OGH 14Os7/11b

OGH14Os7/11b9.2.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Februar 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schilhan als Schriftführerin in der Strafsache gegen Olu O***** wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB, AZ 353 HR 208/10w des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 20. Dezember 2010, AZ 23 Bs 420/10y (ON 39), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Olu O***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss setzte das Oberlandesgericht Wien die vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 1. Dezember 2010 über Olu O***** (der sich in diesem Verfahren wegen dringenden Verdachts des am 21. August 2010 zum Nachteil der Claudia R***** begangenen Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB bereits von 24. August bis 27. September 2010 in Untersuchungshaft befunden hatte und über Antrag der Staatsanwaltschaft [ersichtlich wegen Unerreichbarkeit des - allerdings bereits kriminalpolizeilich vernommenen - Tatopfers] enthaftet worden war [ON 5, ON 2 S 55 ff; ON 1 S 3, ON 19]) verhängte Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a StPO mit Wirksamkeit bis 21. Februar 2011 fort (ON 39).

Dabei ging es davon aus, der Beschuldigte stehe in dringendem Verdacht, das Verbrechen der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB dadurch begangen zu haben, dass er am 28. November 2010 in Wien Esther S***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung zu nötigen versuchte, indem er sie zu Boden schlug und warf, ihr Schläge gegen das Gesicht versetzte, den Gürtel ihrer Hose öffnete und diese hinunterzuziehen trachtete.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von Olu O***** erhobenen Grundrechtsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Da - anders als bei einer Haftbeschwerde an das Oberlandesgericht - nicht die Haft, sondern die Entscheidung über die Haft den Gegenstand des Erkenntnisses über eine Grundrechtsbeschwerde bildet und § 3 Abs 1 GRBG hinsichtlich der dort angeordneten Begründungspflicht nichts anderes vorsieht (vgl § 10 GRBG), kann im Verfahren über eine Grundrechtsbeschwerde nach ständiger Rechtsprechung die Sachverhaltsgrundlage des dringenden Tatverdachts nur nach Maßgabe der Voraussetzungen der Mängel- und der Tatsachenrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 und Z 5a StPO) in Frage gestellt werden (RIS-Justiz RS0110146, RS0114488, RS0112012).

Indem die Grundrechtsbeschwerde unter eigenständiger Bewertung einzelner Verfahrensergebnisse den alle erheblichen Beweismittel berücksichtigenden Erwägungen des Oberlandesgerichts (BS 2 f) bloß eigene Schlussfolgerungen und Spekulationen gegenüberstellt (etwa, dass die Schilderung des Tatopfers zum „immer wieder geöffneten/zugemachten“ Gürtel angesichts des von diesem beschriebenen Kampfes und des Alkoholkonsums beider Beteiligter nicht lebensnah sei, dass eine solche Auseinandersetzung „an einem Sonntag frühmorgens“ von mehr als einem Nachbarn wahrgenommen hätte werden müssen, und dass die beim Opfer diagnostizierten Prellungen und Zerrungen „viel eher typischen Sturzverletzungen entsprechen“ könnten), zeigt sie weder eine den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungswerten widersprechende und solcherart geradezu willkürliche Begründung (Z 5 vierter Fall) oder einen sonstigen Begründungsmangel auf, noch vermag sie beim Obersten Gerichtshof auf Aktenbasis erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden entstehenden Tatsachen (Z 5a) zu wecken.

Ein Verstoß gegen das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen (§§ 9 Abs 2 und 177 Abs 1 StPO), den der Beschwerdeführer darin erblickt, dass das Oberlandesgericht am 23. Dezember 2010 über seine Beschwerde gegen die Verhängung der Untersuchungshaft vom 7. Dezember 2010 entschied und ihm dieser Beschluss am 28. Dezember 2010 zugestellt wurde, liegt nicht vor:

Die mit 7. Dezember 2010 datierte Beschwerde langte am Donnerstag, dem 9. Dezember 2010 beim Erstgericht ein (ON 36), welches den Akt - nach Übermittlung an die Staatsanwaltschaft zwecks Vervollständigung des Kopienaktes - am Montag, dem 13. Dezember 2010 dem Oberlandesgericht Wien zur Entscheidung über das Rechtsmittel vorlegte (ON 1 S 22), wo dieser am 16. Dezember 2010 einlangte (ON 38). Die Beschlussfassung erfolgte innerhalb von vier Tagen, nämlich bereits am 20. Dezember 2010. Die nach Rücklangen des Aktes beim Erstgericht am 23. Dezember 2010 am selben Tag verfügte Zustellung einer Ausfertigung der Beschwerdeentscheidung an den Verteidiger des Beschuldigten wurde am 24. Dezember 2010 abgefertigt (ON 1 S 31). Eine Säumnis oder gar Inaktivität der befassten Gerichte ist darin in keiner Weise zu ersehen.

Die Kritik an der in der angefochtenen Entscheidung - im Übrigen gesetzeskonform (vgl § 174 Abs 4 StPO) - angeführten Haftfrist geht ins Leere, weil der Mitteilung des Ablauftags im Haftbeschluss nur deklarative Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0097630; Kirchbacher/Rami, WK-StPO § 174 Rz 21 und 27).

Soweit die Beschwerde - an sich zutreffend (vgl auch Achammer, WK-StPO § 53 Rz 42) - eine Verletzung des in § 52 Abs 2 Z 2 und Abs 3 zweiter Satz StPO normierten Rechts auf (gebührenfreie) amtswegige Zustellung von Kopien aller Aktenstücke, die für die Beurteilung des Tatverdachts oder der Haftgründe von Bedeutung sein können, moniert, weil die dem (Wahl-)Verteidiger anlässlich seiner Vorsprache in der zuständigen Geschäftsabteilung (in Entsprechung der richterlichen Verfügung vom 2. Dezember 2010 [ON 1 S 21]) am 7. Dezember 2010 übergebene Aktenkopie die Zeugenvernehmung vom 30. November 2010, die Ambulanzkarte des Wilhelminenspitals samt Blutanalyse sowie den Befund des Polizeiamtsarztes vom 30. November 2010 (ON 31) nicht enthielt, wodurch es ihm unmöglich gewesen sei, sich in seiner Haftbeschwerde mit diesen Verfahrensergebnissen auseinanderzusetzen, steht ihr mangelnde Ausschöpfung des Instanzenzugs entgegen (RIS-Justiz RS0114487). Nach Maßgabe der durch § 1 Abs 1 GRBG verlangten, nicht bloß formalen (nämlich durch Anrufung des Rechtsmittelgerichts), vielmehr auch inhaltlichen Ausschöpfung (vgl § 88 Abs 1 erster Satz StPO) sind im Verfahren über eine Grundrechtsbeschwerde nämlich nur jene - nicht allein die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts betreffenden - Argumente im Sinn des § 3 Abs 1 GRBG beachtlich, welche der Beschwerdeführer bereits in einer zulässigen Beschwerde gegenüber dem Rechtsmittelgericht geltend gemacht hatte (13 Os 55/09a [13 Os 73/09y]). Gegenstand des Erkenntnisses über eine Grundrechtsbeschwerde ist dementsprechend - wie oben dargelegt - ausschließlich die Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Haft, gegen die sich die Beschwerde insoweit gerade nicht richtet. Die jederzeit mögliche Einbringung eines Enthaftungsantrags führt zur neuerlichen Überprüfung der Haftfrage.

Die Grundrechtsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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