei die Tat Hämatome zur Folge hatte;

b) am 30. März 2011, indem er sie zurückstieß, wodurch sie zu Sturz kam, und sodann ihre Handgelenke fest umfasste, wobei die Tat Hämatome oberhalb der Brust und an den Handgelenken sowie einen Bruch der siebenten Rippe, sohin eine an sich schwere Verletzung zur Folge hatte.

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5a, 9 lit a und lit b sowie Z 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist anzumerken, dass die im elektronischen Rechtsverkehr eingebrachte Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde, wie eine - aufgrund der sinnentstellten Satzunterbrechung am Ende der Seite 3 und des Fehlens der Seitennummerierung 4 und 5 veranlasste - Überprüfung durch das Bundesrechenzentrum ergab, vom Verteidiger offenkundig unvollständig abgesandt wurde. Weil das Gesetz nur eine einzige Ausführung der Beschwerdegründe zulässt, ist nur auf diese einzugehen, allfällige Nachträge wären hingegen - selbst bei Einbringung vor Ablauf der Ausführungsfrist - unbeachtlich (vgl Ratz, WK-StPO § 285 Rz 6 f).

Der Verfahrensrüge (Z 4) ist zunächst zu erwidern, dass nichtigkeitsbegründend im Sinn dieser Bestimmung nur der Umgang mit in der Hauptverhandlung gestellten Anträgen sein kann (vgl RIS-Justiz RS0099244, RS0099250; Danek, WK-StPO § 238 Rz 4; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 309 f), Beschwerdeausführungen, die sich auf nur in einem Schriftsatz enthaltenes Vorbringen beziehen, daher unbeachtlich sind.

Durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf ergänzende Vernehmung der - im Vorverfahren kontradiktorisch vernommenen - Zeugin K***** „hinsichtlich allfälliger Widersprüche“ zwischen ihren Angaben vor der Polizei und jenen vor dem Ermittlungsrichter zum Beweis dafür, dass der Angeklagte die „Tat nicht begangen“ habe (ON 15 S 26), wurden Verteidigungsrechte nicht verletzt. Einer ergänzenden Vernehmung der Zeugin (nach Vorführung ihrer Angaben bei der kontradiktorischen Vernehmung, ON 15 S 25) stand bereits entgegen, dass sie von ihrem Entschlagungsrecht nach § 156 Abs 1 Z 2 StPO vor der Hauptverhandlung wirksam Gebrauch gemacht hat (ON 4 S 3, ON 15 S 15) und im Beweisantrag keine Umstände dargetan wurden, denen zufolge der dokumentierte Wille der Zeugin nicht mehr aktuell sei, weshalb zu erwarten sei, dass sie nunmehr aussagen wolle (RIS-Justiz RS0117928). Auf das Fehlen eines Verteidigers bei der kontradiktorischen Vernehmung wurde der Antrag nicht gestützt (vgl RIS-Justiz RS0125706; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 361), zumal der bloße Verweis auf „Fragestellungen laut Schriftsatz ON 13“ (ON 15 S 26) den Erfordernissen deutlich und bestimmt bezeichneter Antragstellung nicht entspricht (RIS-Justiz RS0118060 [T6]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 310 f, 313).

Weil die Berechtigung eines Beweisantrags nur aufgrund seines Inhalts zu prüfen und daher jedes von diesem abweichende oder dieses ergänzende Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerde unzulässig ist (RIS-Justiz RS0099117, RS0099618), sind die in der Beschwerde zur Fundierung des Begehrens nachgetragenen Ausführungen unbeachtlich.

Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) das Verhalten der Zeugin K***** nach den Taten kritisch hinterfragt und über ein Motiv für ihre Aussage spekuliert, die Beweiswürdigung der Tatrichter zum aufgezeichneten Gespräch vom 21. Februar 2011 unrichtig wiedergibt, jene zur Glaubwürdigkeit der Zeugin K***** kritisiert und den Vorsatz des Angeklagten in Zweifel zieht, stellt sie den Urteilsannahmen - überwiegend ohne direkten Bezug zu aktenkundigem Beweismaterial (vgl RIS-Justiz RS0117446) - bloß eigene Erwägungen entgegen und vermag damit beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu 1./ - eigene beweiswürdigende Erwägungen zugrunde legend - substratlos behauptet, in der Handlung des Angeklagten könne keine Nötigung erblickt werden, hält sie nicht an den Urteilskonstatierungen (US 5 f) fest (RIS-Justiz RS0099810).

Die zu diesem Schuldspruch auch den Rechtfertigungsgrund des § 105 Abs 2 StGB reklamierende Rüge (Z 9 lit b) wird nicht prozessförmig zur Darstellung gebracht, wenn sie dem Verhalten des Angeklagten - abweichend von den Feststellungen (US 5) - den Zweck der „Vermeidung einer eskalierenden Situation“ unterstellt und daraus ableitet, dass diese Handlungsweise nicht den guten Sitten widerstreite (vgl dazu im Übrigen RIS-Justiz RS0095293; Schwaighofer in WK2 § 105 Rz 77).

Mit ihrer zu 3./b gegen die Annahme der Qualifikation nach § 84 Abs 1 StGB gerichteten Behauptung, der Rippenbruch sei keine schwere Verletzung und das Erstgericht sei rechtlich verfehlt von einer Gesamtschau ausgegangen, leitet die Subsumtionsrüge (Z 10) die begehrte Rechtsfolge einer „einfachen Körperverletzung“ mangels jeglicher Argumentation nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS-Justiz RS0116565, RS0116569; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584, 588; vgl im Übrigen die von der Rechtsprechung vorgenommene ganzheitliche Betrachtung, welche auch bei einem Bruch einer einzigen Rippe das Vorliegen einer an sich schweren Körperverletzung nicht ausschließt (vgl RIS-Justiz RS0092473 [T4]; RS0092611; Burgstaller/Fabrizy in WK2 § 84 Rz 17).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte