Spruch:
Yaw B***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Mit - nicht rechtskräftigem - Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 7. Mai 2010, AZ 17 Hv 12/10k, das auch Schuldsprüche weiterer Angeklagter enthält, wurde Yaw B***** des Verbrechens des Suchtgifthandels als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Monaten verurteilt.
Nach dem Schuldspruch (der entgegen § 271 Abs 1 Z 7 StPO dem Hauptverhandlungsprotokoll nicht zu entnehmen ist [ON 223]) hat Yaw B***** am 25. September 2009 in Graz und an anderen Orten den bestehenden Vorschriften zuwider zur Ein- und Ausfuhr von Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich von rund 14.490 Gramm Cannabiskraut (695 Gramm Reinsubstanz) beigetragen, indem er über Auftrag des Daniel S***** das verwendete Fahrzeug anmietete und gemeinsam mit diesem die Schmuggelfahrt des Piotr W***** zur Absicherung begleitete.
Der Angeklagte Yaw B***** meldete gegen das Urteil fristgerecht Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an (ON 227).
Das Oberlandesgericht Linz gab der gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 8. August 2010 erhobenen Beschwerde des Angeklagten (ON 251 S 2 f) mit Beschluss vom 19. August 2010 (ON 260) nicht Folge und setzte die am 29. September 2009 verhängte Untersuchungshaft (nur mehr) aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 1 StPO fort. Unter einem bestimmte es die Substituierbarkeit der Haft gegen Leistung einer Sicherheit von 10.000 Euro.
Mit Blick auf das Nichtvorliegen der Ausfertigung des Urteils vom 7. Mai 2010 zum Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts stellte es überdies eine Verletzung des Beschleunigungsgebots (§§ 9 Abs 2, 177 Abs 1 StPO) fest.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung gerichteten fristgerechten Grundrechtsbeschwerde, die sich gegen die Annahme des Haftgrundes und ergänzend gegen die Höhe der Kaution richtet, kommt keine Berechtigung zu.
Vorweg ist festzuhalten, dass die Dringlichkeit des Tatverdachts ab Fällung des Urteils in erster Instanz im Grundrechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr zu prüfen ist (RIS-Justiz RS0108486) und dass das Oberlandesgericht die Verletzung des Beschleunigungsgebots explizit feststellte sowie mit dem konkreten Auftrag an das Landesgericht für Strafsachen Graz verband, die Ausfertigung des Urteils „nunmehr umgehend“ vorzunehmen (ON 260 S 13).
Die rechtliche Annahme einer der von § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren wird vom Obersten Gerichtshof im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens dahin überprüft, ob die Prognoseentscheidung des Oberlandesgerichts aus den in dessen Beschluss angeführten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich bzw unvertretbar angesehen werden müsste (RIS-Justiz RS0117806).
Dem Begründungserfordernis wird die angefochtene Entscheidung gerecht, indem sie die Fluchtgefahr des in Deutschland nach Abschiebung und erneuter illegaler Einreise im Jahr 2002 um Asyl werbenden Staatsangehörigen Ghanas aus verschränkter Betrachtung der mangelnden Integration in Österreich sowie aus dem Zusammenwirken mit einem Mitglied eines internationalen Drogenrings durch länderüberschreitende Begleitung einer Schmuggelfahrt und aus den vorhandenen Kontakten des Angeklagten ins Ausland ableitete (ON 260 S 7 und 9).
Dem setzt die Beschwerde durch bloßes Bestreiten des Fluchtanreizes und durch die - im Übrigen trotz umfangreichen Aktenmaterials ohne Aktenbezug aufgestellte (RIS-Justiz RS0124172) - Behauptung eines legalen Aufenthalts und eines intakten Familienlebens in Deutschland sowie durch Bezugnahme auf den zu vollstreckenden Strafrest von „nur“ zehn Monaten keine substantiellen Argumente entgegen und zeigt daher auch keine Willkür der bekämpften Prognoseentscheidung auf.
Die Höhe einer Kaution (vgl 11 Os 22/94, 13 Os 130/01) ist unter dem Aspekt des Grundrechtsschutzes nur insoweit relevant, als sie nicht unverhältnismäßig („disproportionate“) in Relation sowohl zu den persönlichen Verhältnissen einschließlich der finanziellen Lage des Angeklagten (Beschuldigten) als auch zum Gewicht der Straftat(en) und ihren Folgen, im Fall einer Sicherheitsleistung vor dem Urteil erster Instanz auch zu der zu erwartenden Strafe sein darf, mit anderen Worten ihre Festsetzung nicht willkürlich erfolgt ist (jüngst EGMR, 28. September 2010, Mangouras gegen Spanien, Nr 12050/04; EGMR, 27. Juni 1968, Neumeister gegen Österreich, Nr 1936/63). Die Beschwerdeargumentation geht aber auch diesbezüglich ins Leere, weil sie allein auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten Bezug nimmt, ohne - wie es das Oberlandesgericht tat - auf das Gewicht der Straftat Bedacht zu nehmen, sodass auch diesbezüglich keine Unverhältnismäßigkeit der Höhe der Sicherheitsleistung oder Willkür des Oberlandesgerichts aufgezeigt werden kann.
Weil somit in der angefochtenen Entscheidung eine Grundrechtsverletzung nicht zu erblicken ist, war die Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.
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