Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil, das auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthält, wurde Helmut H***** der Verbrechen (I/1) des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB nF und (I/II) der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster Fall, Abs 2 erster Fall StGB aF sowie (I/III) des Vergehens (richtig: jeweils mehrerer Vergehen) des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 erster Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er
(I) in Lesbos zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zwischen 1991 und 1993 dadurch, dass er mit seinem Penis in die Scheide der am 26. September 1981 geborenen Nicole W***** eindrang, nachdem er sie im äußeren Genitalbereich eingecremt hatte, mit einer unmündigen Person den Beischlaf unternommen, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich die Defloration und damit verbundene seelische Qualen zur Folge hatte;
(II.) in Linz im Zeitraum zwischen Herbst 1988 und Frühjahr 1995 in wiederholten Angriffen dadurch, dass er die am 26. September 1981 geborene Nicole W***** an der Innenseite der Oberschenkel sowie im Genitalbereich und an der Klitoris häufig streichelte und massierte, mit seinem Finger unter mehrmaliger Vor- und Rückwärtsbewegungen in ihre Scheide eindrang und sie mit seiner Zunge im Genitalbereich leckte, eine unmündige Person auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) der Nicole W*****, nämlich eine Persönlichkeitsentwicklungsstörung im Sinne von Erlebnisvollzugsstörungen, unkontrollierten Angst- und Gemütszuständen zur Folge hatte;
(III) durch die unter Pkt I und II geschilderten Tathandlungen die seiner Aufsicht unterstehende, am 26. September 1981 geborene Nicole W*****, somit eine minderjährige Person unter Ausnützung seiner Stellung als Aufsichtsperson zur Unzucht missbraucht. Die Geschworenen bejahten - soweit für das Rechtsmittelverfahren noch von Relevanz - die anklagekonform gestellten Hauptfragen nach schwerem sexuellen Missbrauch von Unmündigen nach § 206 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB nF (1), Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster Fall, Abs 2 erster Fall StGB aF (2) und Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 erster Fall StGB (5) stimmeneinhellig; folgerichtig blieb die auf das Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster Fall, Abs 3 erster Fall StGB nF gerichtete Eventualfrage (3) unbeantwortet.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen den Schuldspruch vom Angeklagten aus Z 6, 8, 10a und 12 des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich als nicht berechtigt.
In der Interrogationsrüge (Z 6) zum Schuldspruch II wird mit der Behauptung, "der Schwurgerichtshof hätte durch die Stellung der mit der Hauptfrage 2 identen Eventualfrage 3 den Geschworenen die Beurteilung des Günstigkeitsvergleiches nach § 61 StGB übertragen", prozessordnungswidrig übersehen, dass die Hauptfrage 2 zusätzliche Tathandlungen, nämlich ua bis Frühjahr 1995 verübte digitale Vaginalpenetrationen enthält, die als dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen nur § 207 Abs 1 StGB idF vor dem mit 1. Oktober 1998 in Kraft getretenen Strafrechtsänderungsgesetz 1998, BGBl I 1998/153, zu subsumieren waren (13 Os 168/01; 13 Os 34/02). Allerdings war die gesonderte Zusammenfassung jener Unzuchtshandlungen, die nunmehr als geschlechtliche Handlungen dem (gegenüber § 207 Abs 1 StGB aF gleich günstigen [11 Os 121/00]) § 207 Abs 1 StGB nF zu unterstellen sind, in der Eventualfrage 3 nicht notwendig. Mit Blick auf die gemäß § 330 Abs 2 StPO offen stehende Beschränkungsmöglichkeit hätte nämlich die Hauptfrage 2 zur rechtlich korrekten Sachverhaltsbeurteilung ausgereicht, weil selbst im - hier ohnedies nicht aktuellen - Fall der Ausklammerung der beischlafswertigen Tathandlungen (digitale Vaginalpenetrationen) durch die Geschworenen der Schwurgerichtshof verpflichtet gewesen wäre, die verbleibenden Unzuchtshandlungen im Sinne obiger Ausführungen unter § 207 Abs 1 StGB nF zu subsumieren (ähnlich Mayerhofer StPO4 § 335 E 2, 3). Diese überflüssige Eventualfragestellung in Ansehung von ohnehin mit der Hauptfrage bejahten Tathandlungen konnte fallbezogen - der Beschwerde zuwider - unzweifelhaft keinen Nachteil bewirken (§ 345 Abs 4 StPO). Die Instruktionsrüge (Z 8) zur Hauptfrage 2 entspricht nicht dem Gesetz, weil sie den Inhalt der zur "kumulativen Kausalität" vorgeblich vermissten Belehrung nicht bestimmt und deutlich bezeichnet (§ 344 [§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2] StPO; Ratz; WK-StPO § 345 Rz 65).
