OGH 14Os91/18s

OGH14Os91/18s11.9.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ertl, LL.M., als Schriftführer in der Strafsache gegen Gyözö D***** und eine andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Gyözö D***** sowie die Berufung der Angeklagten Marta M***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 19. April 2018, GZ 15 Hv 16/18w‑45, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0140OS00091.18S.0911.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten D***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Gyözö D***** und Marta M***** je eines Verbrechens des Raubes nach § 142 (zu ergänzen: Abs 1 und [vgl RIS‑Justiz RS0131972]) Abs 2 StGB (I) und des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.

Danach haben sie in E***** (I) und G***** (II) im einverständlichen Zusammenwirken Nachgenannten mit Gewalt gegen ihre Person fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, und zwar

(I) am 28. November 2017 Maria B***** 50 Euro Bargeld, indem Marta M***** die Genannte am Körper erfasste, sie in ihre Wohnung drängte und das Geld sodann an sich nahm, während Gyözö D***** dem Opfer den Mund zuhielt, wobei die Tat ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen wurde und nur unbedeutende Folgen nach sich zog;

(II) am 2. Februar 2018 Gerhard K***** zumindest 250 Euro, indem Marta M***** den Genannten in seine Wohnung drängte und der nachkommende Gyözö D***** ihn sodann an den Armen packte und fixierte, während Marta M***** die Wohnung durchsuchte und das Geld an sich nahm.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus den Gründen der Z 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten D***** ist nicht im Recht.

Zum Schuldspruch I leitete das Erstgericht seine Überzeugung von der Täterschaft der Angeklagten aus einer vernetzten Betrachtung der Aussagen der Zeugen Maria B*****, Dr. Harald P*****, Stephanie H*****, Helmut N***** und Marianne Da***** im Verein mit dem Eingeständnis der Angeklagten ab, zur Tatzeit gemeinsam zum Betteln in E***** unterwegs gewesen zu sein. Deren ansonsten leugnende Verantwortung wurde aufgrund der angeführten Verfahrensergebnisse als widerlegt erachtet (US 5 ff).

Indem die Tatsachenrüge (Z 5a, nominell– ersichtlich irrig – auch Z 5) auf von den Tatrichtern ohnehin berücksichtigte Umstände (etwa die Sehschwäche des Tatopfers B*****, das Unvermögen des Zeugen N*****, die beiden Angeklagten als Täter zu identifizieren, und diesbezügliche, nur den Beschwerdeführer betreffende Unsicherheiten des Dr. P*****) verweist, den Beweiswert der Aussagen der Zeugen insgesamt in Zweifel zieht und auf dieser Basis zum Schluss kommt, eine „eindeutige Identifizierung der Täter“ sei „nicht erbracht“ worden, weckt sie keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (RIS‑Justiz RS0099674).

Gleiches gilt für das Vorbringen zum Schuldspruch II, das sich in einer urteilsfremden eigenen Einschätzung der (Un‑)Glaubwürdigkeit der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers sowie der Angaben des Tatopfers Gerhard K***** und in Spekulationen zu den Gründen für dessen Aussageverhalten erschöpft.

Mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird gleichfalls keine Nichtigkeit aus Z 5a aufgezeigt, sondern in unzulässiger Weise die dem Schöffensenat vorbehaltene Beweiswürdigung bekämpft (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 454; RIS‑Justiz RS0102162).

Die Subsumtionsrüge (Z 10), die trotz der zu II konstatierten Wegnahme von 250 Euro Bargeld auch insoweit einen Schuldspruch nach der privilegierenden Norm des § 

142 Abs 2 StGB anstrebt, lässt – wie die zitierte (zudem nicht mehr aktuelle)

Kommentarstelle (Bertel in WK² [Vorauflage] StGB § 141 Rz 3a) – die methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz vermissen, aus welchem Grund die für die angestrebte Subsumtion relevante Geringfügigkeitsgrenze (erst) bei 300 Euro überschritten und der Begriff des „geringen Wertes“ – entgegen der ausdrücklichen Intention des Gesetzgebers (vgl

EBRV 689 BlgNR 25. GP  22) – in konstanter (prozentueller) Relation zur normierten (unteren) Wertgrenze im Vermögensstrafrecht anzusetzen sein sollte (vgl dagegen RIS-Justiz

RS0120079 [T1, T2, T4, T6];

Eder-Rieder in WK² StGB § 142 Rz 59 mwN; Salimi in WK² StGB § 141 Rz 21 ff mwN und Auseinandersetzung mit anderslautenden Meinungen im Schrifttum).

Dass opferbezogene Faktoren im Allgemeinen eine Verschiebung der – in ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs mit etwa 100 Euro angesetzten – Geringfügigkeitsgrenze nach oben bewirken müssten, wird gleichfalls bloß behauptet (vgl dagegen RIS‑Justiz RS0094475, RS0094478, RS0120079 [T3], RS0099085 [T9]; erneut Eder‑Rieder in WK² StGB § 142 Rz 59; Hintersteininger, SbgK § 142 Rz 50; grundsätzlich auch Salimi in WK² StGB § 141 Rz 24 f und Tipold, SbgK § 141 Rz 20 f, die allerdings die vom Beschwerdeführer vertretene Auffassung für „konsequent“ oder „überlegenswert“ erachten). Soweit die Rüge die These aufstellt, im konkreten Fall sei „davon auszugehen, dass (auf die Folgen bezogen) durch den Verlust von 250 Euro das Opfer in seinem Lebensstandard nicht eingeschränkt wurde“, argumentiert sie zudem prozessordnungswidrig weder auf Basis des Urteilssachverhalts (RIS‑Justiz RS0099810), noch zeigt sie– wie es indes für die Geltendmachung eines entsprechenden Feststellungsmangels erforderlich wäre (RIS‑Justiz RS0118580) – solches indizierende Verfahrensergebnisse auf.

Da die Voraussetzungen des § 

142 Abs 2 StGB nach dem Gesetz

kumulativ vorliegen müssen, erübrigt sich damit ein Eingehen auf das Vorbringen zu den weiteren Prämissen dieser Privilegierung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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