European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0150OS00138.23T.0311.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * A* des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 3. September 2022 in W* * Al* zu töten versucht, indem er ihm mit einem Klappmesser zumindest drei Mal in den Oberkörper stach, wodurch dieser eine an sich schwere Körperverletzung verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung erlitt, nämlich eine Stichverletzung in der linken Achselregion mit Eröffnung der Brusthöhle, Luftbrustfüllung, oberflächlicher Beschädigung des linken Lungenflügels und geringgradiger Einblutung in die linke Brusthöhle, eine Stichverletzung in der linken hinteren Brustkorb- bzw oberen Rückenregion, eine kleine oberflächliche Stichverletzung unter dem linken Schlüsselbein sowie je eine kleine Schnittverletzung an der Beugeseite des rechten Unterarms und an der Außenseite des linken Oberarms.
[3] Die Geschworenen hatten die nach dem Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB gestellte Hauptfrage (1./) stimmeneinhellig bejaht. Eventualfragen (1./ bis 3./) nach dem Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und den Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 5 Z 1 StGB und nach § 84 Abs 4 StGB waren folgerichtig unbeantwortet geblieben. Die (alternativ gefasste) Zusatzfrage (1./) nach Notwehr, Notwehrüberschreitung aus asthenischem Affekt, Putativnotwehr und Putativnotwehrüberschreitung aus asthenischem Affekt hatten sie stimmeneinhellig verneint. Demgemäß war die Beantwortung mehrerer weiterer, für den Fall der Bejahung der Zusatzfrage gestellter Eventualfragen unterblieben (mit Ausnahme der irrtümlich beantworteten, aber verneinten Eventualfrage 5./; vgl Kirchbacher, StPO15 § 345 Rz 15/1).
Rechtliche Beurteilung
[4] Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6, 8 und 13 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – keine Berechtigung zukommt.
[5] Die Fragenrüge (Z 6) wendet sich gegen die getrennte Abstimmung der Geschworenen über die in der Zusatzfrage 1./ – dem Grundsatz der Totalabstimmung entsprechend (RIS‑Justiz RS0102740) – zusammengefassten Strafausschließungsgründe. Da die Laienrichter jede einzelne Frage nach Notwehr, Notwehrüberschreitung, Putativnotwehr und Putativnotwehrüberschreitung stimmeneinhellig verneinten (US 5), ist ein dem Beschwerdeführer nachteiliger Einfluss auf die Entscheidung (§ 345 Abs 3 StPO) allerdings auszuschließen.
[6] Die gesetzmäßige Ausführung einer Instruktionsrüge (Z 8) hinsichtlich – wie hier – infolge Verneinung der Zusatzfrage 1./ (im Ergebnis) nicht gestellter (vgl § 317 Abs 3 StPO) Eventualfragen erfordert die Darlegung, inwiefern sich die behauptete Unrichtigkeit auf die Beantwortung der Haupt- oder der Zusatzfrage ausgewirkt haben soll (RIS-Justiz RS0111311, RS0110682 [T3]). Diesem Erfordernis wird die Beschwerde mit der Mutmaßung, eine Auswirkung des kritisierten Fehlens einer jeweils gesonderten Belehrung im Sinn des § 321 Abs 2 StPO zu den Eventualfragen 4./ bis 6./ (ON 85.1.1, 21 ff) auf die Verneinung der Zusatzfrage sei „nicht auszuschließen“, weil die Geschworenen „folglich davon ausgehen hätten können, dass sie bei Bejahung derselben zwingend zu einem Freispruch […] gelangen hätten müssen“, nicht gerecht.
[7] Im Übrigen unterlässt die Rüge mit Blick auf den Umstand, dass die betreffenden Fragen jeweils auf das Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 3 erster Fall, Abs 4 zweiter Fall StGB gerichtet waren (US 5 ff) und lediglich in Bezug auf die (bereits zur Zusatzfrage 1./ dargestellten) Strafausschließungsgründe der Notwehrüberschreitung, Putativnotwehr und Putativnotwehrüberschreitung differierten, die deutlich und bestimmte Darlegung (RIS-Justiz RS0119549), weshalb in der zusammengefassten Erläuterung des betreffenden Tatbestands und im Verweis auf die Rechtsbelehrung zur Zusatzfrage 1./ (ON 85.1.1, 21 ff) eine Unrichtigkeit der den Geschworenen zuteil gewordenen juristischen Information gelegen sei (vgl RIS-Justiz RS0100746).
