European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0140OS00024.18P.0306.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der vom Schuldspruch I/5 umfassten Tat (auch) nach § 131 erster Fall StGB, demgemäß auch in der zu I gebildeten Subsumtionseinheit, im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie im Zuspruch an die Privatbeteiligten Hermann Be***** und K***** GmbH aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Mit seiner gegen den Ausspruch über die Strafe und über die privatrechtlichen Ansprüche des Hermann Be***** und der K***** GmbH gerichteten Berufung wird der Angeklagte ebenso auf diese Entscheidung verwiesen wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung gegen den Strafausspruch.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Marian B***** – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde und die amtswegige Maßnahme relevant – des Verbrechens des durch Einbruch begangenen räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 1, 131 erster Fall, 15 StGB (I) und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB (III) schuldig erkannt.
Danach hat er
(I) in K***** und an anderen Orten Österreichs Nachgenannten fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz teils durch Einbruch (5) weggenommen und wegzunehmen versucht (2, 5), und zwar:
...
5) am 24. August 2017 Bettina Be***** 19 Zigarettenpackungen diverser Sorten im Gesamtwert von 91,10 Euro, indem er zunächst über ein gekipptes Fenster in den Gastraum des Gasthauses „*****“ einstieg und sodann die Zigarettenpackungen an sich nahm, wobei er bei seiner Betretung auf frischer Tat Gewalt gegen eine Person anwandte und sie mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) bedrohte, um sich die weggenommene Sache zu erhalten, indem er mit dem ihn verfolgenden und wegen des Diebstahls zur Rede stellenden Hermann Be***** rang und diesen mit einem Stein zu attackieren versuchte, wobei der Genannte eine Verstauchung sowie eine Prellung des linken Handgelenks erlitt und die Tat lediglich deshalb beim Versuch blieb, weil Hermann Be***** heftigen Widerstand leistete;
…
(III) am 13. Oktober 2016 in einem Regionalzug die Zugbegleiterin Ingrid F***** durch gewaltsames Entreißen des Ausweises und Umbiegen der linken Hand am Körper misshandelt und dadurch fahrlässig eine Verletzung, nämlich eine Kapselprellung des linken Zeigefingers, bewirkt.
Unmittelbar nach Urteilsverkündung, Rechtsmittelbelehrung und Rücksprache mit seinem Verteidiger erbat sich der Angeklagte
drei Tage Bedenkzeit (ON 34 S 9).
Mit am 6. November 2017 eingebrachtem Schriftsatz meldete sein Verteidiger ohne weitere Ausführungen „das Rechtsmittel der Berufung“ an (ON 37).
Nach Zustellung einer Urteilsausfertigung (am 20. November 2017; vgl RS bei ON 35) führte dieser gegen das vorgenannte Urteil eine Nichtigkeitsbeschwerde sowie eine Berufung gegen die Aussprüche über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche der Privatbeteiligten Hermann Be***** und K***** GmbH
aus (ON 43).
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 284 Abs 1 erster Satz StPO ist die Nichtigkeitsbeschwerde binnen drei Tagen nach Verkündung des Urteils anzumelden.
Zwar kommt es bei der Anmeldung eines Rechtsmittels weder auf die Wortwahl noch auf die Einhaltung einer bestimmten Form an (RIS-Justiz RS0101785,
RS0099951; vgl allerdings § 84 Abs 2 StPO). Zur Rechtzeitigkeit und Beachtlichkeit einer Nichtigkeitsbeschwerde ist die deutliche und bestimmte Erklärung erforderlich, ein bezeichnetes Urteil wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe anzufechten (
RIS‑Justiz RS0100007).
Das ist bei der hier vorliegenden bloßen Anmeldung einer „Berufung“ durch den von einem Verteidiger vertretenen Angeklagten gerade nicht der Fall (RIS‑Justiz RS0099056; zum Ganzen Ratz, WK‑StPO § 284 Rz 7).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 iVm §
285a Z 1 StPO).
Bleibt anzumerken
, dass dieser auch bei rechtzeitiger Anmeldung keine Berechtigung zugekommen wäre, weil dem Urteil weder der zum Schuldspruch I/5 geltend gemachte Begründungsmangel (Z 5 vierter Fall) noch der behauptete Subsumtionsfehler (Z 10) zum Schuldspruch III anhaftet.
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch von einem dem Angeklagten nachteiligen Subsumtionsfehler zum Schuldspruch I/5 (Z 10), der von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
Die Annahme der Qualifikation des § 131 erster Fall StGB setzt in subjektiver Hinsicht – soweit hier wesentlich – die Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) des Täters voraus, sich oder einem Dritten eine weggenommene Sache durch Gewaltanwendung oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) zu erhalten (vgl dazu Stricker in WK² StGB § 131 Rz 44; RIS-Justiz RS0093586).
Die in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen des Erstgerichts, nach denen der Angeklagte es ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, sich die weggenommenen Zigarettenpackungen durch den Einsatz der in § 131 StGB genannten Tatmittel zu erhalten (US 8), bringen nur bedingten Vorsatz (§ 5 Abs 1 StGB) zum Ausdruck und vermögen daher die vorgenommene Subsumtion nicht zu tragen.
Die Verwendung der verba legalia („um sich die weggenommene Sache zu erhalten“) im Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO; US 2) könnte zwar (getroffene) Feststellungen verdeutlichen, vermag aber (wie hier anderslautende) Konstatierungen zu entscheidenden Tatsachen nicht zu ersetzen (RIS‑Justiz RS0114639).
Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen erfordert die Aufhebung des Urteils im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang (demnach auch des Zuspruchs an die Privatbeteiligten Hermann Be***** und K***** GmbH, die aus der Gewaltanwendung gegen den Erstgenannten resultierende Ansprüche betreffen; US 4, 7 f und 11; Spenling , WK-StPO § 366 Rz 33) bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) und insoweit die Verweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht.
Mit ihren Berufungen gegen den Ausspruch über die Strafe waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft, Ersterer auch mit seiner (nur) gegen das die eben genannten Privatbeteiligten betreffende Adhäsionserkenntnis gerichteten Berufung auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung, die sich nicht auf die
amtswegige Maßnahme bezieht ( Lendl , WK-StPO § 390 Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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