Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden der Wahrspruch der Geschworenen und das darauf beruhende Urteil aufgehoben und es wird die Sache zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck als Geschworenengericht verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Nikolas Z***** aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen mehrerer Verbrechen nach § 3g VG schuldig erkannt.
Danach hat er sich
(1) bis zum 15. November 2007 in Axams auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VG bezeichnete Weise mit „Wiederbetätigungsvorsatz“ im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem er ein Schriftstück mit im Urteil im Einzelnen angeführten rassistischen, ausländerfeindlichen und nationalsozialistischen Witzen besaß, welches zur Beeinflussung eines Interessenten- und Sympathisantenkreises im nationalsozialistischen Sinn geeignet war;
(2) im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Benjamin S***** und Markus F***** zwischen Juli und November 2007 im nationalsozialistischen Sinne betätigt, und zwar durch Gründen und Betreiben eines auf die Verbreitung nationalsozialistisch-propagandistischen Gedankenguts gerichteten Clubs in Zirl zur Schaffung eines Rahmens, innerhalb dessen Gleichgesinnte ohne Gefahr der Entdeckung zusammentreffen und rechtsextreme, verhetzende und NS-propagandistische Musik hören und ebensolche Symbole zur Schau stellen konnten, indem er sich bereit erklärte, den von Günther P***** für die Clubgründung aufgenommenen Kredit in der im Urteil näher bezeichneten Höhe und Weise zurückzuzahlen, Getränke einkaufte, Putzdienste verrichtete und auch im Besitz eines Schlüssels zum Clublokal war.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diese Schuldsprüche richtet sich die auf Z 8, 9, 10a, 11 lit a, 11 lit b und 13 des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt.
Deutlich und bestimmt genug (§§ 285a Z 2, 344 StPO) macht der Nichtigkeitswerber (der Sache nach aus Z 11 lit a) zutreffend geltend, dass beiden Schuldsprüchen wegen des Fehlens einer im Wahrspruch festzustellenden Tatsachengrundlage für das Tatbestandsmerkmal einer Betätigung im nationalsozialistischen Sinn ein Rechtsfehler mangels Feststellungen anhaftet (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 616; RIS-Justiz RS0120637).
Da der Tatbestand des § 3g VG - nach Art einer Generalklausel - jede nicht unter §§ 3a bis 3f dieses Gesetzes fallende Art nationalsozialistischer Betätigung umfasst, erfordert eine nach diesem Tatbestand gestellte Hauptfrage an die Geschworenen die Anführung der konkreten Tatumstände, die eine Handlung als Betätigung im nationalsozialistischen Sinn erscheinen lassen. Andernfalls ist eine rechtliche Überprüfung des Wahrspruchs der Geschworenen durch den Schwurgerichtshof gleich wie im Rechtsmittelverfahren durch den Obersten Gerichtshof nicht möglich (RIS-Justiz RS0079817; Lässig in WK² VG § 3g Rz 18).
Der bloße Besitz nationalsozialistischen Propagandamaterials stellt ohne weitere - in der Fragestellung konkretisierend zu beschreibende, etwa auf die Verbreitung jenes Gedankenguts gerichtete - Intention für sich allein noch keine Betätigung im genannten Sinn dar (15 Os 49/04 = RIS-Justiz RS0080014 [T3]; Lässig in WK² VG § 3g Rz 9). Demnach ermöglicht die nur auf den Besitz eines Schriftstücks nationalsozialistisch-propagandistischen Inhalts mit - ohne konkreten Sachverhaltsbezug, sohin zirkulär bezeichnetem -„Wiederbetätigungsvorsatz“ gerichtete Fragestellung in der Hauptfrage 1 keine Subsumtion unter die Deliktsmerkmale des inkriminierten Verbrechens nach § 3g VG.
Mangels Konkretisierung des „nationalsozialistisch-propagandistischen“ Gedankenguts, auf dessen Verbreitung jener (auch) vom Angeklagten gegründete und betriebene Club nach der Hauptfrage 2 gerichtet war, sowie der dort zu hörenden „NS-propagandistischen“ Musik und zur Schau gestellten „eben solchen“ Symbole entbehrt auch diese Hauptfrage der für eine Subsumtion nach dem in Rede stehenden Verbrechen hinreichenden Sachverhaltsgrundlage.
Demzufolge waren - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - der Wahrspruch und das darauf beruhende Urteil in nichtöffentlicher Sitzung sofort aufzuheben (§§ 344 zweiter Satz, 285e StPO) und die Sache an das Landesgericht Innsbruck als Geschworenengericht zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung zu verweisen (§ 351 zweiter Satz StPO).
Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die weiters geltend gemachten Nichtigkeitsgründe. Nur der Vollständigkeit halber ist zum Vorbringen aus Z 11 lit b anzumerken, dass Art 54 SDÜ die Verfolgung einer Tat (nur) dann untersagt, wenn in einem Mitgliedstaat des Übereinkommens der staatliche Strafverfolgungsanspruch durch eine Entscheidung einer dazu befugten Strafverfolgungsbehörde (durch Verurteilung, Verfahrenseinstellung oder Freispruch) verbraucht ist (RIS-Justiz RS0117954), somit aber nicht im Fall einer bloßen Verfahrensanhängigkeit. Beweisergebnisse dazu, dass zu dem von der Hauptfrage 1 umfassten Sachverhalt „seitens der Staatsanwaltschaft Bozen Anklage erhoben wurde und das Verfahren noch als offen behängt“ (ON 128 S 5), vermochten daher kein Verfolgungshindernis zu begründen.
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