OGH 14Os162/10w

OGH14Os162/10w28.12.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Dezember 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fries als Schriftführer in der Strafsache gegen DI Dr. Wassil N***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13. Juli 2010, GZ 083 Hv 74/09y-30, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde DI Dr. Wassil N***** von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe „in der Zeit vom 19. November 1999 bis zum 31. Juli 2006 in Wien als Gesellschafter der unter der Einzelfirma 'N*****' firmierenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts seine ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht und dadurch seinem Mitgesellschafter Dr. Ronald R***** einen Vermögensnachteil in einem 50.000 Euro übersteigenden Ausmaß zugefügt, indem er nahezu sämtliche Erlöse der Gesellschaft aus dem Verkauf der Ampullen des Krebsmittels '*****' nicht in das Gesellschaftsvermögen einfließen ließ und auch den seinem Mitgesellschafter zustehenden Anteil von mindestens 19.800.000 Euro entnahm und für eigene Zwecke verwendete“, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen (vgl zum verfehlten Freispruch auch von der rechtlichen Kategorie Lendl, WK-StPO § 259 Rz 1).

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus den Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft kommt keine Berechtigung zu.

Der Verfahrensrüge (Z 4) ist vorweg zu erwidern, dass bei der Prüfung der Antragsberechtigung stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Antragstellung und den dabei vorgebrachten Gründen auszugehen ist (RIS-Justiz RS0099618; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325). Erst im Rechtsmittel nachgetragene Gründe für die Antragstellung verstoßen gegen das für die Prüfung eines Zwischenerkenntnisses geltende Neuerungsverbot und sind daher unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099117). Die Richtigkeit der Begründung für eine abweisliche Entscheidung steht nicht unter Nichtigkeitssanktion, wenn nur dem Antrag auch nach der - auf den Zeitpunkt der Antragstellung bezogenen - Ansicht des Obersten Gerichtshofs keine Berechtigung zukam (RIS-Justiz RS0121628; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 318).

Einem Beweisantrag muss - soweit dies nicht offensichtlich ist (§ 55 Abs 1 und Abs 2 Z 1 und Z 2 StPO) - zu entnehmen sein, warum die beantragte Beweisaufnahme das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erwarten lasse (widrigenfalls ein unzulässiger Erkundungsbeweis vorliegt; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330), und inwieweit dieses für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage von Bedeutung ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327 f).

Soweit die Rüge auf die (entgegen der Vorschrift des § 238 Abs 3 StPO inhaltlich ausschließlich in den Urteilsgründen erfolgte) Begründung der abweisenden Entscheidung abstellt, verfehlt sie demnach den Bezugspunkt.

Der Antrag auf Vernehmung des Oleh Z***** und der Ingeborg M***** als Zeugen (ON 29 S 83) zum Beweis dafür, dass diese keine Gratisampullen erhalten, sondern „entweder dafür bezahlt“ haben oder „es sich um sonstige Gefälligkeitsbestätigungen“ handelte, ließ nicht erkennen, warum dieser Verfahrensschritt das behauptete Ergebnis erwarten lasse. Er war demnach ebenso auf eine im Hauptverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet wie der Antrag auf Beauftragung des Sachverständigen mit einer Ergänzung des Gutachtens darüber, „ob sich bereits im Jahr 1999 aus den Unterlagen des Angeklagten Gratisabgaben finden“ (ON 29 S 83).

Auch das Begehren auf Vernehmung des Dr. Burghard A***** als Zeuge zum Beweis dafür, dass der Angeklagte niemals Gratisampullen in der von ihm behaupteten Höhe abgegeben hat (ON 29 S 83), verfiel zu Recht der Abweisung. Im Hinblick auf den Inhalt des in der Hauptverhandlung als Beilage 2 zum Akt genommenen (ON 29 S 51) und erörterten (ON 29 S 87) Schreibens des Genannten, wonach er die Zahlen des Angeklagten, der „versessen auf Geld“ sei, für „absolut unglaubwürdig“ halte, und welches sich demnach in nicht den Gegenstand des Zeugenbeweises bildenden Mutmaßungen und Meinungen erschöpfte (vgl RIS-Justiz RS0097545 [T8]), hätte es nämlich einer näheren Darlegung bedurft, inwieweit dessen Aussage zur Widerlegung der Verantwortung des Angeklagten geeignet gewesen wäre.

