Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gerhard E***** mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I), des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II), mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (III) sowie je eines Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB (IV) und nach § 83 Abs 1 StGB (V) schuldig erkannt.
Danach hat er in G*****
I. von Juni 2004 bis etwa 2005 mit der am 16. September 1992 geborenen Lisa-Marie E***** dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er ihr in etwa drei bis vier Angriffen seinen Finger in die Scheide einführte;
II. zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt zwischen Juni 2004 bis 2005 an der Genannten eine geschlechtliche Handlung vorgenommen, indem er sie an den Hüften packte, sie auf sich hob und ihren Unterleib auf seinem Genitalbereich hin und her schob, wobei beide jeweils nur mit einem Pyjama bekleidet waren;
III. unter Ausnützung seiner Stellung „als Stiefvater“ an der seiner Erziehung und Aufsicht unterstehenden (im Tatzeitraum richtig: Tochter seiner damaligen Lebensgefährtin; vgl US 3) Lisa-Marie E***** durch die unter I und II geschilderten Taten sowie dadurch geschlechtliche Handlungen vorgenommen, „um sich dadurch geschlechtlich zu erregen“, dass er sich ihr im Sommer 2007 von hinten annäherte und ihr mit beiden Händen an die Brüste griff, wobei sie nur mit einem Bikini bekleidet war;
IV. Lisa-Marie E***** „zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Zeitraum Juni 2004 bis 2007“ am Körper misshandelt und dadurch fahrlässig verletzt, indem er ihr mit der flachen Hand Schläge auf ihr Gesäß versetzte, wodurch sie Hämatome erlitt;
V. Lisa-Marie E***** im Jänner 2010 vorsätzlich am Körper verletzt, indem er ihr mit einer hölzernen Pfeffermühle einen Schlag versetzte, wodurch sie eine blutende Wunde und ein Hämatom am rechten Unterschenkel erlitt.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus den Gründen der Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch das abweisliche Zwischenerkenntnis (ON 16 S 44 f) über den Ablehnungsantrag betreffend die dem Verfahren beigezogene psychologische Sachverständige Dr. Maria-Magdalena R***** sowie über den unter einem auch „zur Widerlegung der Schlussfolgerungen des vorliegenden Gutachtens (dieser Sachverständigen) bzw zum Beweis dafür, dass die Aussagen Lisas nicht elebnisbasiert sind“, und zur „Feststellung“, dass die posttraumatische Belastungsstörung Letztgenannter „auch auf andere Ursachen als auf sexuellen Missbrauch zurückzuführen sein kann“, gestellten Antrag auf Einholung eines weiteren fachpsychologischen Gutachtens (ON 16 S 43 f) Verteidigungsrechte nicht geschmälert.
Aus den zur Fundierung des Ablehnungsbegehrens alleine ins Treffen geführten - in der Beschwerde isoliert zitierten und sinnentstellt interpretierten - Ausführungen Dr. R*****s zur Überprüfung der Qualität einer Aussage anhand sogenannter Realkennzeichen ergeben sich dem Rechtsmittelstandpunkt zuwider keinerlei Anhaltspunkte für deren Befangenheit. Vielmehr hat die Genannte lediglich referiert, dass es an dieser Methode „inzwischen sehr viel Kritik gebe“, weil die Realkennzeichen „ein enges Korsett“ darstellen und deshalb „sicherlich viele Missbrauchstäter durch den Rost fallen“, und über eigene Erfahrungen zur Nichterfüllung der Realkennzeichen durch Opfer geständiger Täter berichtet, dazu aber klargestellt, dass vorliegend dennoch eine diesbezügliche akribische Überprüfung vorgenommen wurde, deren Ergebnis jedoch nur eines der Krtiterien für die in der Expertise gezogenen Schlussfolgerungen darstelle (ON 16 S 19 f), woraus keineswegs Zweifel an ihrer vollen Unbefangenheit und Unparteilichkeit (§ 47 Abs 1 Z 3 StPO) abzuleiten sind.
