European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0150OS00115.14X.1007.000
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe:
Mit Schriftsatz vom 29. November 2012 (ON 2) beantragte der Antragsteller Timothy W***** wegen in der Printausgabe der Tageszeitung „H*****“ vom 30. Mai 2012 sowie in der Online‑Ausgabe derselben vom 29. Mai 2012 veröffentlichter Artikel zu einem Vorfall von der Nacht auf Pfingstmontag im „Bermuda-Dreieck“ die Zuerkennung einer Entschädigung nach §§ 7a und 7b MedienG sowie die Anordnung der Urteilsveröffentlichung nach § 8a Abs 6 MedienG.
Das Landesgericht für Strafsachen Wien wies diese Anträge mit Beschluss vom 17. Dezember 2012 (ON 5) gemäß § 41 Abs 5 MedienG iVm § 485 Abs 1 Z 3 StPO aus dem Grunde des § 212 Z 1 StPO unter Ausspruch der Kostenersatzpflicht des Antragstellers gemäß § 390 (Abs 1) StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG zurück. Der dagegen erhobenen Beschwerde des Antragstellers gab das Oberlandesgericht Wien als Beschwerdegericht mit Beschluss vom 21. Jänner 2013 (ON 9) dahin Folge, dass der angefochtene Beschluss hinsichtlich der Veröffentlichung in der Printausgabe vom 30. Mai 2012 aufgehoben und dem Erstgericht in diesem Umfang die Einleitung des Verfahrens aufgetragen wurde. Gemäß § 390a Abs 1 StPO iVm § 8a Abs 1 MedienG sprach das Beschwerdegericht aus, dass der Antragsteller auch die auf den eingestellten Teil des Verfahrens entfallenden Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen hat.
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 27. Februar 2013 (ON 14) wurde die Antragsgegnerin (unter Ausspruch ihrer Kostenersatzpflicht gemäß § 389 Abs 1 StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG) wegen Verletzung des Schutzes der Unschuldsvermutung durch die Veröffentlichung vom 30. Mai 2012 (Printausgabe) nach § 7b Abs 1 MedienG zur Zahlung einer Entschädigung von 2.500 Euro an den Antragsteller sowie gemäß § 8a Abs 6 MedienG zur Urteilsveröffentlichung verurteilt.
Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht gab ‑ soweit hier von Interesse ‑ der dagegen erhobenen Berufung des Antragstellers wegen des Ausspruchs über die Schuld mit Urteil vom 5. Dezember 2013 (ON 24) Folge und änderte das angefochtene Urteil (unter Ausspruch der Kostenersatzpflicht der Antragsgegnerin gemäß § 390a Abs 1 StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG) dahin ab, dass durch die in Rede stehende Veröffentlichung vom 30. Mai 2012 in Betreff des Antragstellers auch der Schutz vor Bekanntgabe der Identität in besonderen Fällen nach § 7a Abs 1 MedienG verletzt wurde und die Antragsgegnerin nach §§ 7a Abs 1 und 7b Abs 1 MedienG eine Entschädigung von 3.000 Euro an den Antragsteller zu bezahlen hat.
Mit Beschluss vom 23. Februar 2014 (ON 28) bestimmte das Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß § 395 Abs 1 StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG die Kosten des Antragstellers, wobei es ‑ hier von Interesse ‑ für den selbständigen Antrag nach § 8 MedienG (ON 2) den Tarifansatz nach TP4/I/2 RATG im Betrag von 228,80 Euro (samt 60 % Einheitssatz [137,28 Euro] und 20 % USt [73,22 Euro] insgesamt 439,30 Euro) ungeteilt in Anschlag brachte.
In der dagegen erhobenen Beschwerde (ON 29) brachte die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang vor, dass ihr gemäß § 389 Abs 2 StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG nur die Hälfte der vom Erstgericht bestimmten Kosten des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes (ON 2) auferlegt werden dürften, weil das Entschädigungsverfahren „in Bezug auf eines von zwei Fakten“ mit (durch den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 21. Jänner 2013 rechtskräftigem) Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 17. Dezember 2012 eingestellt und der Antragsteller insoweit bereits zum Ersatz der Kosten des Verfahrens verpflichtet worden war.
