OGH 14Os40/20v

OGH14Os40/20v9.6.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Juni 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Walter, LL.M., LL.M., BSc, in der Strafsache gegen ***** S***** wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 27. Jänner 2020, GZ 8 Hv 135/19w‑29, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0140OS00040.20V.0609.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die gegen den Strafausspruch und das Adhäsionserkenntnis gerichtete Berufung der Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde ***** S***** des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie am 26. Juni 2017 in G***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Mag. ***** K***** und ***** S***** durch die wahrheitswidrige Vorgabe, sie habe zu Lebzeiten ihres verstorbenen Ehemannes ***** S***** keine (der Hinzurechnung nach §§ 781 ff ABGB unterliegenden) Schenkungen von diesem erhalten, jeweils zur Geltendmachung eines Pflichtteils auf der Grundlage eines mit Blick auf die tatsächlichen (auf die Pflichtteilsansprüche anzurechnenden) Vorempfänge in Höhe von 247.203,42 Euro zu geringen Werts der Verlassenschaft, sohin zu Handlungen zu verleiten versucht, die die Getäuschten im Betrag von jeweils 41.200,57 Euro am Vermögen schädigen sollten.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a und c StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten ist nicht im Recht.

Dem Einwand von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat sich das Erstgericht mit der Verantwortung der Beschwerdeführerin in ihrer Gesamtheit auseinandergesetzt und dargelegt, aus welchen Gründen es dieser nicht zu folgen vermochte (US 6 ff). Zu einer gesonderten Auseinandersetzung mit einzelnen – von der Beschwerde relevierten – Details dieser Einlassung bestand daher keine Verpflichtung (

RIS‑Justiz RS0098642 [T1]).

Davon abgesehen bezieht sich die Rüge prozessordnungswidrig nicht deutlich und bestimmt auf eine Feststellung zu entscheidenden Tatsachen, der die als übergangen reklamierten Angaben der Angeklagten, wonach sie und der Verstorbene (nach dessen Scheidung im Jahr 1982) „eigentlich“ vom Einkommen der Beschwerdeführerin gelebt hätten und immer wieder Gerichtsverfahren zwischen ihrem Ehemann und dessen Töchtern geführt worden seien (ON 25 S 3), erörterungsbedürftig entgegenstehen sollen (RIS‑Justiz RS0130729).

Ihre subjektive Einschätzung der Eigentumsverhältnisse am verfahrensgegenständlichen Wertpapierdepot blieb hinwieder – von der Beschwerde übergangen – nicht unberücksichtigt (US 8 ff). Aus welchem Grund die diesbezügliche Erläuterung der Angeklagten, sie sei Mitinhaberin des Depots und darüber verfügungsberechtigt gewesen (ON 25 S 4), in objektiver Hinsicht (zur Klärung der entsprechenden Rechtsfrage; vgl zur Differenzierung zwischen Hinterleger/Depotinhaber und Eigentümer 10 Ob 30/12b sowie zum Ganzen 2 Ob 130/16f) relevant sein oder die eingangs angeführten Depositionen „eine Schenkung aus sittlicher Pflicht“ (§ 784 ABGB) „nahe legen“ sollten (vgl dazu auch Welser ,

Erbrechts‑Kommentar § 784 ABGB Rz 5 ff), bleibt im Übrigen unklar.

Bei ihrer – nach Art einer

Aufklärungsrüge (Z 5a) vorgetragenen – Kritik am Unterbleiben einer Befragung der „Notarin“ dazu, ob im Verlassenschaftsverfahren eine Information der Beteiligten über die gesetzlichen Ausnahmen einer Hinzu- und Anrechnung der Schenkung nach § 784 ABGB erfolgte, gibt die Beschwerdeführerin nicht bekannt, wodurch sie an einer zielgerichteten Fragestellung an die – als Gerichtskommissärin im Verlassenschaftsverfahren nach ***** S***** fungierende – Zeugin Mag. ***** T***** in der Hauptverhandlung am 27. Jänner 2020 (ON 28 S 3 ff) gehindert war (RIS‑Justiz RS0115823). Die Behauptung, es sei ein diesbezüglicher „Beweisantrag … mangels erkennbarer Notwendigkeit“ nicht gestellt worden, weil das Erstgericht „eine korrekte Aufklärung nicht in Zweifel gezogen“ habe und „die mangelnde Aufklärung“ daher „gar nie Thema“ gewesen sei, ist mit Blick auf die gerade zum Inhalt der Belehrungen durchgeführte Vernehmung der Zeugin T***** und die dazu verlesenen Urkunden (ON 15 und 22 iVm ON 28 S 5; vgl auch US 5) unverständlich.

