OGH 15Os120/23w

OGH15Os120/23w14.12.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Sekljic in der Strafsache gegen * K* wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Geschworenengericht vom 25. Mai 2023, GZ 40 Hv 18/23f‑76, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00120.23W.1214.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden der Wahrspruch der Geschworenen und das darauf beruhende Urteil ebenso wie der Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Salzburg als Geschworenengericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte darauf verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * K* des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB (I./) und des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 3. November 2022 in S* * S* durch Versetzen einer ruckartigen Stichbewegung mit dem Stiel eines zuvor zerbrochenen Weinglases gegen den Hals

I./ vorsätzlich zu töten versucht;

II./ mit Gewalt zu einer Unterlassung, nämlich des Führens eines Telefongesprächs mit der Polizei, genötigt.

[3] Die Geschworenen hatten – soweit hier von Bedeutung – die anklagekonformen (vgl die in der Hauptverhandlung erfolgte „Ausdehnung“ der Anklage in Richtung eines Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB ON 75, 2) Hauptfragen 1 und 2 bejaht.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die dagegen vom Angeklagten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach § 345 Abs 1 Z 6, 8, 9, 10a und 12 StPO ist berechtigt.

[5] Die Rechtsrüge (Z 12 des § 345 Abs 1 StPO) wendet ein, dass das Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und das Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB nicht nebeneinander bestehen könnten, weil es sich um dieselbe Tathandlung handle. Es sei rechtsirrig Idealkonkurrenz anstatt Exklusivität angenommen worden.

[6] Diesem Einwand kommt Berechtigung zu. Die Geschworenen gingen davon aus, dass der Angeklagte mit Tötungsvorsatz einen Stich gegen die Halsregion des Opfers führte, um es gleichzeitig dadurch an der Verständigung der Polizei zu hindern. Da aber Nötigung grundsätzlich eine Willensbeugung und nicht eine Willensausschaltung darstellt (vgl RIS-Justiz RS0093747 und RS0093528; zu hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen RIS-Justiz RS0106653; Fabrizy/Michel‑Kwapinski/Oshidari, StGB14 § 105 Rz 2), besteht im Gegenstand zwischen (versuchtem) Mord und Nötigung Exklusivität (vgl RIS‑Justiz RS0109473; Ratz in WK² StGB Vor §§ 28 bis 31 Rz 5).

[7] Die in der Literatur (Leukauf/Steininger/Nimmervoll StGB4 § 75 Rz 31) vertretene Auffassung, wonach Idealkonkurrenz vorliege, wenn der Täter mit Tötungsvorsatz handle und das andere Delikt nicht gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet sei, bezieht sich unter Hinweis aus RIS‑Justiz RS0090715 auf (hier nicht vorliegende) Sachverhalte, die real konkurrieren.

[8] Solcherart schließen sich die beiden im Wahrspruch der Geschworenen und im Urteil angenommenen Taten in dieser Form – von der (ausgedehnten) Anklageschrift und von der dieser folgenden Fragestellung vorgegeben – logisch aus.

[9] Daraus folgt – im Ergebnis in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Aufhebung des Wahrspruchs und des gesamten Urteils wie im Spruch ersichtlich gemäß §§ 285e, 344 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung. Davon umfasst ist auch die Kassation des Adhäsionserkenntnisses (zur Verweisung des Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg vgl RIS-Justiz RS0101303) sowie des gemeinsam mit dem Urteil verkündeten Beschlusses auf Absehen vom Widerruf der jeweils des Landesgerichts Salzburg zu AZ 41 Hv 129/15z gewährten bedingten Nachsicht und zu AZ 48 BE 90/20v gewährten bedingten Entlassung (vgl RIS-Justiz RS0100194 [T15, T18 und T23] zum im weiteren Verfahren zu beachtenden Verschlechterungsverbot).

[10] Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Kassation zu verweisen.

[11] Wegen Aufhebung des gesamten Urteils hatte ein Kostenausspruch nach § 390a StPO zu unterbleiben (RIS‑Justiz RS0101342 [T4, T5]; Lendl, WK-StPO § 390a Rz 7).

[12] Im zweiten Rechtsgang wird zunächst zu klären sein, ob und in welcher zeitlichen Abfolge des Gesamtgeschehens der Angeklagte eine Gewalthandlung gesetzt hat und ob diese eine Willensbeugung oder Willensausschaltung bewirken sollte. Je nachdem wird sodann allenfalls das Frageschema zu adaptieren sein (zum Vorgehen bei fehlerhafter Annahme echter Idealkonkurrenz durch die Staatsanwaltschaft und allfälligen sonstigen Rechtsfehlern in der Anklage RIS-Justiz RS0100524 [T7]; Lässig, WK-StPO § 312 Rz 16; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 47 ff). In der schriftlichen Rechtsbelehrung werden die Geschworenen über die zitierte Abgrenzung zwischen Willensbeugung und Willensausschaltung, sowie darüber zu instruieren sein, dass die Abgabe eines gezielten Stichs mit Tötungsvorsatz dessen gleichzeitige Beurteilung als Gewalthandlung zur Verwirklichung des Vergehens der Nötigung ausschließt und Letztere nur dann angenommen werden könnte, wenn es sich um einen solchen Stich handelte, der nur zur Willensbeugung diente, was aber diesfalls der gleichzeitigen Annahme eines Tötungsvorsatzes widersprechen würde.

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