Das Oberlandesgericht Wien als Beschwerdegericht gab der Beschwerde mit Beschluss vom 9. April 2014, AZ 18 Bs 107/14p, in Betreff des zuvor genannten Anfechtungspunkts nicht Folge und führte dazu aus, dass die Höhe der Kosten für den verfahrenseinleitenden Schriftsatz unabhängig von der Anzahl der darin geltend gemachten Lebenssachverhalte sei, sodass sich genau diese ‑ durch eine notwendige Vertretungshandlung bedingten - Kosten letztlich auch auf die erfolgte Verurteilung bezögen.
Gegen die Beschlüsse des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. Februar 2014 und des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 9. April 2014 richtet sich der auf die Behauptung einer Verletzung im Grundrecht auf Schutz des Eigentums nach Art 1 des 1. ZPMRK gestützte Antrag der Antragsgegnerin A***** GesmbH auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a StPO per analogiam (RIS‑Justiz RS0122228) iVm § 41 Abs 1 MedienG. Unter Wiederholung ihres Beschwerdestandpunkts macht sie geltend, dass ihr nur die Hälfte der vom Landesgericht für Strafsachen Wien bestimmten Kosten des selbständigen Antrags nach § 8 MedienG (mithin im Betrag von 219,65 Euro) aufzuerlegen gewesen wäre.
Rechtliche Beurteilung
Der Erneuerungsantrag ist aus folgenden Erwägungen unzulässig (siehe bereits 15 Os 154/14g, 15 Os 81/15y, 15 Os 82/15w):
Bei einem nicht auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestützten Erneuerungsantrag (§ 363a StPO per analogiam) handelt es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf. Demgemäß gelten alle gegenüber dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen (Art 34 und 35 MRK) sinngemäß auch für derartige Anträge (RIS‑Justiz RS0122737; RS0128394).
Nach der (dem Grundsatz „de minimis non curat praetor“ folgenden) Bestimmung des Art 35 Abs 3 lit b MRK (vgl dazu Grabenwarter/Pabel, EMRK5 § 13 Rz 53 ff; Meyer‑Ladewig, EMRK3 Art 35 Rz 53 ff) erklärt der Gerichtshof eine (nach Art 34 erhobene) Individualbeschwerde für unzulässig, wenn er der Ansicht ist, dass dem Beschwerdeführer kein erheblicher Nachteil entstanden ist, es sei denn, die Achtung der Menschenrechte, wie sie in dieser Konvention und den Protokollen dazu anerkannt sind, erfordert eine Prüfung der Begründetheit der Beschwerde, und vorausgesetzt, es wird aus diesem Grund nicht eine Rechtssache zurückgewiesen, die noch von keinem innerstaatlichen Gericht gebührend geprüft worden ist.
Die Anwendung des Unzulässigkeitstatbestands nach Art 35 Abs 3 lit b MRK hat somit drei Voraussetzungen:
1./ Dem Beschwerdeführer darf kein erheblicher Nachteil erwachsen sein. Diesem Kriterium liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Behauptung einer Rechtsverletzung nur dann die Untersuchung durch einen internationalen Gerichtshof rechtfertigt, wenn sie ein Mindestmaß an Schwere aufweist (EGMR 1. 7. 2010, 25551/05, Korolev/Russland). Berücksichtigung findet jener Nachteil, den der Beschwerdeführer auf nationaler Ebene erlitten hat, wobei auch ‑ jedoch nicht ausschließlich ‑ die finanziellen Auswirkungen auf diesen einbezogen werden (vgl EGMR 19. 1. 2010, 22051/07, Bock/Deutschland). Die wirtschaftliche Lage des Beschwerdeführers ist daher bei der Beurteilung von Bedeutung (vgl RIS‑Justiz RS0128030 [T1 in Betreff der Konstatierung eines nicht erheblichen Nachteils durch Abweisung einer Berufung gegen ein Urteil, mit dem eine Schadenersatzklage des Beschwerdeführers, einer natürlichen Person, über 90 Euro abgewiesen worden war]; EGMR 19. 10. 2010, 18774/09, Rinck/Frankreich [betreffend eine Verkehrsstrafe von 150 Euro zuzüglich 22 Euro Kosten]; Meyer‑Ladewig, EMRK3 Art 35 Rz 55 f).
