European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0130OS00090.16H.1012.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion dem Angeklagten Thomas V***** angelasteter Taten nach § 148 zweiter Fall StGB, in der zum Schuldspruch A gebildeten Subsumtionseinheit, demzufolge auch im diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch, sowie im Verfallserkenntnis aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Fevzi C***** werden die Akten zunächst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten Fevzi C***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier von Bedeutung – Thomas V***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall und 15 StGB (A) sowie Fevzi C***** des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs 1, 2 und 3 StGB (C) schuldig erkannt.
Danach haben vom 13. Dezember 2012 bis zum 19. Dezember 2012 in W*****
(A) Thomas V***** im einverständlichen Zusammenwirken mit einem abgesondert verfolgten Mittäter mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz sowie „in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung schwerer Betrugshandlungen über einen längeren Zeitraum hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen“ (US 8 f), Verfügungsberechtigte mehrerer Unternehmen zum Abschluss von Mobilfunkverträgen sowie zur Ausfolgung von Mobiltelefonen verleitet und dies versucht, was die betroffenen Unternehmen mit jeweils mehr als 5.000 Euro am Vermögen schädigte oder schädigen sollte, sowie
(C) Fevzi C***** Sachen im Wert von mehr als 5.000 Euro, die andere durch mit Strafe bedrohte Handlungen gegen fremdes Vermögen erlangt hatten, nämlich 59 der von Thomas V***** und seinem Mittäter betrügerisch herausgelockten Mobiltelefone (A), gekauft.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen seinen Schuldspruch aus Z 5, 5a und (richtig) 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Fevzi C***** geht – wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt – fehl.
Das Erstgericht legte im Rahmen der Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) dar, aus welchen Gründen es die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers als widerlegt erachtete (US 10 bis 12). Hievon ausgehend war es – entgegen der Mängelrüge (Z 5) – unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht gehalten, sämtliche Details der Aussage des Beschwerdeführers zu erörtern (RIS‑Justiz RS0098778, RS0106295 und RS0106642). Dies hätte vielmehr dem in § 270 Abs 2 Z 5 StPO normierten Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe widersprochen.
Der Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite entzieht sich einer meritorischen Erledigung, weil er nicht von der Gesamtheit der diesbezüglichen Urteilserwägungen (US 12) ausgeht (11 Os 53/07i, SSt 2007/68; RIS‑Justiz RS0119370).
Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) liegt nur dann vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (11 Os 122/00, SSt 63/112; RIS‑Justiz RS0099431). Mit der Behauptung, das Erstgericht hätte aus aktenkundigen Belegen mit Blick auf die Verantwortung des Beschwerdeführers unrichtige Schlüsse gezogen, wird ein solcher Begründungsfehler nicht geltend gemacht.
Die Urteilsaussage, Thomas V***** habe den Beschwerdeführer im Sinn des Schuldspruchs belastet (US 11), ist keineswegs aktenwidrig (siehe insbesonders ON 63 S 15, 19 und 21).
Die Tatsachenrüge (Z 5a), die Fehler in der Sachverhaltsermittlung nicht behauptet, entwickelt ihre Argumentation nicht aus in der Hauptverhandlung vorgekommenen Verfahrensergebnissen (§ 258 Abs 1 StPO) und entzieht sich solcherart einer inhaltlichen Erwiderung (13 Os 60/03, SSt 2003/47; RIS‑Justiz RS0117516, RS0117749 und RS0119310).
Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) Feststellungen verlangt, nach denen der Vorsatz im Tatzeitpunkt vorgelegen sei, die genau dies ausdrückenden Urteilskonstatierungen (US 9) aber übergeht, verfehlt sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass das Erstgericht zum Nachteil der Angeklagten das Gesetz mehrfach unrichtig angewendet hat (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
(1) Gewerbsmäßigkeit (hier § 148 StGB iVm § 70 StGB idF BGBl I 2015/112) verlangt neben bestimmten objektiven Kriterien (hiezu EBRV 689 BlgNR 25. GP 13 f) die Absicht des Täters, sich durch die wiederkehrende Begehung der in Rede stehenden strafbaren Handlung längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen.
Durch diese Legaldefinition kommt zum Ausdruck, dass es dem gewerbsmäßig handelnden Täter darauf ankommt, sich durch die wiederholte Begehung der strafbaren Handlung eine zumindest für einen längeren Zeitraum wirksame Einkommensquelle zu erschließen ( Jerabek in WK 2 StGB § 70 Rz 7). Dabei stellt die Rechtsprechung stets eine Einzelfallbetrachtung an, als deren Richtschnur folgende Überlegung angesehen werden kann: Je höher die Frequenz der (bereits erfolgten oder intendierten) Angriffe ist, desto geringer sind die Anforderungen an die beabsichtigte zeitliche Ausdehnung des Einnahmeflusses und vice versa (13 Os 121/14i mwN).
Da die angefochtene Entscheidung im Hinblick auf diese Kriterien den gebotenen Sachverhaltsbezug hinsichtlich der zeitlichen Komponente der Intention des Angeklagten Thomas V*****, sich durch wiederkehrende Delinquenz eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, nicht herstellt, leidet der Schuldspruch an Nichtigkeit aus Z 10 des § 281 Abs 1 StPO (13 Os 102/12t, JBl 2013, 677; RIS‑Justiz RS0119090 [insbesondere T8 und T11]).
Auch zur vom Gesetz verlangten Absicht des Täters, sich ein „nicht bloß geringfügiges“ Einkommen zu verschaffen (hiezu § 70 Abs 2 StGB sowie EBRV 689 BlgNR 25. GP 14 f), erschöpft sich das bekämpfte Urteil in der substratlosen Wiedergabe der verba legalia (US 8 f).
(2) Zur Unrechtsfolge des § 20 Abs 1 StGB beschränkt sich das Erstgericht auf die Aussage, dass „der Verfall der durch die Begehung der mit Strafe bedrohten Handlung erlangten Vermögenswerte ausgesprochen“ wird (US 5). Die unter dem Aspekt des § 20 StGB unerlässliche Individualisierung und Konkretisierung der vom Verfallsausspruch betroffenen Vermögenswerte wird hiedurch nicht vorgenommen (vgl Fuchs/Tipold, WK‑StPO § 443 Rz 19).
Die angefochtene Entscheidung war daher gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO in der Subsumtion nach § 148 StGB, in der zum Schuldspruch A gebildeten Subsumtionseinheit und im Verfallserkenntnis von Amts wegen schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort aufzuheben.
Dies hatte die Aufhebung des Thomas V***** betreffenden Strafausspruchs zur Folge.
Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Fevzi C***** kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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