European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0140OS00074.17I.0905.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch B, demzufolge auch im Strafausspruch des Richard T***** sowie im Einziehungserkenntnis, soweit sich dieses auf die zu den Standblättern ON 49 Pz 1 bis 5, ON 50 Pz 1 bis 7 und ON 28 Pz 5 und 11 verwahrten Gegenstände bezieht, aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Mit ihrer den Angeklagten Richard T***** betreffenden Berufung wird die Staatsanwaltschaft ebenso auf diese Entscheidung verwiesen, wie dieser Angeklagte mit seiner gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung.
Zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten Cornelia S***** (die sich gegen die Aussprüche über die Strafe und den Verfall richtet), der Staatsanwaltschaft, soweit sie diese Angeklagte betrifft, sowie über jene des Angeklagten Richard T***** gegen das Verfallserkenntnis werden die Akten zunächst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Richard T***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde und die amtswegige Maßnahme relevant – Richard T***** der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Drogenausgangsstoffen nach § 32 Abs 2 SMG (B) und der Annahme, Weitergabe oder des Besitzes falscher oder verfälschter besonders geschützter Urkunden nach § 224a StGB (C) schuldig erkannt.
Danach hat er in S***** und an anderen Orten des Bundesgebiets von einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt bis 27. September 2016
(B) Drogenausgangsstoffe, nämlich „Benzaldehyd, Quecksilbersalze und 1-Phenyl-2-nitropropen“ mit dem Vorsatz erworben und besessen, dass diese bei der vorschriftswidrigen Erzeugung von Suchtmittel in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich von 1.160 Gramm und 3.600 Gramm Amphetamin, verwendet werden und
(C) eine falsche besonders geschützte Urkunde (§ 224 StGB) mit dem Vorsatz besessen, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde, und zwar eine Totalfälschung eines österreichischen Führerscheins, lautend auf „Mark Forster“.
Rechtliche Beurteilung
Nur gegen den Schuldspruch C richtet sich die (der Sache nach) aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde dieses Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
Entgegen dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) haben die Tatrichter die Feststellungen, nach denen Richard T***** ein Falsifikat einer besonders geschützten öffentlichen Urkunde, nämlich eines nachgemachten österreichischen Führerscheins, dessen äußeres Erscheinungsbild (zumindest bei flüchtiger Betrachtung) dem artspezifischen Typus des Fälschungsobjekts gleicht (vgl dazu Kienapfel/Schroll in WK2 StGB § 224a Rz 2 iVm § 224 Rz 50 f), mit auf dessen Verwendung im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gerichtetem Vorsatz besaß, aus den im Akt erliegenden Lichtbildern, den „objektiven Tat‑ und Begleitumständen“, vor allem der Verwahrung des Dokuments in einem Safe, und dem persönlichen Eindruck des Beschwerdeführers abgeleitet und dabei sowohl dessen leugnende Verantwortung als auch die damit im Einklang stehenden Aussagen der Angeklagten Claudia S*****, wonach es sich bloß um einen „Jux“ gehandelt habe, erörtert und für unglaubwürdig erachtet (US 8 f, 13).
Dass diese Erwägungen den Gesetzen logischen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widersprechen, vermag die Beschwerde nicht aufzuzeigen. Indem sie aus den angesprochenen Verfahrensergebnissen andere, für den Angeklagten günstigere Schlüsse zieht als das Erstgericht, der angesprochenen Ablichtung der Urkunde (ON 56 S 109) per se jeden materiellen Beweiswert in Bezug auf die Täuschungseignung abspricht, das Vorhandensein eines Safes im Haus des Angeklagten lapidar bestreitet (vgl aber im Übrigen ON 87 S 35) und das Fehlen von Anhaltspunkten für die Annahme einer dem Tatbild entsprechenden Täterintention behauptet, erschöpft sie sich vielmehr in unzulässiger Beweiswürdigungskritik nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Soweit Feststellungen zur „Absicht der Verwendung im Rechtsverkehr“ vermisst werden, leitet der Beschwerdeführer nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab, aus welchem Grund die Vorsatzform der Absichtlichkeit (§ 5 Abs 2 StGB) für die vorgenommene Subsumtion erforderlich und die ohnehin getroffenen Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite (erneut US 8 f) hiefür nicht ausreichend sein sollten.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Urteil im Schuldspruch B sowie im Einziehungserkenntnis, soweit sich dieses auf ein Mobiltelefon samt SIM‑Karte (ON 28 Pz 5) und einen Laptop (ON 28 Pz 11) bezieht, nicht geltend gemachte Nichtigkeit (Z 9 lit a, Z 11 erster Fall [Ratz in WK² StGB § 26 Rz 18 iVm Rz 15]) anhaftet, die sich zum Nachteil dieses Angeklagten auswirkt und demnach von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
