European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0140OS00093.21I.1012.000
Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch, demgemäß auch im Strafausspruch und im Adhäsionserkenntnis aufgehoben, in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde ***** Ö***** – soweit hier von Bedeutung – jeweils eines Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB (A/I), des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (A/II) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (B) sowie des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (C) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er
A/ im Winter 2014 in B*****
I/ die schlafende und daher wehrlose ***** K***** unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er mit ihr eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung vornahm, indem er zunächst mit seiner rechten Hand unter ihre Pyjamahose und Unterhose griff, sie am Intimbereich berührte und streichelte und sie schließlich digital vaginal penetrierte;
II/ durch die zu A/I genannte Handlung mit der 2003 geborenen, mithin unmündigen K***** eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen;
B/ im Sommer 2016 in Montenegro außer dem Fall des § 206 StGB an der 2003 geborenen, mithin unmündigen K***** eine geschlechtliche Handlung vorgenommen, indem er zweimal während des gemeinsamen Schwimmens mit der Hand unter ihr Bikinioberteil griff und ihre bereits entwickelte Brust nicht bloß flüchtig betastete;
C/ mit der minderjährigen, seiner Aufsicht unterstehenden K***** durch die zu B/ beschriebene Handlung unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person eine geschlechtliche Handlung vorgenommen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die dagegen vom Angeklagten aus den Gründen der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist im Recht.
[4] Zutreffend zeigt die Mängelrüge auf, dass die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (hinsichtlich aller Punkte des Schuldspruchs) offenbar unzureichend begründet sind (Z 5 vierter Fall). Dazu findet sich im Urteil lediglich der Hinweis auf den „Wahrheitsgehalt der Angaben der ***** K*****“ und die Formulierung, dass „sich auch aufgrund der vaterähnlichen Stellung des Angeklagten zum Opfer im Tatzeitraum und auch aufgrund des Umstandes, dass er als einziger Aufsichtsberechtigter mit ihr in Montenegro war, an der subjektiven Tatseite kein Zweifel“ ergebe (US 8). Während aus dem Verhältnis des Beschwerdeführers zum Opfer nach den Denkgesetzen und grundlegenden Erfahrungssätzen (vgl RIS‑Justiz RS0118317) allenfalls Rückschlüsse auf seinen Vorsatz in Bezug auf das Alter des Opfers und das Ausnützen der für § 212 Abs 1 Z 2 StGB erforderlichen Stellung gezogen werden könnten, ist darin nach den vorgenannten Kriterien eine Grundlage für die Annahme eines (von sämtlichen subsumierten Tatbeständen vorausgesetzten) auf Vornahme einer geschlechtlichen Handlung gerichteten Vorsatzes nicht zu erkennen. Die Einschätzung des Opfers von den inneren Vorgängen beim Täter hinwieder stellt – soweit sie im Urteil überhaupt thematisiert wurde (US 7) – kein Beweismittel dar (vgl RIS‑Justiz RS0097545 [insbesondere T12]; RS0128679 [T1]), auf das die kritisierten Feststellungen (US 4 f) den Anforderungen der Z 5 entsprechend gestützt werden konnten.
[5] Der aufgezeigte Begründungsmangel erfordert die sofortige Aufhebung des Schuldspruchs, demgemäß auch des Strafausspruchs und des darauf beruhenden Adhäsionserkenntnisses bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO).
[6] Das weitere Beschwerdevorbingen bedarf daher keiner Erörterung.
[7] Auf diese Entscheidung war der Angeklagte mit seiner Berufung zu verweisen.
[8] Zum nominell im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) erstatteten Vorbringen wird festgehalten, dass die strafbaren Handlungen nach § 205 Abs 1 und § 206 Abs 1 StGB bei einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zum Nachteil eines unmündigen und (aus einem weiteren Grund) in einem Zustand der Wehrlosigkeit befindlichen Opfers echt (ideell) konkurrieren können ([mit eingehender Begründung unter Ablehnung der vereinzelt gebliebenen gegenteiligen Entscheidung 15 Os 178/00] 11 Os 126/19t = RIS-Justiz RS0132891; ebenso Hinterhofer, SbgK § 205 Rz 67; vgl Philipp in WK2 StGB § 205 Rz 27; aA Kienapfel/Schmoller, BT III2 §§ 206–207 Rz 50; Leukauf/Steininger/Tipold, StGB4 § 205 Rz 26).
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