OGH 14Os94/22p

OGH14Os94/22p27.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. September 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Buttinger in der Strafsache gegen * C* wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach § 142 Abs 1, § 143 Abs 1 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 14. Juni 2022, GZ 115 Hv 91/21a‑83, sowie die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und Verlängerung der Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00094.22P.0927.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * C* des Verbrechens des schweren Raubes nach § 142 Abs 1, § 143 Abs 1 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 18. Juni 2021 in W* im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem abgesondert verfolgten, bislang unbekannten Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) * L* mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz fremde bewegliche Sachen unter Verwendung einer Waffe mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben weggenommen, indem er sich, nachdem er gemeinsam mit dem Mittäter L* gewaltsam zu Boden gebracht hatte, auf diesen kniete und ihm zwei Schläge ins Gesicht versetzte, während der Mittäter dem Opfer ein Messer an den Hals hielt und ihm seine Geldbörse samt 200 Euro Bargeld wegnahm.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus den Gründen der Z 4, 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

[4] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) hat das Erstgericht über den Antrag auf „Beischaffung der Videoaufzeichnungen“ des Caritas-Wohnheims, in dem der Beschwerdeführer zur Tatzeit wohnte, zum Beweis dafür, dass dessen damaliges Erscheinungsbild nicht der Täterbeschreibung des Opfers entsprach (ON 72 S 21), sehr wohl – nämlich durch stattgebenden Beschluss – entschieden (ON 72 S 22). Die Beweisaufnahme scheiterte indes daran, dass nach dem Bericht der mit den entsprechenden Ermittlungen beauftragten Kriminalpolizei die bezeichnete Videoanlage keine Aufzeichnungen anfertigt (ON 79 S 4; vgl auch ON 82 S 2). Der Antrag war demnach auf eine unmögliche Beweisaufnahme gerichtet.

[5] Die Mängelrüge vermag eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite, insbesondere zum Vorsatz auf Verwendung des Messers durch den Mittäter und das bewusste und gewollte Zusammenwirken mit diesem, nicht aufzuzeigen. Dass das Erstgericht diese „aus dem äußeren Geschehen“ ableitete (US 10), begegnet unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit keinen Bedenken (RIS‑Justiz RS0116882). Nach dem Urteilssachverhalt sprach der Beschwerdeführer nämlich das spätere Opfer zunächst alleine an, entfernte sich dann und kam in weiterer Folge gemeinsam mit dem unbekannten Mittäter zurück, wobei dieser bereits bei der Annäherung an das Opfer ein Klappmesser und der Beschwerdeführer eine leere Glasflasche in seiner Hand hielt. Als L* die Flucht ergriff, liefen der Beschwerdeführer und sein Mittäter hinterher und brachten ihn gemeinsam gewaltsam zu Boden. Sodann kniete sich der Beschwerdeführer auf das Opfer und versetzte ihm zwei Schläge ins Gesicht, während der Mittäter diesem das Klappmesser (auf dem übrigens [auch] DNA des Beschwerdeführers sichergestellt werden konnte) an den Hals hielt und in weiterer Folge dem wehrlosen Opfer die Geldbörse aus der Hosentasche nahm (US 4 f). Nach den weiteren Urteilsannahmen war für den Beschwerdeführer wahrnehmbar, dass „sein Komplize“ dem Opfer „das Klappmesser an den Hals hielt“, während er auf dieses einschlug (US 10). Davon ausgehend verstößt die Annahme, der Vorsatz des Beschwerdeführers sei auf sämtliche Tatbildmerkmale, inklusive der Verwendung des Messers, auf unrechtmäßige Bereicherung (wofür das Erstgericht – vom Beschwerdeführer übergangen [vgl aber RIS‑Justiz RS0119370] – auch dessen triste finanzielle Situation ins Treffen führt), sowie auf das Handeln in verabredeter Verbindung gerichtet gewesen, nicht gegen die Denkgesetze oder grundlegende Erfahrungssätze (RIS-Justiz RS0118317).

[6] Die Tatrichter stützten diese Feststellungen im Wesentlichen auf die – ausführlich erörterten – Schilderungen des Opfers und dessen Frau, wobei im Urteil Abweichungen und Widersprüche in deren Aussagen sowie Unsicherheiten bei der Identifikation des Beschwerdeführers berücksichtigt wurden (US 5 ff). Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) aus diesen Beweisergebnissen andere, für den Beschwerdeführer günstigere Schlussfolgerungen zieht, kritisiert sie bloß unzulässig die Beweiswürdigung außerhalb des Anfechtungsrahmens des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0100555).

[7] Die eine Subsumtion nach „§ 83 StGB“ und „§ 107 StGB“ anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10) übergeht mit dem Einwand, das Urteil enthalte keine ausreichende Grundlage für die Annahme eines bewussten und gewollten Zusammenwirkens (§ 12 erster Fall StGB) des Beschwerdeführers mit seinem Mittäter, die genau dazu– wenngleich erst im Rahmen der rechtlichen Beurteilung (US 11) – getroffenen Feststellungen (RIS-Justiz RS0099810). Gleiches gilt für den Einwand fehlender Urteilsannahmen zu tatbestandsmäßigem Handeln des Beschwerdeführers (vgl US 4 f). Weshalb es darauf ankomme, „zu welchem Zeitpunkt“ der Beschwerdeführer „vom Tatplan des unbekannten Täters Kenntnis erlangte“, wird nicht erklärt (vgl im Übrigen RIS-Justiz RS0089831).

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[9] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 dritter und vierter Satz StPO). Dieses wird dabei zu berücksichtigen haben, dass der Strafausspruch nicht geltend gemachte Nichtigkeit (Z 11 erster Fall) aufweist, weil das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen für eine – vom Erstgericht für anwendbar erachtete (US 3) – Strafschärfung nach § 39 Abs 1 StGB, insbesondere der zumindest teilweisen Verbüßung von Freiheitsstrafen aus zwei früheren Verurteilungen vor Begehung der nunmehr zur Last gelegten strafbaren Handlung, dem Urteil nicht zu entnehmen ist (vgl US 4; RIS‑Justiz RS0134000, RS0122140; Flora in WK2 StGB § 39 Rz 3).

[10] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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