Unter dem Blickwinkel des § 127 Abs 3 StPO erschöpfte sich die Antragsbegründung hinwieder in der nicht näher präzisierten Behauptung, das Gutachten dieser Expertin leide „an schweren inhaltlichen Mängeln und auch an logischen Mängeln“, entspreche „nicht dem Stand der Wissenschaft“ und sei „eher nur von der vorgefassten Meinung der Sachverständigen gekennzeichnet“ (ON 16 S 43). Eine Auseinandersetzung mit den Erklärungen der Sachverständigen, die anlässlich der mündlichen Gutachtenserörterung in der Hauptverhandlung ausführlich Stellung zu sämtlichen Einwänden des Verteidigers genommen und die von ihm als unklar erachteten Passagen umfassend erläutert hatte (ON 16 S 10 bis 42), erfolgte nicht. Solcherart wurde ein - nach Durchführung eines Verbesserungsverfahrens bestehen gebliebener - Mangel von Befund und Gutachten iSd § 127 Abs 3 erster Satz StPO nicht aufgezeigt, sondern bloß eine Überprüfung der Beurteilung der beigezogenen Sachverständigen in der nicht indizierten Erwartung eines für den Antragsteller günstigeren Ergebnisses begehrt, womit der Antrag auf unzulässige Erkundungsbeweisführung abzielte (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 351; RIS-Justiz RS0117263, RS0102833).
Schließlich betrifft die Ursache der beim Tatopfer allenfalls vorliegenden posttraumatischen Belastungsstörung mit Blick auf die Verurteilung bloß wegen § 206 Abs 1 und § 207 Abs 1 StGB keine für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage relevante Tatsache. Der Beweisantrag verfiel daher auch unter diesem Aspekt zu Recht der Abweisung.
Im Rechtsmittel nachgetragene Argumente zur Antragsbegründung sind unbeachtlich, weil allein der Antrag den Gegenstand der aus Z 4 relevierten Entscheidung des Gerichtshofs bildet (für viele: RIS-Justiz RS0099618). Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass sich auch dieses Vorbringen nicht an den Kriterien des § 127 Abs 3 StPO orientiert und mit dem Einwand, die Sachverständige Dr. R***** verfüge über keine Lehrbefugnis an einer in- oder ausländischen Fakultät und hätte daher gar nicht zur Begutachtung des psychischen Zustands der Zeugin Lisa-Marie E***** bestellt werden dürfen, verkannt wird, dass sich die angesprochene Bestimmung des § 127 Abs 3 letzter Satz StPO nur auf ein - hier nicht in Rede stehendes - Obergutachten bezieht.
Die von der Mängelrüge als unerörtert geblieben (Z 5 zweiter Fall) monierten Passagen aus den Aussagen der Zeuginnen Aylin Ö***** (wonach sie sich nicht vor dem Angeklagten fürchtete, ein Aufklärungsunterricht in der Schule - entgegen der Darstellung der Lisa-Marie E***** - vor den inkriminierten sexuellen Übergriffen stattfand und die Genannte schon vor der Beziehung zu Arianit H***** sexuelle Erfahrungen sammelte) und Lisa-Marie E***** (etwa dass sie in der Vergangenheit ein Schulzeugnis gefälscht, ihren Lehrherrn bestohlen und entgegen polizeilichen Anratens keinen Arzt zur Untersuchung der durch die dem Schuldspruch V zugrundeliegenden Tat verursachten Verletzung aufsuchte) stehen dem festgestellten, § 206 Abs 1, § 207 Abs 1, § 212 Abs 1 Z 2, § 83 Abs 1 und § 83 Abs 2 StGB subsumierbaren Geschehen nicht erörterungsbedürftig entgegen (vgl RIS-Justiz RS0098646). Unter dem Aspekt solcherart unternommener Infragestellung der Glaubwürdigkeit des Tatopfers aber wird keine entscheidende Tatsache angesprochen. Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit stellen nichts anderes als eine erhebliche Tatsache dar, deren sachverhaltsmäßige Bejahung oder Verneinung in Frage zu stellen auf eine Bekämpfung der Beweiswürdigung hinausläuft (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 431 f mwN; RIS-Justiz RS0120109).
Der behauptete - ebenfalls als übergangen reklamierte (Z 5 zweiter Fall) - Widerspruch in den Aussagen der Lisa-Marie E***** liegt schließlich nicht vor, weil die Genannte - entgegen der in der Rüge vorgenommenen Interpretation - bei gebotener Gesamtbetrachtung ihrer Angaben widerspruchsfrei deponierte, der Beschwerdeführer habe sie abgesehen von den inkriminierten Angriffen (Schuldspruch IV und V) bei anderen Gelegenheiten auch mehrfach ins Gesicht geschlagen, wodurch sie Hämatome erlitt (ON 4 S 16 ff).
