OGH 15Os178/00

OGH15Os178/0025.1.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Jänner 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schmidt als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Egon S***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauches von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Thomas S***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft betreffend beide Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 4. Oktober 2000, GZ 13 Vr 689/00-57, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tiegs, der Angeklagten sowie deren Verteidiger Mag. Pestal und Dr. Engele zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten Thomas S***** auch die durch seine erfolglos gebliebenen Rechtsmittel verursachten Kosten des Verfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Egon S***** und Thomas S***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Umündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I) und des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.

Danach haben sie zwischen Jänner 1994 und Weihnachten 1995 in Lavamünd

I. außer dem Fall des § 206 StGB wiederholt an der am 28. März 1991 geborenen Sandra S***** geschlechtliche Handlungen vorgenommen und an sich vornehmen lassen, indem sie sich vor der Unmündigen nackt auszogen, sie veranlassten, sich gleichfalls nackt auszuziehen und an ihren Penissen zu lecken, und sie anschließend auch die Scheide des Kindes leckten und betasteten;

II. durch die zu I. beschriebenen Handlungen unter Ausnützung ihrer Stellung gegenüber einer ihrer Aufsicht unterstehenden minderjährigen Person diese zur Unzucht missbraucht.

Während Egon S***** das Urteil in Rechtskraft erwachsen ließ, bekämpft der Angeklagte Thomas S***** den Schuldspruch mit einer auf Z 3, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 3) wurde die Bestimmung des § 151 Abs 1 Z 3 StPO, welche - bei sonstiger Nichtigkeit von deren Aussagen - untersagt, Zeugen zu vernehmen, die wegen ihrer Leibes- oder Gemütsbeschaffenheit außer Stande sind, die Wahrheit anzugeben, in der Hauptverhandlung nicht verletzt oder vernachlässigt. Soll doch mit dieser Regelung die Vernehmung lediglich solcher Personen vor Gericht verhindert werden, bei denen die Unfähigkeit, die Wahrheit anzugeben, erwiesenermaßen vorliegt. Nur wenn sich die Beschwerde auf solche Beweise stützen kann, nicht aber - wie vorliegend - lediglich aufgrund von Erwägungen zum Wert der Aussage der Zeugin S*****, kann der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 3 iVm § 151 Abs 1 Z 3 StPO geltend gemacht werden. In Grenzfällen - zu denen ersichtlich auch der gegenständliche Fall zu zählen ist -, in denen Zweifel an der Fähigkeit zur (Wahrnehmung, Erinnerung oder) Wiedergabe des Wahrgenommenen bestehen, muss es hingegen dem Ermessen des Gerichtes überlassen bleiben zu beurteilen, ob und inwieweit die Person als Zeuge vernommen werden darf (Mayerhofer StPO4 § 151 E 41, § 281 Z 3 E 16).

Auch die Tatsachenrüge (Z 5a) ist nicht berechtigt.

Mit dem Hinweis auf geistige und (angebliche) soziale Defizite des Tatopfers sowie der Behauptung, trotz mehrfach gegen verschiedene Personen gerichteter Verdächtigungen hätten sich keine Anhaltspunkte für einen (früheren) sexuellen Missbruch der Unmündigen ergeben, vermag der Beschwerdeführer keine aus den Akten hervorkommende erhebliche Bedenken gegen die dem Schuldspruch zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Er versucht vielmehr lediglich, die Bewertung der Verfahrensergebnisse durch das Schöffengericht in unzulässiger Weise nach Art einer Schuldberufung in Zweifel zu ziehen, wobei er jedoch die Erwägungen der Tatrichter zu den Widersprüchen in den Angaben der unmündigen Sandra S***** sowie zu den Ausführungen des Zeugen Dr. G***** hinsichtlich des Verdachtes früherer sexueller Missbräuche (US 7-9, 10-13) außer Acht lässt, ohne diesen begründete Argumente entgegenzusetzen.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) versagt ebenso.

