OGH 14Os43/23i

OGH14Os43/23i27.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2023 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Obergruber LL.M. in der Strafsache gegen * I* wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom (richtig:) 14. Dezember 2022, GZ 33 Hv 85/22f‑9, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0140OS00043.23I.0627.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Amtsdelikte/Korruption

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * I* des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB (I.) und des Vergehens der Bestechung nach § 307 Abs 1 StGB (II.) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 28. August 2022 in S*

1. Beamte, nämlich die Polizisten * R* und * T*, mit dem Vorsatz, dadurch den Staat an dessen Recht auf Verfolgung von Verwaltungsübertretungen zu schädigen, wissentlich zu bestimmen versucht, ihre Befugnis, im Namen des Bundes [zu ergänzen: und des Landes Salzburg {vgl Art 11 Abs 1 Z 4 B‑VG}] als dessen [deren] Organe in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich zu missbrauchen, dass sie von einer „Verwaltungsstrafanzeige“ an die (richtig:) Landespolizeidirektion Salzburg und der Abnahme des Führerscheins absehen, obwohl der Angeklagte mit einem Kraftfahrzeug eine rote Ampel im alkoholisierten Zustand (Atemluftalkoholgehalt von 0,9 mg/l [US 3]) missachtet hatte, indem er sie während der Amtshandlung dazu aufforderte, und zwar R* mit der Äußerung: „Nimm das und wir vergessen“, sowie T* mit der Aussage: „Ich bin jung, du bist jung, nimmst du das und wir vergessen das mit Gericht“, wobei er jeweils 60 Euro in Händen hielt;

II. durch die in Punkt I. beschriebenen Handlungen den Amtsträgern R* und T* für die pflichtwidrige Unterlassung eines Amtsgeschäfts, nämlich die Abstandnahme von einer „Verwaltungsstrafanzeige“ an die (richtig:) Landespolizeidirektion Salzburg [zu ergänzen: und das Absehen von der Führerscheinabnahme {US 4}], einen Vorteil, nämlich Bargeld in Höhe von 60 Euro, angeboten.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Der Begründungsmangel der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) liegt vor, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung entgegen der Anordnung des § 270 Abs 2 Z 5 StPO erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) – seinen Feststellungen entgegenstehende – Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS‑Justiz RS0098646). Der Schlussvortrag der Verteidigerin und deren Verhalten während der Hauptverhandlung stellen aber kein Verfahrensergebnis dar, sodass der Vorwurf unvollständiger Begründung darauf nicht gestützt werden kann (vgl RIS‑Justiz RS0119221).

[5] Entgegen der Kritik der weiteren Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) setzten sich die Tatrichter in ihrer Begründung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite (zu I. und II.) ausführlich mit der Aussage des Zeugen T* auseinander (US 5 f). Im Übrigen gibt die Rüge dessen Aussage sinnentstellt wieder, weil er zwar über Nachfrage nach seinem Eindruck nicht mit Sicherheit anzugeben vermochte, ob der Angeklagte das Gespräch verstanden hat, er aber – von der Beschwerde vernachlässigt – weiters angab, nicht das „Gefühl“ gehabt zu haben, dass dies nicht der Fall sei (ON 8 S 9). Zudem sind subjektive Meinungen, Ansichten, Wertungen und Schlussfolgerungen sowie ähnliche intellektuelle Vorgänge kein Gegenstand des Zeugenbeweises (RIS‑Justiz RS0097540), weshalb die geschilderten Einschätzungen des Zeugen keiner Erörterung bedürft hätten.

[6] Indem die weitere Beschwerde (nominell Z 5 fünfter Fall) einen Widerspruch der Konstatierung über eine schwankende, teils aggressive Stimmung „seitens der angehaltenen Personen“ während der Amtshandlung (US 3) zum Akteninhalt behauptet, kritisiert sie nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (§ 283 Abs 1 StPO) die Beweiswürdigung des Erstgerichts hinsichtlich einer im Übrigen nicht entscheidenden Tatsache, die allein den gesetzlichen Bezugspunkt einer Mängel‑ oder Tatsachenrüge bilden würde (RIS‑Justiz RS0099602, RS0117499).

[7] Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) das Fehlen von Feststellungen zur subjektiven Tatseite behauptet, übergeht sie prozessordnungswidrig (vgl RIS‑Justiz RS0099810) die gerade dazu getroffenen Urteilskonstatierungen (US 3 f; vgl im Übrigen RIS‑Justiz RS0105925; Nordmeyer in WK2 StGB § 302 Rz 128).

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[9] Bleibt zu bemerken, dass der Tatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB eine Verknüpfung von Befugnismissbrauch und Rechtsschädigungsvorsatz dergestalt (arg: „dadurch“) verlangt, dass nach der Vorstellung des Täters gerade durch ersteren die Beeinträchtigung von Rechten bewirkt werden soll (RIS‑Justiz RS0129143 [T1]). Da die vorläufige Abnahme des Führerscheins (§ 39 Abs 1 zweiter Satz FSG) allein den Ausschluss alkoholbeeinträchtigter Personen von der weiteren Teilnahme am Straßenverkehr als Lenker eines Kraftfahrzeugs bezweckt (vgl VwGH 10. 2. 2023, Ra 2022/11/0191; zum darauf bezogenen Recht iSd § 302 Abs 1 StGB 15 Os 10/92, 12 Os 121/97 und 14 Os 113/04), wird durch die Abstandnahme von einer solchen Sicherungsmaßnahme das Recht des Staates auf Verfolgung von Verwaltungsübertretungen nicht beeinträchtigt. Die dennoch getroffene Feststellung, wonach der Angeklagte durch das Absehen von der Führerscheinabnahme eine Schädigung des Staates an diesem Recht intendierte (US 4), bleibt insoweit ohne Sachverhaltsbezug (vgl RIS‑Justiz RS0119090). Da die weiteren Urteilskonstatierungen zum Vorsatz des Angeklagten, das staatliche Strafverfolgungsinteresse auch durch die Abstandnahme von der Anzeigeerstattung wegen von ihm begangener Verwaltungsübertretungen zu beeinträchtigen (US 3 f), den Schuldspruch nach § 302 Abs 1 StGB tragen, geht mit dem geschilderten Feststellungsdefizit kein Nachteil für den Angeklagten einher.

[10] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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