European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0150OS00010.16H.0314.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wolfgang B***** ‑ soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant ‑ des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 (idF BGBl I 2004/136), (zu ergänzen:) § 161 Abs 1 erster Satz StGB (I./) schuldig erkannt.
Danach hat er in Linz als selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der nachgenannten Gesellschaften Bestandteile des Vermögens der B***** GmbH beiseite geschafft und sonst deren Vermögen verringert und dadurch die Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, wobei er durch die Taten einen Schaden von insgesamt 610.000 Euro herbeiführte, indem er im Jahr 2008 Ausschüttungen von der B***** GmbH an die nicht operativ tätige und keine Umsätze erzielende I***** GmbH (zu ergänzen [US 9]:) vornahm und in der Folge von dort zwischen 3. Juni 2008 und 16. Februar 2009 insgesamt 610.000 Euro seinem Privatvermögen zuführte und für gesellschaftsfremde Zwecke verwendete.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
Eine aus Z 3 beachtliche Verletzung des § 260 Abs 1 Z 1 StPO liegt vor, wenn das Referat der (in den Entscheidungsgründen als erwiesen angenommenen) entscheidenden (somit für die Subsumtion [§ 260 Abs 1 Z 2 StPO] maßgeblichen) Tatsachen die Tat mangels hinreichender Individualisierung nicht von anderen (strafbarkeitsrelevanten) historischen Sachverhalten abgrenzt (RIS-Justiz RS0117435, RS0120334; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 272 f; Lendl, WK-StPO § 260 Rz 6 ff).
Indem die Verfahrensrüge (Z 3) moniert, dem Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO ließe sich nicht entnehmen, „durch welche zeitlich definierte und das Vermögen der B***** GmbH tatsächlich verringernde Vermögensverfügung die Befriedigung eines konkreten und näher zu bezeichnenden Gesellschaftsgläubigers tatsächlich vereitelt oder geschmälert wurde“, zeigt sie keine Nichtigkeit auf, geht doch aus dem Referat und den zur Verdeutlichung heranzuziehenden Entscheidungsgründen (RIS-Justiz RS0116587)
eindeutig hervor, dass Gegenstand des Schuldspruchs (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) die vom Angeklagten als selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der B***** GmbH im Jahr 2008 unter Schädigung der Befriedigungsrechte der Gesellschaftsgläubiger und Herbeiführung eines 50.000 Euro übersteigenden Schadens vorgenommenen (vgl US 9) Ausschüttungen dieser Gesellschaft an die nicht operativ tätige und keine Umsätze erzielende I***** GmbH und die daran anschließende Zuführung von insgesamt 610.000 Euro in sein Privatvermögen ist. Das Unterlassen der Anführung der geschädigten Gesellschaftsgläubiger hindert dabei weder die rechtliche Unterstellung noch die Individualisierung der Tat (12 Os 31/07m).
Da die über die Individualisierung hinausgehende Konkretisierung der Tat (erst) in den Urteilsgründen zu erfolgen hat, waren Einzelheiten zu den Zahlungsflüssen von der B***** GmbH an die I***** GmbH und im Anschluss an den Angeklagten (vgl US 9 f) - der Beschwerde zuwider - nicht in den Tenor aufzunehmen.
Dass die B***** GmbH (schon) in der Zeit der Ausschüttungen an die I***** GmbH (in der Gesamthöhe von 1,6 Millionen Euro) am 3. Juni sowie am 15. und 30. September 2008 Schuldnerin mehrerer Gläubiger war, hat das Erstgericht der Mängelrüge (Z 5 erster Fall) zuwider - mit Blick auf das Erkenntnis und die Gesamtheit der Entscheidungsgründe - hinreichend deutlich festgestellt (US 1, 9 f). Durch die Konstatierungen, wonach ein Betrag von 610.000 Euro der an die I***** GmbH ausgeschütteten Gelder dem Angeklagten als Darlehen gewährt wurde, um dieses Vermögen dem Zugriff der Gläubiger der B***** GmbH zu entziehen, wobei zum 31. Dezember 2009 „eine beinahe vollständige Wertberichtigung der Darlehensforderung gegen den Angeklagten“ erfolgt und „bis zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Rückzahlung getätigt“ worden sei (US 9), „ein Verlustausgleich zugunsten der B***** GmbH durch die Holding (trotz vorhandener Mittel) de facto nicht geschehen“ ist (US 15), und „dieser Gesamtplan, von dem die Darlehensgewährungen von der Holding an den Angeklagten nach erfolgten Ausschüttungen nur einen Teil darstellen, mehr als erfolgreich in die Tat umgesetzt wurde“, weil die Gläubiger im Konkursverfahren der B***** GmbH „eine Quote von 0,0 % erhielten, da das Insolvenzverfahren mangels alle Masseforderungen deckenden Vermögens aufzuheben war“ (US 14), haben die Tatrichter - entgegen der Undeutlichkeit reklamierenden Beschwerde (Z 5 erster Fall) - auch hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Gläubiger der B***** GmbH durch die Überführung von insgesamt 610.000 Euro vom Vermögen der Gesellschaft in jenes des Angeklagten einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden erlitten haben.
