European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0150OS00115.15Y.1111.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden
(zu A./) Gerhard B***** als Vorstandvorsitzender und Erich B***** als Vorsitzender des Aufsichtsrats der E***** AG sowie damit verknüpfter Unternehmen vom Vorwurf,
sie hätten im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter gewerbsmäßig mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, in wiederholten Angriffen zwischen 2000 und 2004 insgesamt 238 im Spruch genannte (sowie weitere) Personen durch Täuschung über Tatsachen, und zwar durch die in umfangreichen Massenaussendungen im Rahmen von „Gewinnspielen“ an Adressaten in Österreich, Deutschland, der Schweiz, Frankreich, Holland, Belgien und England enthaltenen falschen Ankündigungen, bereits sicherer Gewinner hoher Geldsummen zu sein („Jackpot‑Call“), obwohl die übermittelten Teilnahmebedingungen nicht eingehalten wurden und tatsächlich keine Gewinne erzielt werden konnten, zur Benützung von (zugunsten der genannten Unternehmen geschalteter) Mehrwerttelefonnummern verleitet bzw zu verleiten versucht, wodurch sie bei jedem Gewinnspiel einen 3.000 Euro übersteigenden, insgesamt jedenfalls 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführten bzw herbeizuführen versuchten, und
(zu B./) Hubert Ei***** vom Vorwurf, er habe zwischen 2000 und Ende 2003/Anfang 2004 gewerbsmäßig wiederholt zu den unter A./ geschilderten Tathandlungen beigetragen, indem er in Kenntnis des Tatplans den Unternehmen von Gerhard B***** und Erich B***** die Verwendung seines Lichtbilds und seines Namens gegen Entgelt gestattete, wobei er in den an die Teilnehmer der „Gewinnspiele“ versandten Schreiben als „Ehrenwerter Gewinnjuror“ bezeichnet wurde, der den angesprochenen Teilnehmern versicherte, für die Auszahlung der ihnen bereits zugefallenen Gewinne zu sorgen, und er sie aufforderte, über Mehrwerttelefonnummern in Kontakt mit den Unternehmen zu treten, um ihre vorgeblichen Gewinne abzurufen, wobei er einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden zu verantworten habe,
gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Freisprüche aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft verfehlt ihr Ziel.
In der Hauptverhandlung am 3. November 2014 stellte die Staatsanwaltschaft ‑ soweit hier von Bedeutung ‑ nachstehende Anträge:
1./ Bestellung des Sachverständigen Andreas W***** zur Auswertung sichergestellter Bänder (siehe Beilage ./9 zu ON 1360) „zum Beweis dafür, wie die einzelnen tatsächlich ausgesendete[n] Jackpotspiele aussahen in ihrer Gestaltung, dass sie nämlich sehr wohl verwirrend gestaltet waren, er soll es ausdrucken und auswerten, an wie viele es gegangen ist“, sowie um „auszuforschen, auszulesen aus den sichergestellten Bändern, die Auflagenstärke der einzelnen Kampagnen, also an wie viele Personen ausgesendet wurde zum Beweis dafür, dass sich anhand der Werbestatistiken aufgrund welcher die Rücklaufquoten, also die Wahrscheinlichkeit der Rückantwortsdichte sich ergibt, dass von vornherein bei Aussendung der Kampagnen den Angeklagten bewusst und von diesen gewollt war, dass die einzelnen Gewinnanteile die ausgelost waren, unter 5 Euro fallen sollten, was im Gegensatz zu den Spielbedingungen zu lesen steht“ (ON 1360 S 3 f), und
2./ Ausforschung, Ladung und Vernehmung des Zeugen Stefan Wo***** (bzw „eines informierten Vertreters der Firma L*****“) „zur Modalität der Abrechnungen der für die Jackpotspiele geschalteten Mehrwertnummern zum Beweis der Schadenssumme, dass diese tatsächlich über 50.000 Euro gelegen war“ (ON 1360 S 3).
Weiters brachte die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft vor, dass der „bereits in der Anklage“ gestellte Antrag auf „Ladung und Vernehmung der dort weiters aufscheinenden Zeugen selbstverständlich aufrecht erhalten bleibt“ (ON 1360 S 13), und führte in der fortgesetzten Hauptverhandlung am 24. November 2014 ‑ auf die Frage der Vorsitzenden nach dem Beweisthema ‑ ergänzend aus: „Dass sie getäuscht wurden“ (ON 1376 S 3).