[8] Die Kritik an der Belehrungspassage, wonach Geschworene, „die die Zusatzfrage (gerichtet auf Notwehr [Punkt a./]) bejaht“ haben, „die Eventualfragen 4./ bis 6./ (ohne weitere Prüfung) jedenfalls zu verneinen“ haben (ON 85.1.1, 20), orientiert sich prozessordnungswidrig nicht an der Gesamtheit der Rechtsbelehrung (RIS-Justiz RS0100695 [T7]), in welcher in diesem Zusammenhang auch erläutert wurde, dass die Zusatzfrage 1./ vom einzelnen Geschworenen bei Bejahung auch nur von einem der Unterpunkte a./ bis d./ insgesamt zu bejahen ist (ON 85.1.1, 20; vgl RIS-Justiz RS0102740). Worin eine Unrichtigkeit des Hinweises, dass bei Annahme von Notwehr die Eventualfragen 4./ bis 6./ zu verneinen sind, gelegen sein soll, wird nicht klar (vgl neuerlich RIS-Justiz RS0119549).
[9] Die weitere Instruktionsrüge richtet sich gegen das im Rahmen der Erklärung des bedingten Vorsatzes angeführte Erfordernis, „dass der Täter positiv gewillt ist, den Erfolg hinzunehmen“ (ON 85.1.1, 10). Abgesehen davon, dass diese Formulierung dem Beschwerdestandpunkt zuwider ein (für bedingten Vorsatz nicht erforderliches) Billigen des Erfolgs (vgl RIS-Justiz RS0106646) nicht zum Ausdruck bringt, fehlt es diesem Vorbringen bereits an der notwendigen Beschwer (vgl 12 Os 82/22h Rz 8).
[10] Der Einwand, durch den in die Rechtsbelehrung aufgenommenen beispielhaften Hinweis auf das – anklagegegenständliche – Verbrechen des Mordes sei es zu einer Einflussnahme auf die Beweiswürdigung der Geschworenen gekommen, ist unter dem Aspekt des § 345 Abs 1 Z 8 StPO unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0116640).
[11] Entgegen der Sanktionsrüge (Z 13 zweiter Fall) verstößt die erschwerende Wertung der einschlägigen Vorverurteilungen (US 9) bei gleichzeitiger Anführung des § 39 Abs 1a StGB (US 8) nicht gegen das Doppelverwertungsverbot. Denn das in § 32 Abs 2 erster Satz StGB enthaltene Gebot, Erschwerungs- und Milderungsgründe nur soweit bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen, als sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, bezieht sich nur auf subsumtionsrelevante Umstände (RIS-Justiz RS0130193), während § 39 StGB eine reine, den Strafsatz nicht bestimmende Strafrahmenvorschrift darstellt (RIS‑Justiz RS0133690; vgl auch RIS-Justiz RS0091527).
[12] Das Erstgericht ging von einem Strafrahmen von zehn bis zu zwanzig Jahren oder lebenslanger Freiheitsstrafe aus (US 9). Weshalb es trotz dieser durch § 39 StGB nicht mehr erweiterbaren Strafbefugnis an Feststellungen zu den Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall bedurft hätte (Z 13 erster Fall; vgl RIS-Justiz RS0134000), wird von der Sanktionsrüge nicht dargelegt.
[13] Soweit sich die Sanktionsrüge (nominell Z 13 dritter Fall) gegen den Widerruf bedingter Strafnachsichten richtet, verkennt sie, dass Aussprüche, die in Beschlussform ergehen, selbst wenn sie gemeinsam mit dem Urteil zu verkünden und auszufertigen sind, der Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde von vornherein entzogen sind (RIS‑Justiz RS0120887).
[14] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 344, 285i, 498 Abs 3 StPO).
[15] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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