Mit dem erneuten Hinweis auf Teile der Verantwortung der Angeklagten (vgl dazu erneut US 6 ff) und eine einzelne – zudem sinnentstellt zitierte – Passage der Aussage der zuletzt genannten Zeugin gelingt es der Tatsachenrüge (Z 5a) nicht, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen zu wecken. Mit dem weiteren Vorbringen leitet sie solche nicht aus den Akten, sondern

bloß

aus

Erwägungen der Tatrichter und – auf Basis allgemeiner spekulativer Überlegungen – aus der

„Lebenserfahrung“ ab und verlässt solcherart den Anfechtungsrahmen einer Tatsachenrüge (RIS‑Justiz RS0119310, RS0119424).

Der – unter Berufung auf die Urteilspassage, nach der der Geschenkgeber „auf die Wertpapierdepots zuvor immer wieder Gelder einbezahlt hatte, die er sich durch seine überdurchschnittliche Pension oder sonstige Erträge erspart hatte“ (US 4), erhobene – Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit a), die konstatierten Schenkungen würden insoweit (also in Ansehung der Übertragung von Wertpapieren aus diesem Depot an die Beschwerdeführerin; US 3) mangels Schmälerung des Stammvermögens (§ 784 ABGB) keinen (auf die Pflichtteilsansprüche anzurechnenden) Vorempfang nach §§ 781 ff ABGB darstellen, womit das Erstgericht rechtsirrig von einer diesbezüglichen Offenlegungspflicht im Verlassenschaftsverfahren, einer durch die Verschweigung der Schenkung bewirkten Täuschung der Pflichtteilsberechtigten und einer daraus resultierenden (möglichen) unrechtmäßigen Bereicherung der Beschwerdeführerin ausgegangen sei, erschöpft sich in einer nicht methodengerecht aus dem Gesetz abgeleiteten Rechtsbehauptung.

Bleibt mit Blick auf § 290 StPO anzumerken, dass bei der Beurteilung der Frage, ob das Stammvermögen betroffen ist oder nur die Einkünfte geschmälert sind (§ 784 ABGB), entgegen dem Beschwerdestandpunkt nicht das gesamte Lebenseinkommen des Geschenkgebers heranzuziehen ist. Einkünfte

, die nach Abzug der für den Lebensunterhalt, die laufenden Verbindlichkeiten und die erforderliche Vorsorge notwendigen Beträge verbleiben, werden vielmehr nach einer gewissen Zeit (von etwa einem Jahr) Teil des Stammvermögens. Aperiodische oder besonders große Einkünfte dienen der Bildung des Vermögensstamms oder auch der Vorsorge und sind insoweit gleichfalls von der Ausnahme nach § 784 ABGB nicht erfasst (Welser,

Erbrechts‑Kommentar § 784 ABGB Rz 3;

RIS-Justiz

RS0127008 [zur im gegebenen Zusammenhang gleichlautenden Bestimmung des § 785 Abs 3 ABGB idF BGBl 1978/208]).

Dass ***** S***** die von den inkriminierten– nach den Feststellungen durch Übertragung von Wertpapieren aus dem angesprochenen Depot und Guthaben auf 13 Sparbüchern im Wert von insgesamt 247.203,42 Euro im Zeitraum von (nur) Weihnachten 2016 bis Neujahr 2017 erfolgten – Schenkungen umfassten Vermögenswerte über einen (zumindest mehrere Jahre umfassenden) Zeitraum sukzessive angespart hatte, ist den – von der Beschwerde teilweise zitierten – Feststellungen (US 2 ff) mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen. Sie zählten damit zum Stammvermögen des Geschenkgebers, sodass das Erstgericht mit Recht nicht vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 784 erster Fall ABGB ausging.

Soweit die Beschwerde Feststellungen zum Schenkungsmotiv des Verstorbenen vermisst (Z 9 lit a), spricht sie entgegen ihrem Standpunkt keinen Rechtsfehler mangels Feststellungen, sondern einen Feststellungsmangel an (zur Abgrenzung Ratz, WK-StPO § 281 Rz 611).

In der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse, die einen Ausnahmetatbestand nach § 784 ABGB indiziert hätten, werden jedoch nicht genannt. Damit verfehlt die Rüge die Ausrichtung am Verfahrensrecht (RIS‑Justiz

RS0118580 [zu den Voraussetzungen prozessordnungsgemäßer Geltendmachung eines Feststellungsmangels]).

Gleiches gilt für das weitere – auf Z 9 lit c gestützte – Vorbringen, inhaltlich dessen die Beschwerde mit Blick auf § 166 Abs 1 und 3 StGB unsubstantiiert Konstatierungen dazu reklamiert, ob die Angeklagte (im Tatzeitraum) mit den Tatopfern, den Töchtern ihres verstorbenen Ehegatten, in Hausgemeinschaft lebte,

ohne ein darauf hinweisendes,

in der Hauptverhandlung vorgekommenes Tatsachensubstrat anzuführen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung ebenso sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO) wie die im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässige, von der Angeklagten ausdrücklich angemeldete (ON 31) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (§§ 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die gegen den Ausspruch über die Strafe und das Adhäsionserkenntnis gerichtete Berufung der Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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