Die als widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) und unvollständig (vgl aber Ratz, WK-StPO § 281 Rz 420 f) bezeichnete Feststellung, wonach die Bankverbindlichkeiten der B***** GmbH per 31. Dezember 2007 782.961,32 Euro betrugen (US 9), bezieht sich auf keine entscheidende Tatsache
(RIS-Justiz
RS0117402, RS0094831). Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang vermeint, das Schöffengericht habe „die in der Hauptverhandlung vorgekommenen Beweismittel nicht vollständig berücksichtigt, insbesondere den diesem Sachverständigengutachten beigelegten Jahresabschluss 2007 betreffend die B***** GmbH“, aus dem auch unter Beachtung der offenen Bankverbindlichkeiten ein ausreichend hohes Vermögen zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2007 ersichtlich gewesen wäre, „sodass eine Gefährdung des Befriedigungsfonds der Gesellschaftsgläubiger-Banken nicht gegeben war“, kritisiert sie die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen Schuld. Das gleiche gilt für die Behauptung, es sei unerörtert geblieben, dass die Bankverbindlichkeiten der B***** GmbH „in der Folge zur Gänze zurückgeführt“ worden seien.
Weshalb die ‑ noch dazu keine entscheidende Tatsache betreffende ‑ Urteilsannahme, wonach „die Vermögensauskehr“ mit 1. August 2008 „abgeschlossen“ gewesen sei (US 17), widersprüchlich sein soll, erklärt der Beschwerdeführer nicht.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) kritisiert unter Hinweis auf von der I***** GmbH gefasste Gewinnausschüttungsbeschlüsse vom 1. und 30. September 2008 das Unterbleiben der Feststellung, wonach sämtliche Ausschüttungen der B***** GmbH an die hundertprozentige Gesellschafterin I***** GmbH auf Basis dieser Beschlüsse erfolgt seien, sodass erstere durch die Gewinnausschüttungen eine „gesellschaftsrechtliche Pflicht zur Abführung des Jahresgewinns“ erfüllt und „sohin eine bestehende Forderung berichtigt“ habe, legt aber nicht dar, weshalb die gegenständlichen Tathandlungen trotz der Konstatierungen, wonach die Darlehensgewährung an den Angeklagten durch die I***** GmbH ‑ deren alleiniger Gesellschafter der Angeklagte ist (US 5) ‑ nach den erfolgten Ausschüttungen „in Umsetzung einer planmäßigen Vermögensauskehr von der B***** GmbH“ erfolgte, „um deren Vermögen vor dem Zugriff von Gläubigern zu sichern“ (US 9), keine tatbildliche Vermögensverringerung darstellen sollen (RIS-Justiz RS0118580).
Die zuvor zitierten Feststellungen übergeht die Beschwerde (Z 9 lit a) auch mit der Behauptung, die bis 30. September 2008 vorgenommenen Gewinnausschüttungen seien „unter Berücksichtigung der maßgeblichen Bestimmungen des Handels- und Gesellschaftsrechts auch unter Berücksichtigung der zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Gläubigerforderungen zu Recht erfolgt“ (RIS-Justiz RS0099810).
Mit der Annahme, die Richtigkeit der für 2007 erstellten Bilanz und die rechtsrichtige Ermittlung des Bilanzgewinns von 2,1 Millionen Euro seien „im abgeführten Beweisverfahren nicht bezweifelt“ worden und „dem Urteil sohin zu Grunde zu legen“, wird ein Feststellungsmangel nicht verfahrenskonform zur Darstellung gebracht.
Da die Geltendmachung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes striktes Festhalten an der Gesamtheit der getroffen Feststellungen voraussetzt, verfehlt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) mit den Überlegungen, die B***** GmbH sei „nach Feststellung des Jahresabschlusses 2007 und nach Fassung der entsprechenden Gewinnausschüttungsbeschlüsse“ verpflichtet gewesen, „die Forderung der Gesellschafterin (…) zu erfüllen“, und das Erstgericht habe „zu Recht“ keine Feststellungen zu den in § 82 Abs 5 GmbHG angeführten Umständen getroffen, die einer Gewinnausschüttung im Umfang von 1,6 Millionen Euro entgegengestanden wären, abermals eine prozessordnungsgemäße Ausführung (RIS‑Justiz RS0099810).
Der Beschwerde zuwider hat das Erstgericht durch die Formulierung, der Angeklagte habe es zumindest ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, dass durch die Ausschüttungen an die I***** GmbH, die ihm als Privatperson Darlehen in der genannten Höhe gewährte, „das Vermögen der B***** GmbH verringert und dadurch der Haftungsfond der Gesellschaftsgläubiger geschmälert wurde, sodass die Gläubiger einen Befriedigungsausfall von mehr als 50.000 Euro, in concreto 610.000 Euro erleiden werden“ (US 9 f), einen auf die Schädigung der Gläubiger gerichteten (bedingten) Vorsatz des Angeklagten festgestellt, dass im Endergebnis ein Ausfall bei der Forderungshereinbringung eintreten soll (Kirchbacher in WK2 StGB § 156 Rz 21). Die in diesem Zusammenhang vermissten Konstatierungen zum Bestehen mehrerer (teils namentlich genannter) Gesellschaftsgläubiger im Tatzeitraum befinden sich auf US 9 f, wo auch die Zeitpunkte der Ausschüttungen an die I***** GmbH angeführt sind. Weshalb auch Feststellungen „zum Zeitpunkt des Entstehens dieser Gläubigerforderungen“ zu treffen gewesen wären, legt die Beschwerde nicht dar.
Nicht methodengerecht aus dem Gesetz leitet die Rechtsrüge (Z 9 lit a) schließlich ab, weshalb Feststellungen dazu erforderlich gewesen wären, dass „die I***** GmbH zu irgendeinem Zeitpunkt Schuldnerin auch nur eines Gläubigers gewesen wäre“, und dass diese Gesellschaft gegenüber der B***** GmbH „verpflichtet gewesen wäre, diese im Bedarfsfall mit Kapital auszustatten“.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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