European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00057.22X.0824.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten H* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – * H* mehrerer Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (A/1 und [iVm § 15 StGB] 2) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in V*
A/ anderen eine schwere Körperverletzung absichtlich zugefügt (1) oder zuzufügen versucht (2), und zwar
1/ am 29. August 2021 im bewussten und gewollten Zusammenwirken (§ 12 Abs 1 StGB) mit dem abgesondert verfolgten * T* dem * A* eine Kieferfraktur, eine Nasenfraktur mit Dislokation der Bruchstücke (US 5) und eine Gehirnerschütterung, indem H* dem Opfer zunächst einen Faustschlag ins Gesicht versetzte, T* dieses dann zu Boden stieß und beide dem Opfer in der Folge wiederholt gegen den Kopf und das Gesicht traten;
2/ am 9. Jänner 2022 * S*, indem er diesem mit einem Holzstück auf den Kopf zu treffen versuchte und damit in weiterer Folge gegen dessen Oberkörper schlug sowie einen Faustschlag in das Gesicht versetzte.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H* ist nicht im Recht.
[4] Dem zu A/1 erstatteten Vorbringen zuwider sind die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen nicht unvollständig (Z 5 zweiter Fall) begründet. Die Tatrichter stützten sich dabei insbesondere auf die als glaubhaft beurteilten Aussagen des Tatopfers und der Zeugin * Al *, wobei sie geringfügige Abweichungen bei „Kleinigkeiten“ in deren Schilderungen und die Alkoholisierung des Ersteren zur Tatzeit sehr wohl berücksichtigten (US 5 und 8 f). Zu einer Erörterung des vollständigen Inhalts dieser Angaben im Urteil waren sie schon mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten (RIS‑Justiz RS0106642). Indem die Rüge unter selektivem Herausgreifen einzelner Aussagepassagen, teils ohne Berücksichtigung deren Sinnzusammenhangs, vom Erstgericht übergangene Widersprüche in diesen Depositionen behauptet, bekämpft sie der Sache nach bloß die Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit dieser Zeugen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung.
[5] Dass das Erstgericht dem Zeugen A* in – nicht erheblichen – Punkten seiner Darstellung des Geschehens (nämlich hinsichtlich der Frage, ob dieser dem Beschwerdeführer zunächst einen Schlag ins Gesicht versetzt habe, und seiner durch die Tat erlittenen Schmerzen) nicht folgte (vgl US 5 und 9), ihm hingegen in der Schilderung des eigentlichen Tathergangs Glauben schenkte, begegnet unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit keinen Bedenken (RIS‑Justiz RS0098372).
[6] Die Tatrichter gingen ohnehin davon aus, dass der Zeuge * G* keinen der Angeklagten als Täter identifizieren (US 10) und der Zeuge * K* das unmittelbare Tatgeschehen nicht wahrnehmen konnte (US 8 f), weshalb der Verweis auf diese Verfahrensergebnisse keine Unvollständigkeit aufzeigt (vgl RIS‑Justiz RS0098646 [T8]).
[7] Da die Feststellungen zur objektiven Tatseite, insbesondere zu den auch vom Beschwerdeführer gegen den Kopf des am Boden liegenden Opfers versetzten Fußtritten, nach dem Vorgesagten mängelfrei begründet wurden, scheitert das weitere Vorbringen (der Sache nach Z 5 vierter Fall), welches die Ableitung der Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite „aus den äußeren Tatumständen“ (US 10) kritisiert und dabei von einem „anzunehmende(n) Wegfall dieser Voraussetzung (Fußtritte)“ ausgeht. Nach dem Urteilssachverhalt trat der Beschwerdeführer („spätestens zu diesem Zeitpunkt“ [US 5]) im bewussten und gewollten Zusammenwirken (§ 12 erster Fall StGB) mit dem abgesondert verfolgten Mittäter auf das am Boden liegende Opfer ein, weshalb im Übrigen eine genaue Zuordnung dieser Aggressionshandlungen zu den einzelnen Tätern nicht erforderlich ist (vgl RIS‑Justiz RS0090006).
[8] Zu Punkt A/2 stützte das Erstgericht die Feststellungen auf die als glaubhaft erachteten Depositionen der Zeugen S* und N* Th* (US 10), wobei eine Auseinandersetzung mit sämtlichen von der Rüge ins Treffen geführten – den Urteilsannahmen im Übrigen ohnehin nicht entgegenstehenden – Aussagedetails unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit nicht geboten war (erneut RIS-Justiz RS0106642).
[9] Entgegen dem Einwand der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) stellt das Urteil einen Bezug zwischen im Wortlaut zitierten Formulierungen des Zeugen S* nicht nur zum ersten von zwei inkriminierten Schlägen mit dem Holzstück, sondern zu beiden her, weshalb eine erheblich unrichtige Wiedergabe der Aussage nicht vorliegt.
[10] Ebenso wenig erwecken die Entscheidungsgründe (aktenwidrig) den Eindruck, die Zeugin Th* hätte Wahrnehmungen zu den mit dem Holzstück gegen den Kopf des S* geführten Schlägen gehabt. Die Angaben dieser Zeugin werden nur als Beleg (US 8) für die Feststellungen zum Beginn der Auseinandersetzung und dem daraus ableitbaren Gemütszustand des Beschwerdeführers angeführt (US 10).
[11] Die weitere Kritik, die Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite seien mit der Ableitung „aus den äußeren Tatumständen“ offenbar unzureichend begründet, weil das Erstgericht das vom Beschwerdeführer verwendete „Holzstück“ nicht näher beschrieben, sondern bloß festgehalten habe, dass es sich nicht um einen Baseballschläger gehandelt habe (US 11), lässt die gebotene Berücksichtigung der Gesamtheit der Entscheidungsgründe vermissen (RIS‑Justiz RS0119370). Nach dem Urteilssachverhalt hatte der Beschwerdeführer mit diesem Holzstück unmittelbar vor den inkriminierten Schlägen gegen S* die Heckscheibe des von diesem benützten Autos mit einem wuchtigen Hieb zertrümmert (US 6). Die Annahme, bei einem gezielten Schlag gegen den Kopf des Kontrahenten mit diesem (offenbar eine gewisse Massivität aufweisenden) Holzstück sei die Absicht des Täters auf Zufügung einer schweren Körperverletzung gerichtet gewesen, widerspricht nicht den Denkgesetzen oder grundlegenden Erfahrungssätzen (RIS‑Justiz RS0118317). Dass das Opfer durch die Aggressionshandlungen des Beschwerdeführers (teils zufolge gelungener Abwehrhandlungen) nur geringfügige Verletzungen erlitt, steht diesen Schlussfolgerungen (zumal bei Annahme bloßen Versuchs) nicht entgegen.
[12] Weshalb es sich bei der „Kopfregion“ nicht um eine „sensible und für schwere Verletzungen anfällige Körperregion“ handle (vgl hingegen US 11), erklärt die Rüge nicht nachvollziehbar. Spekulationen darüber, dass der inkriminierte Schlag „wohl kaum das Gesicht des Opfers getroffen hätte“, entziehen sich einer inhaltlichen Erwiderung.
[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[14] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizit erhobene) Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 dritter und vierter Satz StPO).
[15] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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