European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00135.16S.0118.000
Spruch:
Vom Widerruf der mit den Urteilen des Bezirksgerichts Mödling vom 19. April 2010, AZ 22 U 7/10s, und des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. März 2011, AZ 162 Hv 135/10a, gewährten bedingten Strafnachsichten sowie der mit Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 28. März 2012, AZ 21 Bs 119/12x, gewährten bedingten Entlassung wird abgesehen. Im letzten Fall wird die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.
Gründe:
Mit Abwesenheitsurteil des Einzelrichters des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 24. Oktober 2014, GZ 125 Hv 118/14k‑22, wurde David W***** des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB schuldig erkannt und hiefür nach §§ 31 Abs 1, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 25. Februar 2014, AZ 19 U 390/13v, nach § 126 Abs 1 erster Strafsatz StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat verurteilt.
Danach hat er am 23. Dezember 2013 in Wien eine dem öffentlichen Verkehr dienende Einrichtung beschädigt, indem er in einem Linienbus der H***** GmbH „eine Kunststoffabdeckung und die Polsterung von vier Sitzen herunterriss, wodurch ein Schaden in der Höhe von 2.834,68 Euro entstand“.
Weiters wurde er gemäß § 369 StPO zur Bezahlung dieses Schadens an die Privatbeteiligte verpflichtet.
Gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO wurde vom Widerruf der mit Urteilen des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 16. März 2009, AZ 31 U 108/08x, des Bezirksgerichts Mödling vom 19. April 2010, AZ 22 U 7/10s, des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. März 2011, AZ 162 Hv 135/10a, gewährten bedingten Strafnachsichten sowie der mit Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 28. März 2012, AZ 21 Bs 119/12x (AZ 183 BE 256/11b des Landesgerichts für Strafsachen Wien) gewährten bedingten Entlassung abgesehen und gemäß § 494a Abs 6 StPO die Probezeit zur bedingten Entlassung auf fünf Jahre verlängert.
Nach den erstgerichtlichen Feststellungen fügte David W***** am 23. Dezember 2013 der Innenausstattung des Busses die im Spruch angeführten Beschädigungen zu (US 5). Der Bus war danach für die Verwendung im öffentlichen Verkehr vorübergehend nicht geeignet und musste aus dem Fahrdienst genommen werden. Zur subjektiven Tatseite konstatierte der Erstrichter, „er wollte völlig bewusst durch sein Verhalten fremde Sachen beschädigen“ (US 6), sowie „er wollte den gesetzlichen Tatbestand (Beschädigung eines öffentlichen Verkehrsmittels) in Kenntnis der wesentlichen Tatbestandselemente verwirklichen“ (US 7).
Die vom Angeklagten nach Zustellung des Urteils am 5. November 2014 (telefonisch) am 11. November 2014 angemeldete Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe (ON 1 S 5) wies das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 23. Jänner 2015 als unzulässig zurück (ON 30). Der Berufung der Staatsanwaltschaft wegen des Ausspruchs über die Strafe (ON 25) gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 18. Februar 2015, AZ 19 Bs 366/14h (ON 33), dahin Folge, dass die verhängte Zusatzstrafe auf drei Monate erhöht wurde. Der gleichzeitig erhobenen Beschwerde der Staatsanwaltschaft gab es teilweise Folge und sprach aus, dass gemäß § 53 Abs 1 StGB iVm § 494 Abs 1 Z 4 StPO die mit Urteilen des Bezirksgerichts Mödling vom 19. April 2010, AZ 22 U 7/10s, und des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. März 2011, AZ 162 Hv 135/10a, gewährten bedingten Strafnachsichten widerrufen werden. Im Übrigen wurde der Beschwerde nicht Folge gegeben.
Mit Beschluss vom 23. März 2015 (ON 37) wies der Einzelrichter des Landesgerichts den Antrag des Verurteilten David W***** auf Gewährung eines Strafaufschubes gemäß § 6 Abs 1 StVG (ON 35) ab. Über die dagegen erhobene Beschwerde des Verurteilten (ON 39) hat das Oberlandesgericht Wien noch nicht entschieden.
