Spruch:
Mara T***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Gegen Mara T***** wurde bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verbrechen des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall, 15 StGB und des gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 148 erster Fall, 15 StGB sowie der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB und der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB geführt. Über Antrag der Staatsanwaltschaft (ON 1 S 2) wurde über die Genannte vom Einzelrichter des Landesgerichts Innsbruck am 23. August 2013 die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO verhängt (ON 5a).
Die Beschuldigte war nach ihrer Festnahme vom 21. August 2013 von der Kriminalpolizei am 22. August 2013 zum Verdacht mehrerer Geldtaschendiebstähle vernommen worden (ON 2 S 11 ff). Der Beschlussfassung durch den Einzelrichter ging der Versuch einer Befragung am Vormittag des 23. August 2013 voraus, der wegen Aggressivität der Beschuldigten und aufgrund ihrer Erklärung, mit dem Gericht nicht reden zu wollen, zur Beiziehung einer Dolmetscherin abgebrochen wurde (ON 4 S 3). Ein weiterer Vernehmungsversuch - nun im Beisein einer Dolmetscherin - vom Nachmittag desselben Tages scheiterte dem Vermerk im Protokoll zufolge, weil sich die Beschuldigte nach Aufnahme ihrer Personalien derart erregte, dass wegen ihres aggressiven Verhaltens „zum Schutz aller Beteiligten […] die Vernehmung […] abgebrochen“ werden musste (ON 4). Der Ermittlungsrichter hielt in einem Aktenvermerk vom 23. August 2013 weiters fest, dass aufgrund des Gebarens der Beschuldigten und deren Mitteilung an die Dolmetscherin, sie habe das Gefühl, in der Haft vergiftet zu werden, die Notwendigkeit einer fachärztlichen Überprüfung ihrer Zurechnungsfähigkeit indiziert erscheine (ON 1 S 3).
Rechtliche Beurteilung
Der gegen die Verhängung der Untersuchungshaft erhobenen Beschwerde der Beschuldigten (ON 17), die - soweit hier von Relevanz - die Unterlassung einer Vernehmung zur Sache und zu den Voraussetzungen der Untersuchungshaft vor deren Verhängung „trotz faktischer Möglichkeit“ kritisierte, gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluss vom 13. September 2013, AZ 6 Bs 309/13m (ON 31), nicht Folge und setzte die Untersuchungshaft aus demselben Haftgrund fort, nachdem die Beschuldigte zwischenzeitig am 12. September 2013 auch gerichtlich vernommen worden war (ON 28). Soweit hier von Bedeutung führte es aus, Mara T***** sei nach dem Aktenvermerk des Ermittlungsrichters am 23. August 2013 nicht vernehmungsfähig gewesen, weshalb die Untersuchungshaft auch ohne ihre vorhergehende Vernehmung verhängt werden durfte; durch die Befragung vom 12. September 2013 sei den „Bestimmungen“ über die Untersuchungshaft (erkennbar gemeint: der Pflicht zur ehestmöglichen Nachholung der Vernehmung) entsprochen worden.
Aufgrund der telefonischen Mitteilung des bestellten Sachverständigen vom 3. Oktober 2013, die Beschuldigte sei zu den Tatzeitpunkten zurechnungsunfähig gewesen, zog die Staatsanwaltschaft Innsbruck den Haftantrag am selben Tag zurück, woraufhin Mara T***** noch an diesem Tag aus der Untersuchungshaft entlassen wurde (ON 1 S 12 f; IVV-Auszug). Mittlerweile wurde das Ermittlungsverfahren am 8. Oktober 2013 aus dem Grund des § 190 Z 1 StPO iVm § 11 StGB eingestellt.
Gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 13. September 2013 richtet sich die Grundrechtsbeschwerde der Mara T***** (ON 32), der keine Berechtigung zukommt.
Den Prozessgegenstand des Obersten Gerichtshofs bei einer Entscheidung nach dem Grundrechtsbeschwerdegesetz bildet nicht die Haft, sondern die vom Oberlandesgericht getroffene Entscheidung über die Haft, im vorliegenden Fall somit die Entscheidung über die Zulässigkeit der Verhängung der Untersuchungshaft ohne vorangegangene gerichtliche Vernehmung der Beschuldigten.
