OGH 13Os96/12k

OGH13Os96/12k18.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Oktober 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Haberreiter als Schriftführerin in der Strafsache gegen

Gerhard M***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 26. Juni 2012, GZ 38 Hv 40/12t‑22, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2012:0130OS00096.12K.1018.000

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gerhard M***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I) sowie der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II) und nach § 83 Abs 2 StGB (III, IV und VI), der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (V) und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (VII) schuldig erkannt.

Danach hat er in W*****

(I) im Jahr 2009 Daniela M***** mit Gewalt, indem er sie an den Haaren erfasste und ins Schlafzimmer zerrte, sie auf das Bett warf, ihr Stiefel, Hose und Unterhose auszog, sie auf dem Bett niederdrückte, ihre zur Gegenwehr zusammengepressten Oberschenkel mit der Hand auseinanderdrückte und mehrere Finger in ihre Vagina einführte, zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt;

(II) in der zweiten Hälfte des Jahres 2005 Theresa M***** vorsätzlich am Körper verletzt, indem er ihr mehrere Schläge auf ihr Gesäß versetzte, was noch nach Stunden sichtbare Hautrötungen zur Folge hatte;

(III) am 13. März 2010 Daniela M***** am Körper misshandelt und dadurch fahrlässig verletzt, indem er sie an den Oberarmen erfasste und heftig schüttelte, was Hämatome an den Oberarmen zur Folge hatte;

(IV) am 14. Juli 2011 Daniela M***** am Körper misshandelt und dadurch fahrlässig an der Gesundheit geschädigt, indem er ihr eine heftige Ohrfeige versetzte, was über die körperliche Einwirkung hinaus anhaltende Schmerzen im Bereich des Kiefers zur Folge hatte;

(V) am 14. Juli 2011 Nadja L***** mit Gewalt, indem er sie an den Haaren erfasste und aus dem Zimmer und der Wohnung zerrte, dazu genötigt, ihre gewaltsame Entfernung aus der Wohnung zu dulden;

(VI) am 14. Juli 2011 Nadja L***** durch die zu (V) beschriebene Handlung, die über die körperliche Einwirkung hinaus anhaltende Kopfschmerzen zur Folge hatte, am Körper misshandelt und dadurch fahrlässig an der Gesundheit geschädigt;

(VII) ab Beginn des Jahres 2008 bis zum 14. Juli 2011 wiederholt Daniela M***** durch die Äußerungen, er werde sie erschlagen, er werde sie umbringen, wobei er mitunter die Hand zur Faust ballte, zumindest mit einer Körperverletzung bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Rechtliche Beurteilung

Die aus den Gründen der Z 5, 5a, 9 lit a und b sowie 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist im Recht.

Zutreffend zeigt die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) auf, dass die Entscheidungsgründe keinerlei Begründung der Konstatierungen zur subjektiven Tatseite enthalten.

Zudem ist auch der Einwand (Z 9 lit a) fehlender Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf die Schuldsprüche (V) und ‑ betreffend den Inhalt der inkriminierten Äußerungen (vgl RIS-Justiz RS0089063; Schwaighofer in WK2 § 107 Rz 10) ‑ (VII) berechtigt.

Die aufgezeigten Begründungsmängel und Rechtsfehler machen eine Aufhebung sämtlicher Schuldsprüche schon bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO), demgemäß auch des Strafausspruchs, unumgänglich.

Auf diese Entscheidung war der Angeklagte mit seiner Berufung zu verweisen.

Bleibt mit Blick auf den zweiten Rechtsgang und die weitere Argumentation der Nichtigkeitsbeschwerde anzumerken:

1) Schmerzen haben (auch ohne Objektivierung einer pathologischen Veränderung des Körpers) die Qualität einer Schädigung an der Gesundheit im Sinn des § 83 StGB, wenn ein vom Opfer als Leiden empfundener Schmerzzustand von einiger Dauer vorliegt, welcher die Einwirkung auf seinen Körper überdauert und solcherart einer krankheitswertigen körperlichen (oder seelischen) Störung entspricht (Burgstaller/Fabrizy in WK2 § 83 Rz 10 und 12; Kienapfel/Schroll BT I2 § 83 Rz 15 und 17; Messner, SbgK § 83 Rz 58, jeweils mwN; vgl RIS-Justiz RS0092475, RS0092661, RS0092422 und RS0092376 zum Begriff der Gesundheitsschädigung nach § 223 dStGB Eser/Sternberg‑Lieben in Schönke/Schröder StGB28 § 223 Rz 5 mwN).

2) Die Möglichkeit echter Konkurrenz zwischen Nötigung und einer durch diese hervorgerufenen leichten Körperverletzung wird in ständiger Rechtsprechung bejaht (RIS-Justiz RS0115230).

3) Die Vergehen der Körperverletzung (II) und der gefährlichen Drohung (VII) sind hier (nach dem Urteilssachverhalt) auf den gleichen Charaktermangel zurückzuführen, der sich in der tatsächlichen Ausübung oder der Androhung von Gewalt im Familienkreis manifestiert. Hemmung der Verjährung der zu (II) angelasteten Tat nach § 58 Abs 2 StGB kommt ‑ unter den entsprechenden zeitlichen Voraussetzungen der jeweiligen Tatbegehung ‑ der Beschwerdeansicht zuwider daher sehr wohl in Betracht.

4) Zu den Einwänden der Subsumtionsrüge (Z 10) betreffend die Tatbestandsmäßigkeit des zu (I) angelasteten Verhaltens wird auf Philipp in WK2 § 201 Rz 25 und 35 (einschließlich der Judikaturzitate) verwiesen.

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