Spruch:
Georgi G***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Georgi G***** befand sich vom 23. August 2008 bis zum 29. November 2009 (und seit dem 15. Jänner 2010 wieder) zum Verfahren AZ 28 Hv 118/09k des Landesgerichts Innsbruck aus den Haftgründen der Flucht- und der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 und 3 lit a und b StPO (erstmals) in Untersuchungshaft.
Mit (nicht rechtskräftigem) Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 29. September 2009 wurde Georgi G***** im zweiten Rechtsgang dieses Verfahrens (vgl zur Aufhebung des im ersten Rechtsgang am 24. März 2009 ergangenen Urteils: 13 Os 69/09k) des Verbrechens des als Mitglied einer kriminellen Vereinigung begangenen gewerbsmäßig schweren Diebstahls nach §§ 12 dritter Fall, 15, 127, 128 Abs 2, 130 zweiter und dritter Fall StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die erlittene Vorhaft wurde - in der mit Beschluss vom 29. Oktober 2009 (ON 158) nicht rechtskräftig berichtigten Urteilsfassung - für den Zeitraum 9. März bis 29. September 2009 auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet. Nach dem erstinstanzlichen Schuldspruch hat er am 23. August 2008 in Völs als Mitglied einer kriminellen Vereinigung mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, zum Versuch der (dafür bereits rechtskräftig verurteilten) unmittelbaren Täter, fremde bewegliche Sachen, nämlich Großpackungen von Rasierklingen und Rasierapparaten, im 50.000 Euro übersteigenden Gesamtwert von 86.185,10 Euro, Gewahrsamsträgern der M-***** GmbH, wegzunehmen beigetragen.
Mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 9. März 2009, AZ 24 Hv 99/08k, rechtskräftig mit (Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom) 19. November 2009, wurde Georgi G***** des - bis zum „17. September 2008“ begangenen - Verbrechens des schweren, durch Einbruch begangenen gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 130 erster Fall StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, wovon ein Teil von 16 Monaten gemäß § 43a Abs 3 StGB bedingt nachgesehen wurde. Die zum Verfahren AZ 28 Hv 118/09k erlittene Vorhaft wurde gemäß § 38 Abs 1 Z 2 StGB für den Zeitraum 23. August 2008 bis 9. März 2009 (dem Zeitpunkt der Urteilsfällung erster Instanz) auf diese Strafe angerechnet (auch die Zwischenhaft bis Urteilsrechtskraft am 19. November 2009 ist übrigens Gegenstand der Vorhaftanrechnung nach § 38 Abs 1 Z 2 StGB [§ 400 Abs 1 StPO]).
Wegen des am 19. November 2009 zu AZ 24 Hv 99/08k des Landesgerichts Innsbruck (vorläufig) angeordneten Vollzugs des (nicht bereits durch Vorhaftanrechnung - im Ausmaß von etwa sechs Monaten und zwei Wochen - verbüßten) unbedingten Teils der Freiheitsstrafe (ON 166) nahm das Landesgericht Innsbruck mit Beschluss vom 26. November 2009 mit Wirkung per 30. November 2009 gemäß § 173 Abs 4 StPO von der Aufrechterhaltung der weiteren Untersuchungshaft zum hier gegenständlichen Verfahren Abstand (ON 167).
Mit der angefochtenen Entscheidung gab das Oberlandesgericht Innsbruck der Beschwerde des Angeklagten gegen den über seinen Enthaftungsantrag ergangenen Haftbeschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 10. Dezember 2009 (ON 174) nicht Folge und setzte - gestützt auf den sich aus der nicht rechtskräftigen Verurteilung ergebenden dringenden Tatverdacht (BS 5) - die Haft wegen Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 und 3 lit a StPO fort.
Rechtliche Beurteilung
Die unverhältnismäßige Dauer der Untersuchungshaft reklamierende Grundrechtsbeschwerde übersieht, dass nach dem erstmaligen Beginn der Hauptverhandlung liegende Zeiträume nicht zu der von § 178 StPO festgelegten Höchstdauer der Untersuchungshaft zählen (RIS-Justiz RS0098035; Kirchbacher/Rami, WK-StPO § 178 Rz 7).
Soweit sie vorbringt, dass die zum AZ 24 Hv 99/08k des Landesgerichts Innsbruck nach § 38 StGB angerechnete Haftzeit bei der von § 173 Abs 1 zweiter Satz StPO vorgeschriebenen Prüfung in Anschlag zu bringen gewesen wäre, benennt sie keine daraus für ihren Standpunkt ableitbaren Folgerungen. Sie sagt nämlich nicht, weshalb die Gesamtdauer der Untersuchungshaft als Bezugspunkt der Verhältnismäßigkeitsprüfung deren Ergebnis in Frage gestellt hätte.