Die Tatsachengrundlage, nach welcher der für die Verfahrensfrage verantwortliche Organwalter seine Entscheidung in der jeweiligen Verfahrensfrage (hier: Verhängung der Untersuchungshaft ohne vorangehende gerichtliche Vernehmung) ausgerichtet hat, ist einer Überprüfung auf Willkür und Begründungsmängel zugänglich. Wurde der reklamierte Vorgang aufgrund einer (Haft-)Beschwerde überprüft, geben die Sachverhaltsannahmen (samt Begründung) des zuletzt entscheidenden Organwalters oder Spruchkörpers - bezogen auf den Zeitpunkt der kritisierten Verfahrenshandlung oder Unterlassung - den Ausschlag (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 40 ff im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Verfahrensmängeln mit Nichtigkeitsbeschwerde; RIS-Justiz RS0118977 zur Bekämpfung der Sachverhaltsgrundlage bei prozessleitenden Anordnungen).
Die vom Oberlandesgericht Innsbruck aus dem Aktenvermerk vom 23. August 2013 abgeleitete Vernehmungsunfähigkeit der Beschuldigten zu diesem Zeitpunkt (ON 31 S 3) als Voraussetzung für die (ausnahmsweise) Zulässigkeit der Verhängung der Untersuchungshaft auch ohne vorhergehende gerichtliche Vernehmung (vgl dazu RIS-Justiz RS0119235; Kirchbacher, WK-StPO § 173 Rz 19; Kier in WK² GRBG § 2 Rz 85 f) ist dem Vorbringen der Grundrechtsbeschwerde zuwider unter dem Gesichtspunkt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden, weil das Beschwerdegericht sich daran orientierte, dass die Festgenommene aufgrund ihres psychischen Zustands faktisch nicht in der Lage war, eine Aussage abzulegen, und beim zuständigen Einzelrichter den Eindruck der Zurechnungsunfähigkeit erweckte. Mit dem Vorbringen, Letzterer habe sich im Beschluss vom 23. August 2013 bei Schilderung der Umstände seiner gescheiterten Befragungsversuche selbst nicht (ausdrücklich) auf die Frage der Vernehmungsfähigkeit der Beschuldigten bezogen (ON 5a BS 4), es sei dazu vom Beschwerdegericht kein „medizinisches“ Gutachten eingeholt worden und Mara T***** habe am Vortag vor der Polizei ohne Weiteres zur Sache aussagen können, vermag die Grundrechtsbeschwerde weder Willkür noch eine den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widersprechende Begründung hinsichtlich der vom Beschwerdegericht unter Berücksichtigung der gesamten Aktenlage für den Entscheidungszeitpunkt des Erstrichters (23. August 2013) getroffenen Annahme einer solchen aufzuzeigen.
Der weitere Einwand, die gerichtliche Vernehmung der Beschuldigten sei nicht zum ehestmöglichen Zeitpunkt nach Wiedereintritt der vermuteten Vernehmungsfähigkeit erfolgt (vgl dazu neuerlich RIS-Justiz RS0119235; 11 Os 140/08k), scheitert an der Nichterschöpfung des Instanzenzugs, weil eine solche Verzögerung in der Haftbeschwerde nicht kritisiert wurde (vgl RIS-Justiz RS0061119; RS0114487; Kier in WK² GRBG § 1 Rz 43).
Im Übrigen erschöpft sich das diesbezügliche Beschwerdevorbringen in der - alleine unter Hinweis auf die „ohne Zwischenfälle und ohne Bedenken in Bezug auf eine Vernehmungsunfähigkeit“ durchgeführte Vernehmung der Beschuldigten am 12. September 2013 aufgestellten - These, es sei „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen“, dass diese Befragung keinesfalls zum ehestmöglichen Zeitpunkt erfolgte, womit eine ungerechtfertigte Säumnis des Erstgerichts bei Gewährung des von §§ 173 Abs 1, 174 Abs 1 StPO und Art 4 Abs 3 PersFrG geforderten unverzüglichen rechtlichen Gehörs in Haftsachen nicht substantiell behauptet wird (vgl dagegen im Übrigen die Mitteilungen des von der Staatsanwaltschaft bereits am 26. August 2013, mit der Erstellung eines Gutachtens zur Zurechnungsfähigkeit der Beschuldigten beauftragten [ON 1 S 5 und ON 6] Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Psychiatrie vom 28., 29. und 30. August 2013, wonach eine Befundaufnahme aufgrund des Zustands [einer vermuteten Haftpsychose] der - seit dem 28. August 2013 zur psychiatrischen Behandlung im LKH Hall aufgenommenen [ON 18] - Beschuldigten scheiterte und beabsichtigt sei, nach einer Kontaktaufnahme mit dem behandelnden Arzt nach Ablauf einer Woche einen neuerlichen entsprechenden Versuch zu unternehmen [ON 1 S 6 f]).
Insgesamt wurde Mara T***** daher in ihrem Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb ihre Grundrechtsbeschwerde - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.
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