Durch Abweisung dieser Anträge in der Hauptverhandlung am 24. November 2014 (ON 1376 S 3 f) wurden Strafverfolgungsrechte der Staatsanwaltschaft nicht geschmälert.
Eine gegen die Missachtung von Beweisanträgen gerichtete Verfahrensrüge kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie sich auf einen in der Hauptverhandlung gestellten entsprechenden Antrag bezieht, dem neben Beweismittel und Beweisthema zu entnehmen sein muss, warum die beantragte Beweisaufnahme das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erwarten lasse und inwieweit dieses für die Schuld‑ und Subsumtionsfrage von Bedeutung ist, soweit dies nicht offensichtlich ist (§ 55 Abs 1 und Abs 2 StPO). Dabei muss die Begründung, warum das angestrebte Beweisergebnis zu erwarten sei, umso eingehender sein, je fraglicher die Brauchbarkeit des geforderten Verfahrensschritts im Licht der übrigen Beweisergebnisse ist (RIS‑Justiz RS0118444 [insbesondere T9]; Schmoller, WK‑StPO § 55 Rz 90; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 330 ff).
Davon ausgehend lassen weder der in der Hauptverhandlung gestellte Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens (vgl die auch im Urteil verwertete Expertise des Sachverständigen Dr. H*****; va US 23 und 27) noch die ‑ zunächst gänzlich unsubstantiierte (vgl RIS‑Justiz RS0099099 [insbesondere 14 Os 71/12s]) und in der Folge nur hinsichtlich des Beweisthemas präzisierte (ON 1376 S 3) ‑ Erklärung, in der Anklageschrift gestellte Anträge „aufrecht“ zu „erhalten“ (ON 1360 S 13), erkennen, weshalb die begehrten Beweisaufnahmen geeignet sein sollten, die von den Tatrichtern mit umfangreichen Erwägungen (US 28 ff) ‑ auch und insbesondere mit der „rechtlichen Prüfung der Aussendungen auf eine allfällige Täuschungseignung durch eine spezialisierte Anwaltskanzlei“ (US 30) ‑ begründeten Annahmen entkräften zu können, dass den Angeklagten Gerhard und Erich B***** (im Zweifel) kein auf Täuschung gerichteter Vorsatz nachzuweisen sei (US 21 und 30) und der Angeklagte Ei***** „über die Teilnahmebedingungen […] des hier angeklagten Jackpot‑Gewinnspiels nicht detailliert informiert gewesen wäre“ (US 31).
Der bloß zum Nachweis eines die Wertgrenze von 50.000 Euro (§ 147 Abs 3 StGB) übersteigenden Schadens gestellte Beweisantrag zielt schon mangels Schuldnachweises (US 21 und 28 ff) auf keine entscheidende Tatsache ab. Im Übrigen wurden ‑ mit dem Gutachten des Sachverständigen Dr. H***** begründete (US 27) ‑ „Einnahmen aus den Mehrwertnummern“ in der Höhe von „jedenfalls über 50.000 Euro“ ohnehin als erwiesen angenommen (US 15; ON 1376 S 3; § 55 Abs 2 Z 3 StPO; vgl RIS‑Justiz RS0099135).
Die erst im Rechtsmittel vorgebrachten Ergänzungen zu den Beweisanträgen haben außer Betracht zu bleiben, weil sich die Prüfung der Berechtigung einer Verfahrensrüge stets am erstinstanzlichen Zwischenerkenntnis auf Basis der in der Hauptverhandlung gestellten Anträge und der Verfahrensergebnisse zu jenem Zeitpunkt zu orientieren hat (RIS‑Justiz RS0099618).
Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die Beschwerden des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) und der Mag. Birgit Be***** jeweils gegen die in der Hauptverhandlung am 24. November 2014 (ON 1376 S 6) erfolgte Zurückweisung ihres Privatbeteiligtenanschlusses (ON 1385 und 1386) infolge Zurückziehung (jeweils ON 1415) ihrer angemeldeten Nichtigkeitsbeschwerden (ON 1381 und 1382) gegenstandslos geworden sind (RIS‑Justiz RS0124921 [T4], RS0126603).
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