Rechtliche Beurteilung
Das genannte Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien verletzt – wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ausführt – in der rechtlichen Unterstellung der Tat unter die Qualifikation des § 126 Abs 1 Z 5 StGB idF vor BGBl I 2015/112 das Gesetz:
Die Deliktsqualifikation des § 126 Abs 1 Z 5 StGB aF setzt voraus, dass die Beschädigung der betroffenen Einrichtung ein für die Betriebssicherheit bedeutsames Ausmaß erreicht, das heißt jedenfalls geeignet ist, die Betriebssicherheit als solche zumindest abstrakt zu beeinträchtigen und eine abstrakte Gefährdung des besonderen Zwecks hervorzurufen (RIS‑Justiz RS0093455, RS0093498).
Nach den Feststellungen war „der Bus aufgrund der Beschädigungen für die Durchführung des öffentlichen Verkehrs vorübergehend nicht geeignet“, bzw die „Weiterführung des Publikumsbetriebs“ nicht möglich (US 6), womit aber weder die Verlässlichkeit noch die Sicherheit der Funktion des Autobusses (im Sinn einer Feststellung der Betriebssicherheit) angesprochen wird.
Ebensowenig enthält das erstgerichtliche Urteil eine Konstatierung, wonach sich der Vorsatz des Verurteilten auf die dargestellte abstrakte Eignung, die Betriebssicherheit des Verkehrsmittels zu beeinträchtigen, bezogen hätte (vgl 12 Os 79/09y; RIS‑Justiz RS0089080).
Die Subsumtion unter die Qualifikationsnorm des § 126 Abs 1 Z 5 StGB (idF vor BGBl I 2015/112) ist daher rechtsirrig erfolgt.
Der Oberste Gerichtshof sah sich, weil der aufgezeigte Rechtsfehler dem Verurteilten zum Nachteil gereicht, dazu veranlasst, die Feststellung der Gesetzesverletzung mit konkreter Wirkung zu verbinden.
Die Deliktsqualifikation tragende Konstatierungen sind nach dem Akteninhalt bei bloßer Beschädigung der Sitzpolsterung und einer Plastikabdeckung auch nicht zu erwarten (ON 2 S 21–23), ist den Lichtbildern doch bloß eine optische Verunstaltung der Decke (Bild Nr 1./) sowie die Entfernung der Polsterauflage von den – im Übrigen unversehrt gebliebenen – Sitzen (Bild Nr 2./ und 4./) zu entnehmen. Daher war aus prozessökonomischen Gründen von einer Verweisung an das Landesgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung abzusehen und sogleich in der Sache selbst zu erkennen (RIS‑Justiz RS0118545, RS0100233).
Bei der damit erforderlichen Neubemessung der Strafe waren die einschlägige Vorstrafenbelastung sowie das Zusammentreffen strafbarer Handlungen (unter Berücksichtigung des Urteils des Bezirksgerichts Klagenfurt, auf das Bedacht zu nehmen war) erschwerend, mildernd hingegen das reumütige Geständnis.
Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen und unter Bedachtnahme (§§ 31, 40 StGB) auf die wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB verhängte dreimonatige Freiheitsstrafe entspricht die nunmehr ausgesprochene Freiheitsstrafe der Täterschuld und dem Unrechtsgehalt der Tat.
Mit Blick auf die einschlägigen Vorstrafen kam aus spezialpräventiven Gründen eine bedingte Strafnachsicht nach § 43 Abs 1 StGB nicht in Betracht.
Es bedurfte jedoch nicht des Widerrufs der im Spruch genannten bedingten Strafnachsichten und der bedingten Entlassung. Betreffend das Verfahren des Bezirksgerichts Mödling bleibt anzumerken, dass der Beschluss des genannten Gerichts vom 21. Dezember 2015 auf endgültige Strafnachsicht zufolge des zuvor vom Oberlandesgericht Wien gefassten Widerrufsbeschlusses keine Rechtswirksamkeit entfalten konnte (RIS‑Justiz RS0100454).
Die noch offene Probezeit hinsichtlich der am 28. März 2012 gewährten bedingten Entlassung war auf fünf Jahre zu verlängern.
Vom aufgehobenen Urteil rechtslogisch abhängige Entscheidungen und Verfügungen gelten gleichermaßen als beseitigt (RIS‑Justiz RS0100444).
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