Der Angeklagte kritisiert die rechtliche Beurteilung seines in Punkt I. des Schuldpruches beschriebenen Verhaltens als - mit Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren bedrohtes - Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Umündigen nach § 207 Abs 1 StGB in der Fassung des STRÄG 1998 (BGBl I 1998/153) und behauptet, die Tat hätte dem (lediglich eine Strafdrohung bis zu drei Jahren vorsehenden) Tatbild des § 205 Abs 2 StGB aF unterstellt werden müssen. Er übersieht dabei aber, dass der Tatbestand der Schändung nach § 205 Abs 2 StGB nur dann zur Anwendung kommt, wenn das Opfer im Tatzeitpunkt das 14. Lebensjahr überschritten hat, weil § 205 StGB bei Unmündigen vom Verbrechen nach § 207 StGB verdrängt wird (Leukauf/Steininger Komm3 RN 26, Foregger/Fabrizy StGB7 Rz 8, Mayerhofer StGB5 Anm 5, Kienapfel/Schmoller Besonderer Teil III Rz 27 jeweils zu § 205).

Auch die Anwendung des § 207 Abs 1 StGB idF des STRÄG 1998 erfolgte zu Recht, weil die neue Bestimmung in ihrer Gesamtwirkung für den Angeklagten nicht ungünstiger ist als die davor gültige Regelung (§§ 1, 61 StGB iVm Art V des STRÄG 1998, BGBl I 1998/153).

Die in der Berufung behauptete Verletzung des Doppelverwertungsverbotes bei der Strafzumessung (Z 11) liegt nicht vor. Das geringe Alter des Opfers stellt nämlich einen im Hinblick auf die Größe seiner Schädigung oder Gefährdung durchaus für die Strafbemessung relevanten Umstand im Sinne von § 32 Abs 3 StGB dar.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Thomas S***** war daher zur Gänze zu verwerfen.

Das Erstgericht verhängte unter Anwendung von § 28 Abs 1 StGB nach § 207 Abs 1 StGB über Egon S***** unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 19. Juli 1996, 12 EVr 1088/96-5, eine (Zusatz-)Freiheitsstrafe von 20 Monaten und über Thomas S***** unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 21. November 1997, GZ 24 EVr 1923/97-4, eine (Zusatz-)Freiheitsstrafe von zwei Jahren.

Bei der Strafzumessung wertete es bei Egon S***** als erschwerend das Zusammentreffen von zwei Verbrechen und einem Vergehen sowie das geringe Alter das Opfers, als mildernd das Teilgeständnis (in Bezug auf den Diebstahl durch Einbruch) und den Umstand, dass die Tat vor längerer Zeit begangen wurde; bei Thomas S***** als erschwerend das Zusammentreffen von einem Verbrechen und zwei Vergehen, drei einschlägige Vorstrafen sowie das geringe Alter des Opfers, als mildernd das Teilgeständnis (zum Vergehen des Raufhandels) und den Umstand, dass die Tat vor längerer Zeit begangen wurde.

Gegen den Strafausspruch richten sich die Berufungen des Thomas S*****, der eine Herabsetzung und eine bedingte Nachsicht der über ihn verhängten Freiheitsstrafe anstrebt, sowie der Staatsanwaltschaft hinsichtlich beider Angeklagter mit dem Begehren, die Freiheitsstrafen tatschuldangemessen zu erhöhen.

Beiden Berufungen kommt im Ergebnis Berechtigung nicht zu.

Der Staatsanwaltschaft ist zwar zuzubilligen, dass die Tatrichter die Tatwiederholung in einem längeren Zeitraum (§ 33 Z 1 StGB) nicht als erschwerend gewertet und auch die Folgen für das Tatopfer nicht ausdrücklich angeführt haben. Doch selbst unter Berücksichtigung dieser zusätzlichen erschwerenden Umstände entsprechen die vom Schöffengericht gefundenen Sanktionen noch dem Schuld- und Unrechtsgehalt der Taten, sodass insbesondere im Hinblick auf die seit den Taten verstrichene Zeit für eine Erhöhung der Freiheitsstrafen kein Anlass besteht.

Entgegen der Berufung des Thomas S***** liegt aber auch kein Grund für eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe vor. Das Erstgericht hat die (von ihm herangezogenen) Strafzumessungsgründe richtig gewichtet und die Strafe entsprechend der Tatschuld sowie der Täterpersönlichkeit ausgemessen. Dabei wurden auch das Vorleben und die derzeitigen persönlichen Verhältnisse des Angeklagten ihrer Bedeutung gemäß berücksichtigt (US 5).

Eine bedingte Nachsicht der Strafe kommt im Hinblick auf die Wirkungslosigkeit bisheriger Bestrafungen, somit schon aus spezialpräventiven Gründen nicht in Betracht. Aber auch die hohe Kriminalitätsrate im Sexualstrafrecht, sohin generalpräventive Aspekte, stehen der begehrten bedingten Strafnachsicht entgegen.

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