2./ Die Beschwerde kann auch ohne Vorliegen eines erheblichen Nachteils nur dann für unzulässig erklärt werden, wenn die Achtung der Menschenrechte der Konvention keine Überprüfung der Beschwerde in der Sache erfordert. Damit sollen Beschwerden, die zwar für den Betroffenen nur geringfügige Nachteile verursachen, gleichwohl aber eine schwerwiegende Frage der Anwendung oder Auslegung der Konvention oder wichtige Fragen des innerstaatlichen Rechts aufwerfen, einer Prüfung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zugeführt werden (Grabenwarter/Pabel, EMRK5 § 13 Rz 54). Nach dessen Rechtsprechung kann dies etwa dann der Fall sein, wenn Bedarf besteht, eine aus der Konvention erwachsende Verpflichtung eines Staats klar zu stellen, oder einen Vertragsstaat dazu zu bewegen, ein strukturelles Defizit zu lösen, das andere Personen betrifft, die sich in der gleichen Position wie der Beschwerdeführer befinden (RIS‑Justiz RS0128052).
3./ Art 35 Abs 3 lit b MRK verlangt schließlich, dass die Rechtssache bereits von einem innerstaatlichen Gericht gebührend geprüft wurde. Erforderlich ist, dass über die dem Rechtsschutzbegehren vor dem nationalen Gericht zugrunde liegende Rechtsfrage (vgl RIS‑Justiz RS0128237) entschieden worden ist (Meyer‑Ladewig, EMRK3 Art 35 Rz 58). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wird diesem Prüfungskriterium entsprochen, wenn der Beschwerdeführer die Möglichkeit hatte, seine Angelegenheit im Rahmen einer kontradiktorischen Debatte vor mindestens einer gerichtlichen Instanz vorzubringen (EGMR 1. 6. 2010, 36659/04, Ionescu/Rumänien).
Alle drei Elemente der Unzulässigkeit einer Individualbeschwerde im Sinn des Art 35 Abs 3 lit b MRK liegen für den gegenständlichen Erneuerungsantrag vor:
Der im Beschwerdeinteresse (219,65 Euro) gelegene behauptete finanzielle Nachteil für die ein Verlagsunternehmen betreibende Erneuerungswerberin ist nach Lage des Falls als nicht erheblich einzustufen. Zudem betrifft der geltend gemachte Anspruch nicht die dem Verfahren zugrunde liegende Medienrechtssache, sondern bloß die Frage der Kostentragung (als Folge der Entscheidung in der Hauptsache), mit der ein in seinem Aufgabenbereich auch im Strafverfahren auf wichtige Fälle konzentriertes Höchstgericht (vgl die vom Gesetzgeber in § 528 Abs 2 Z 3 ZPO normierte Beschränkung für das Zivilverfahren) ohne essentielle Notwendigkeit nicht zu befassen ist. Des Weiteren berührt die hier streitverfangene Rechtsfrage des Kostenrechts (vgl auch RIS‑Justiz RS0107487) weder die Anwendung oder Auslegung der Menschenrechtskonvention noch einen grundlegenden Bereich des gesetzlichen Eingriffstatbestands (Art 1 des 1. ZPMRK). Diese Rechtsfrage wurde schließlich unter Erörterung des Standpunkts der Erneuerungswerberin vom Oberlandesgericht Wien in zweiter Instanz geprüft.
Der somit unzulässige Erneuerungsantrag war daher gemäß § 363b Abs 2 Z 3 StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.
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