Auch der Antrag auf „Beischaffung der vom Sachverständigen zitierten Ordner für die Jahre 1999 bis 2006, aus welchen sich die angeblichen Gratisabgaben ergeben“ (ON 29 S 85), ließ nicht erkennen, inwieweit deren bloße Besichtigung geeignet sein sollte, zu deren Beurteilung als Scheinunterlagen zu führen.

Soweit die Mängelrüge (Z 5) vermeint, „Barzahlungen an 300 verschiedene Personen als Provisionen für die Vermittlung der Herstellung wissenschaftlicher Studien“ seien „ein ungewöhnlicher Vorgang“, welcher im Wirtschaftsleben „atypisch“ sei, und solcherart den Wahrheitsgehalt der Bestätigungen über Barzahlungen an zahlreiche Personen in Zweifel zieht, zeigt sie keine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen, wonach zu den Aufwendungen des Unternehmens „N*****“ auch Ausgaben für wissenschaftliche Tätigkeiten zählten, die in den Jahren 2000 und 2006 in Form von Barzahlungen als Provisionen und Zahlungen für Studien betreffend des Wirkstoffs „*****“ geleistet wurden (US 10 f), auf, sondern bekämpft lediglich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung die Beweiswürdigung der Tatrichter, welche diese Konstatierungen ohne Verstoß gegen die Gesetze folgerichtigen Denkens oder grundlegende Erfahrungssätze aus der (auch aufgrund des persönlichen Eindrucks) als glaubwürdig erachteten Verantwortung des Angeklagten und dem Fehlen von diese widerlegenden Verfahrensergebnissen ableiteten (US 13).

Entsprechendes gilt für das Vorbringen, das Erstgericht hätte „nachvollziehbar erläutern müssen“, wie es über die „naheliegende Deutung dieser Verfahrensergebnisse“ als (von der Staatsanwaltschaft zum Nachteil des Angeklagten behaupteter) „Beweismittelfälschung hinweggekommen ist“, mit dem überdies das Wesen des Grundsatzes der Unschuldsvermutung verkannt wird.

Soweit die Rüge den aus dem Aussageverhalten des Angeklagten und dessen Schreiben vom 11. August 2008 gezogenen Schlüssen in Betreff der Menge der jährlich abgegebenen Ampullen (US 14 f) bloß eigene Auffassungen und Erwägungen gegenüberstellt, überschreitet sie ebenfalls die Grenze zur im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Gegenstand der Rechtsrüge ist ausschließlich der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts mit dem festgestellten Sachverhalt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581).

Nach den Urteilsannahmen war der Angeklagte ab Aufkündigung der Grundsatzvereinbarung am 26. Juni 2000, spätestens aber mit Kündigung der Vollmacht des Dr. Ronald R***** am 7. Oktober 2000 der Überzeugung, dass die Grundsatzvereinbarung nicht mehr bestehe (US 11); er wusste auch nicht, dass ihm mit der Grundsatzvereinbarung eine Verfügungsbefugnis über fremdes Vermögen, nämlich des Mitgesellschafters Dr. R*****, eingeräumt wurde (US 8). Indem die Rüge (Z 9 lit a) diese Konstatierungen zur subjektiven Tatseite eingangs zwar erwähnt und zunächst auch das Vorliegen eines Tatbildirrtums zugesteht, in Ansehung des Tatzeitraums von 12. Juni 2003 bis 31. Juli 2006 allerdings nicht an diesen festhält, sondern ihnen mit Blick auf die Klagseinbringung am 12. Juni 2003 (US 9) konträre Behauptungen entgegensetzt, verfehlt sie die prozessordnungsgemäße Darstellung materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

Dass der Irrtum des Angeklagten ab der Klagseinbringung „bereits im Juni 2003 den Charakter eines vorsatzausschließenden Bedeutungsirrtums verloren“ hätte und „zu einem schlichten Verbotsirrtum nach § 9 StGB und der dadurch vorwerfbaren mangelhaften Erkundung der Rechtslage mutiert“ wäre, wird nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz abgeleitet (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

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