Das Vorliegen zeitlicher Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung für sich allein zwingt dazu, wie der Vollständigkeit halber angemerkt sei, keineswegs (vgl Kirchbacher/Rami, WK-StPO § 173 Rz 10). Das geht schon aus der § 265 Abs 2 iVm § 498 Abs 2 letzter Satz StPO zugrunde liegenden Wertung des einfachen Gesetzgebers hervor, Beschwerden gegen nach § 265 Abs 1 StPO gefasste Beschlüsse - entgegen der allgemeinen Regel (vgl § 87 Abs 3 StPO) - aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Diese Wertung kann auch bei der von § 173 Abs 1 zweiter Satz StPO verlangten Beurteilung nicht unbeachtet bleiben, bedarf doch die Dauer einer - wie hier aufgrund (wenngleich noch nicht in Rechtskraft erwachsener) erstinstanzlicher Verurteilung - durch Art 5 Abs 1 lit a MRK gerechtfertigten Haft (vgl Grabenwarter EMRK4 § 21 Rz 12 mwN) keiner Prüfung unter dem Gesichtspunkt von Unverhältnismäßigkeit nach Art 5 MRK (vgl Grabenwarter EMRK4 § 21 Rz 10; Frowein/Peukert, EMRK3 Art 5 Rz 113).
Inhaltlich fassbare weitere Argumente führt die Beschwerde nicht ins Treffen (§ 3 Abs 1 erster Satz GRBG), sodass ihr ein Erfolg versagt bleiben muss.
Unklar bleibt, welche Verletzung haftrelevanter Vorschriften mit dem Vorbringen, wonach „die Untersuchungshaft zu einem Zeitpunkt unterbrochen wurde, in dem die acht Monate Freiheitsstrafe schon verbüßt waren“ (BS 2 unten), geltend gemacht werden sollte (vgl im Übrigen 13 Os 122/08b).
Wenngleich für die Erledigung der erhobenen Grundrechtsbeschwerde ohne Bedeutung (§ 1 Abs 2 GRBG; RIS-Justiz RS0123343), sieht sich der Oberste Gerichtshof unter dem Aspekt analoger Anwendung des § 265 Abs 1 StPO durch das erkennende Gericht (RIS-Justiz RS0116527) angesichts vorliegend die Hälfte der in erster Instanz ausgesprochenen Strafe übersteigender Gesamtdauer der (teilweise indes in einem anderen Verfahren nach § 38 StGB angerechneten) Untersuchungshaft zur Klarstellung veranlasst, dass derzeit kein Anlass für eine solche Entscheidung besteht.
Die von 14 Os 141/05z, EvBl 2006/39, 209, verlangte analoge Anwendung des § 265 Abs 1 StPO bedeutet zwar - in Fortentwicklung des von 11 Os 24/02, SSt 64/12, aufgezeigten Schutzzwecks -, dass eine solche Entscheidung nicht stets nur (solcherart aufschiebend) bedingt für den Fall der Rechtskraft geschieht (vgl Lewisch, WK-StPO § 265 Rz 5, 9), sondern bereits aufgrund des erstgerichtlichen Urteils zu erfolgen hat, wenn es allein darum geht, Angeklagte, die das gegen sie ergangene Urteil bekämpfen, gegenüber solchen, die auf Urteilsanfechtung verzichten, nicht zu benachteiligen. In einem solchen Fall spricht nichts dagegen, vom Bezugspunkt einer Strafhaft, die von Rechtskraft des Strafausspruchs (§ 260 Abs 1 Z 3 StPO) und Strafvollzugsanordnung abhängt, auch hinsichtlich der Rechtskraft abzusehen, nachdem vom Erfordernis der Strafvollzugsanordnung bereits von 11 Os 24/02, SSt 64/12, abgesehen wurde. Die von § 265 Abs 2 (§ 498 Abs 2) StPO angeordnete aufschiebende Wirkung der Beschwerde ändert am Beschwerdegegenstand, welcher hier in einer Beurteilung anhand des erstgerichtlichen Strafausspruchs besteht, nichts.
Wird das Urteil jedoch auch zum Nachteil des Angeklagten angefochten, kommt bedingte Entlassung nur (aufschiebend) bedingt für den Fall der Rechtskraft in Betracht.
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