Außerdem wird bei der Beschwerdeargumentation (ersichtlich) verkannt, dass der Ursachenzusammenhang außer Frage steht, wenn - wie hier - derselbe Täter durch die mit den zahlreichen, jahrelang wiederholten Missbrauchshandlungen (normaler Weise) einhergehenden negativen Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden des unmündigen Tatopfers letztendlich den qualifizierten Deliktserfolg nach § 207 Abs 2 erster Fall StGB aF bewirkt (additive Kausalität; vgl dazu E. Steininger in Triffterer StGB-Komm Vorbem zu § 2 Rz 43 ff; Triffterer AT2 133 ff). In der gegen den Schuldspruch I gerichteten Tatsachenrüge (Z 10a) bezweifelt der Nichtigkeitswerber einerseits unter Wiederholung singulärer Aussagedivergenzen und Andeutung eines "Verleumdungsmotives" die Richtigkeit der Belastungen des Tatopfers. Zum Anderen wird allein mit Bezugnahme auf das in der Hauptverhandlung verlesene (S 384), neurologisch-psychiatrische Fachgutachten Dris. B***** (Blg E zu ON 43) gegen die Zurechnung der Qualifikation des § 206 Abs 3 erster Fall StGB nF eingewendet, dass die psychischen Probleme der Nicole W***** nicht aus der Tat, sondern vielmehr aus dem Sportunfall vom 3. Februar 1996 resultieren, ohne jedoch die gegenteiligen Verfahrensergebnisse, vor allem die Klarstellungen des beigezogenen Kinderneuropsychiaters Dr. Max F***** (insbesondere S 382) gehörig zu beachten. Solcherart vermag der Rechtsmittelwerber auf Aktenbasis keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im (einstimmigen) Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen; vielmehr wird im Ergebnis bloß die den Laienrichtern obliegende Beweiswürdigung (Art 91 Abs 2 B-VG) nach Art einer Schuldberufung bekämpft. Der in der Subsumtionsrüge (Z 12) zum Schuldspruch I relevierte Mangel an Konstatierungen zum Krankheitswert der seelischen Qualen ist nicht gegeben. Vorliegend haben die - zum Wesen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 1 StGB umfassend und korrekt belehrten (S 18, 19 der schriftlichen Instruktion) - Geschworenen als Tatfolgen bei der damals unmündigen Nicole W***** die Defloration und die damit verbundenen seelischen Qualen festgestellt. Unter dem im § 92 Abs 1 StGB genannten, opferbezogenen auszulegenden (vgl Kienapfel BT I4 § 92 Rz 16) Begriff der (seelischen) Qualen sind länger andauernde oder sich wiederholende heftige Schmerzen. Leiden oder Angstzustände zu verstehen, die mit einer schweren Beeinträchtigung des psychischen oder physischen Wohlbefindens verbunden sind (Hauptmann/Jerabek in WK2 Rz 12; Leukauf/Steininger Komm3 RN 8; Kienapfel aaO Rz 15 je zu § 92 StGB). Da mit der erwähnten Bezeichnung Art und Intensität, somit der medizinische Krankheitswert der tatkausalen Gesundheitsschädigung hinreichend determiniert ist, waren die hiezu geforderten Ergänzungen entbehrlich (vgl EvBl 1994/61).
Die weitere Qualifikationsrüge erklärt nicht, warum bei realkonkurrierendem Zusammentreffen von zwei, auch in Ansehung der Tatfolgen differenten Sexualdelikten (ungleichartige Realkonkurrenz) die Subsumtion der allein aus den zahlreichen Unzuchtshandlungen resultierenden schweren Körperverletzung (Persönlichkeitsentwicklungs- störungen im Sinne von Erlebnisvollzugsstörungen, unkontrollierte Angst- und Gemütszustände) unter § 207 Abs 2 erster Fall StGB aF dem Gesetz widersprechen soll. Soweit der uneingeschränkte Aufhebungsantrag auch den Schuldspruch III (Vergehen des Missbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 erster Fall StGB) erfasst, wird die Beschwerde mangels gebotener Konkretisierung Nichtigkeit bewirkender Umstände (abermals § 344 [§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2] StPO) nicht gesetzmäßig ausgeführt.
Somit war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.
Das Geschworenengericht verhängte über den Angeklagten nach § 206 Abs 3 erster Strafsatz StGB (nF) unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 8 Jahren.
Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit einem Vergehen und den langen Deliktszeitraum, als mildernd die Unbescholtenheit und das lange Zurückliegen der Taten.
Die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten, in der eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe begehrt wird, erweist sich ebenfalls als nicht berechtigt.
Vorher ist anzumerken, dass die vom Geschworenengericht ansonsten im Wesentlichen zutreffend angenommenen Strafzumessungsgründe dahingehend zu ergänzen sind, dass dem Angeklagten als erschwerend das Zusammentreffen von Verbrechen gleicher (im Hinblick auf die Begehung einer zahlenmäßig nicht bekannter Mehrzahl von Tathandlungen zu II) und verschiedener Art (I und II) - sowie mehrerer Vergehen gleicher Art als erschwerend zur Last fällt.
Der Angeklagte hingegen vermag in seiner Berufung zusätzliche Umstände mildernder Natur nicht darzulegen. Entgegen seinem Vorbringen war das Geschworenengericht berechtigt, im Rahmen der Persönlichkeitsbeurteilung auch auf den dort hervorgerufenen Eindruck zur Beurteilung des Charakters, des Aggressionspotentials und des Vergleichs seiner Einstellung zu derjenigen eines normgetreuen Menschen zu beurteilen und in die Strafbemessungsgrundlagen einfließen zu lassen.
Auf Basis der vom Geschworenengericht angenommenen und ergänzten Strafbemessungstatsachen sowie unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung (§ 32 StGB) ist die vom Geschworenengericht ausgemessene Freiheitsstrafe schuld- und tatangemessen und jedenfalls erforderlich, um dem hohen Handlungsunwert und dem gravierenden sozialen Störwert der Übergriffe sowie der Verwerflichkeit sexueller Gewalt gegen Unmündige in der Familie den gebotenen Stellenwert einzuräumen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a StPO.
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