European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0150OS00011.18H.0314.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christian K***** mehrerer Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB, mehrerer Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 2 StGB (1.), mehrerer Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB sowie mehrerer Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 und Abs 2 vierter Fall StGB (2.) schuldig erkannt.
Danach hat er von Ende 2013 bis Dezember 2016 in Z***** und an anderen Orten Veronica G***** und Daniele S***** durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung der Ehre (US 6 ff) und (ab 1. Jänner 2016 – Inkrafttreten des StRÄG 2015, BGBl I 2015/112; US 13) des höchstpersönlichen Lebensbereichs, indem er ankündigte, andernfalls ihre Nacktbilder und Fotos von geschlechtlichen Handlungen und vergleichbaren kompromittierenden Darstellungen anderen zugänglich zu machen und zu veröffentlichen, zu nachstehenden Handlungen genötigt, und zwar
1. G***** zur Freischaltung auf WhatsApp, zur Übermittlung von Nacktbildern, dazu, sich eine Socke in den Mund zu stopfen, sich selbst zu beleidigen, ihre Unterwäsche zu zerschneiden, sich selbst „anzupinkeln“ und die Toilette abzulecken – dies teilweise vor laufender (Web‑)Kamera – sowie G***** und S***** zum Anfertigen von Lichtbildern und Videos der unter 1. und 2. genannten Handlungen und nachfolgender Übermittlung an ihn, soweit die Handlungen nicht vor laufender (Web‑)Kamera erfolgten, wobei er ab zumindest Beginn 2016 die G***** durch die gefährlichen Drohungen jeweils längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzte;
2. G***** zur Masturbation und zur analen Eigenpenetration mit einer Klobürste, G***** und S***** zum vaginalen Geschlechtsverkehr, S***** dazu, G***** heißes Wachs über die nackten Brüste zu gießen, ihr in den Mund zu urinieren, ihr ins Gesicht zu ejakulieren und ihre Brüste mit Klebeband abzukleben, mithin zur Vornahme von geschlechtlichen Handlungen – dies teilweise vor laufender (Web‑)Kamera –, wobei insbesondere durch die Eigenpenetration mit der Klobürste sowie dadurch, dass S***** gezwungen wurde, G***** in den Mund zu urinieren und ihr ins Gesicht zu ejakulieren, die Genannte in besonderer Weise erniedrigt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5, 8 und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.
Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) bezieht sich auf die zu 1. getroffene Feststellung, wonach der Angeklagte wusste, dass G***** ab zumindest Beginn des Jahres 2016 durch seine wöchentlichen gefährlichen Drohungen jeweils Qualen von längerer Dauer, jedenfalls jeweils für mehrere Tage bis zu Wochen, nämlich fortwährende Angstzustände und fortwährende Selbstmordgedanken sowie psychische Ausnahmezustände erlitt, er sie also dadurch längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzte (US 9). Sie bringt vor, die Tatrichter hätten die Verantwortung des Angeklagten unberücksichtigt gelassen, wonach die genannte Zeugin ihm gegenüber zwar einmal von Selbstmord gesprochen habe, er ihr damals jedoch erwidert hätte, dass „er das absolut nicht möchte“ (ON 13 S 6). Der Rechtsmittelwerber verkennt dabei, dass es kein Begründungsmangel ist, wenn das Gericht nicht den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen wie überhaupt aller Verfahrensergebnisse im Einzelnen erörtert und darauf untersucht, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen, und sich nicht mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde konkret erhobenen Einwand im Voraus auseinandersetzt. Es genügt vielmehr, wenn der Gerichtshof – wie hier – im Urteil in gedrängter Form die entscheidenden Tatsachen bezeichnet und logisch einwandfrei und zureichend begründet, warum er von der Richtigkeit dieser Annahme überzeugt ist, ohne dagegen sprechende wesentliche Umstände mit Stillschweigen zu übergehen (RIS‑Justiz RS0098377; vgl US 15 iVm US 11).
Unter § 281 Abs 1 Z 8 StPO behauptet die Nichtigkeitsbeschwerde mit Blick auf die Anklageschrift wegen mehrerer Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und mehrerer Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB einen Verstoß gegen § 262 StPO, macht aber nicht klar, weshalb die in der Hauptverhandlung erfolgte Erörterung durch die Vorsitzende, wonach ausgehend von den Angaben des Angeklagten betreffend G***** zu Punkt 1. der Anklageschrift die Qualifikation nach § 106 Abs 1 Z 2 StGB und betreffend 2. der Anklageschrift die Qualifikation nach § 202 Abs 2 „erster Satz“ StGB, also „die in besonderer Weise erfolgte Erniedrigung“ in Betracht käme (ON 13 S 7), der sich aus § 262 StPO ergebenden Informationspflicht nicht genügen sollte (vgl RIS‑Justiz RS0113755, RS0121419).
Die Subsumtionsrüge (Z 10) behauptet, dass eine Erniedrigung des Opfers in besonderer Weise im Sinn des § 202 Abs 2 StGB nicht vorliegen könne, wenn die Handlung nicht vom unmittelbaren Täter, sondern vom Opfer an sich selbst oder von einem Dritten am Opfer vorgenommen wird.
Zur prozessförmigen Ausführung einer Rechtsrüge oder Subsumtionsrüge genügt es nicht, die angestrebte rechtliche Konsequenz zu behaupten. Diese ist vielmehr methodisch vertretbar aus dem Gesetz abzuleiten (RIS‑Justiz RS0116569). Dem wird der Rechtsmittelwerber nicht gerecht, indem er auf Entscheidungen des Obersten Gerichtshof verweist, bei denen die in Rede stehende Deliktsqualifikation durch eigenes Handeln des unmittelbaren Täters verwirklicht wurde (vgl jedoch § 205 Abs 1 letzter Fall, Abs 3 vierter Fall StGB, § 206 Abs 2 letzter Fall, Abs 3 vierter Fall StGB, § 207 Abs 2 letzter Fall, Abs 3 dritter Fall StGB; RIS‑Justiz RS0095315 [T3]).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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