Strafrechtlich relevantes Verhalten nach § 32 Abs 2 SMG bezieht sich nach der Legaldefinition des § 4 SMG nur auf konkrete, in Anhang 1 der Verordnung (EG) Nr 273/2004 betreffend Drogenausgangsstoffe, ABl Nr L47 vom 18. Februar 2004, sowie im Anhang der Verordnung (EG) Nr 111/2005 zur Festlegung von Vorschriften für die Überwachung des Handels mit Drogenausgangsstoffen zwischen der Union und Drittländern, ABl Nr L22 vom 26. Jänner 2005, erfasste Substanzen. Ob die darin nicht gelisteten Chemikalien „Benzaldehyd“, „Quecksilbersalze“ und „1-Phenyl-2-nitropropen“ allenfalls deckungsgleich mit ausdrücklich genannten Wirkstoffen, deren Stereoisomeren oder Salzen sind, kann dem Urteil nicht entnommen werden, bedürfte aber – selbst wenn man Gerichtsnotorietät annähme – einer entsprechenden Feststellung (vgl RIS‑Justiz RS0114428, RS0124169 [T1]). Die Verwendung von den Tatbeständen des § 32 SMG entnommenen Rechtsbegriffen („verba legalia“) zum objektiven Sachverhalt bleibt daher ohne Sachverhaltsbezug und trägt den Schuldspruch nach dieser Gesetzesstelle (B) nicht (RIS‑Justiz RS0119090).
Die Anwendung des § 26 Abs 1 StGB setzt voraus, dass diese vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstands geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen durch den Täter selbst oder durch andere Personen entgegenzuwirken. Dabei spricht das Wort „geboten“ die Deliktstauglichkeit des Objekts an. Eine solche ist in Ansehung der inkriminierten Datenträger, nämlich des – nach den Feststellungen im Eigentum des Richard T***** stehenden (vgl aber ON 87 S 47) – Mobiltelefons samt SIM‑Karte (ON 28 Pz 5) sowie dessen Laptops (ON 28 Pz 11) nach den entsprechenden Urteilsannahmen (US 6, 9, 11) grundsätzlich zu bejahen. Selbst in einem solchen Fall ist nach § 26 Abs 2 erster Satz StGB aber den Berechtigten angemessen Gelegenheit zu geben, diese besondere Beschaffenheit auf welche Weise auch immer (vorliegend etwa durch Löschen relevanter Datensätze) zu beseitigen (RIS‑Justiz RS0121299, RS0121298; Ratz in WK² StGB § 26 Rz 15). Dass dem Beschwerdeführer, der im Übrigen ausdrücklich erklärt hatte, seinen Laptop zurückhaben zu wollen (vgl ON 87 S 49), diese Möglichkeit eingeräumt worden oder eine (unwiderbringliche) Entfernung im konkreten Fall unmöglich wäre, geht aus den Urteilskonstatierungen nicht hervor.
Diese Rechtsfehler mangels Feststellungen machen die Aufhebung des Urteils im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO) erforderlich. Weil sich der Ausspruch über d
ie Einziehung undifferenziert auf sämtliche Schuldsprüche (so auch den von der Aufhebung betroffenen Schuldspruch B) bezieht (US 9, 17) und hinsichtlich der „im Haus vorgefundenen Stoffe, Chemikalien und Behältnisse zur Herstellung des Suchtgifts“ (ON 49 Pz 1 bis 5; ON 50 Pz 1 bis 7) – anders als in Betreff der „sichergestellten Suchtgifte und Suchtgiftutensilien“ (ON 29 Pz 1 bis 18) – auf Basis des Urteilssachverhalts eine Zuordnung nicht möglich ist, kann auch dieser insoweit nicht bestehen bleiben.
Mit ihrer den Angeklagten Richard T***** betreffenden Berufung war die Staatsanwaltschaft ebenso auf diese Entscheidung zu verwiesen, wie dieser Angeklagte mit seiner gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung.
Zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten Cornelia S***** (die sich gegen den Ausspruch über die Strafe und das – ausschließlich auf den bestehen bleibenden Schuldspruch A/I bezogene [US 11, 17] – Verfallserkenntnis richtet), der Staatsanwaltschaft, soweit sie diese Angeklagte betrifft, sowie über jene des Angeklagten Richard T***** gegen den Ausspruch über den Verfall waren die Akten zunächst dem Oberlandesgericht Wien zuzuleiten (§ 281s StPO).
Die Kostenentscheidung, die sich nicht auf die amtswegige Maßnahme bezieht (Lendl, WK‑StPO § 390 Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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