Mit Einwänden gegen die - in der Beschwerde geäußerte Bedenken gegen die Expertise berücksichtigende - tatrichterliche Beurteilung gegebener Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit des Gutachtens der Sachverständigen Dr. R***** (US 6 ff) zeigt die Tatsachenrüge (Z 5a) sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen ebenso wenig auf wie mit - ausdrücklich als solche bezeichneten - Erwägungen zum Beweiswert der Aussagen der Zeugen Lisa-Marie E*****, Aylin Ö***** und Arianit H*****, mit denen der Rechtsmittelwerber unter teilweiser Wiederholung des Vorbringens der Mängelrüge durch Hinweise auf einzelne - keine erheblichen Umstände betreffenden und aus dem Zusammenhang gerissen zitierten - Passagen aus deren Aussagen die vom Erstgericht mit ausführlicher Begründung (US 5 bis US 10) bejahte Glaubwürdigkeit der Erstgenannten in Zweifel zu ziehen versucht. Das Vorbringen erschöpft sich vielmehr in einer Bekämpfung der Beweiswürdigung außerhalb des Anfechtungsrahmens des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes (vgl dazu RIS-Justiz RS0118780).
Die alleine gegen den vom Schuldspruch III umfassten „Griff an die Brüste“ gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) lässt nicht erkennen, aus welchem Grund der damit angestrebte Wegfall der Täterschaft hinsichtlich einer einzelnen Tat trotz insoweit erfolgter Verurteilung wegen einer gleichartigen Verbrechensmenge pauschal individualisierter Taten, mit anderen Worten eine Reduktion der - vorliegend gar nicht konkret bestimmten - Anzahl der deliktischen Übergriffe, den Schuldspruch oder die Subsumtion in Frage stellen und damit entscheidend sein soll (RIS-Justiz RS0116736; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 33) und verfehlt damit die prozessordnungskonforme Darstellung materieller Nichtigkeit.
Davon abgesehen leitet die Rüge nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb es zur hier alleine aktuellen Subsumtion unter § 212 Abs 1 Z 2 erster Fall StGB der vermissten Urteilsannahmen zu einer auf geschlechtliche Erregung gerichteten Absicht des Täters bedurft hätte (RIS-Justiz RS0113816) und nimmt mit dem Einwand fehlender Konstatierungen zur Ausnützung eines Autoritätsverhältnisses prozessordnungswidrig nicht Maß an den - zureichenden - Feststellungen des Erstgerichts (vgl nämlich US 4 iVm US 1), womit sie gleichfalls nicht am Gesetz orientiert ist (RIS-Justiz RS0117247).
Die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit b) stützt den Einwand von Verjährung bloß auf eine isolierte Betrachtung der dem damit bekämpften Schuldspruch IV zugrunde liegenden Tat, ohne dabei an der Bestimmung des § 58 StGB Maß zu nehmen und verfehlt solcherart ein weiteres Mal den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt.
Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei festgehalten, dass diese Körperverletzung nach den - das Referat der entscheidenden Tatsachen im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) insoweit präzisierenden - Urteilsannahmen 2006 oder 2007 begangen wurde (vgl US 3 und 4, wonach die am 16. September 1992 geborene Lisa-Marie E***** damals „etwa 14 oder 15 Jahre alt war“), womit jedenfalls entweder der - ebenso gegen die körperliche Integrität des Tatopfers gerichtete und damit auf derselben schädlichen Neigung beruhende - Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses durch Betasten der Brüste im Sommer 2007 (Schuldspruch III wegen § 212 Abs 1 Z 2 StGB; vgl dazu Jerabek in WK² § 71 Rz 8) oder die Körperverletzung im Jänner 2010 (Schuldspruch V) innerhalb der dreijährigen (§ 57 Abs 3 vierter Fall StGB) Verjährungsfrist der erstgenannten Tat erfolgte und hinsichtlich dieser die Verjährung nicht vor - hier noch nicht erfolgtem - Ablauf der Verjährungsfrist für die dem Schuldspruch III bzw V zugrunde liegenden Taten eintreten konnte (§ 58 Abs 2 StGB).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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