European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0130OS00075.23P.1115.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiete: Finanzstrafsachen, Wirtschaftsstrafsachen
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die nicht auf die zu seinem Nachteil ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft entfallenden Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – * B* jeweils mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG idF BGBl I 2005/103 (A 1 und 2), nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG idF BGBl I 2010/104 und BGBl I 2012/112 (A 3 bis 8) sowie nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG idF BGBl I 2015/163 (A 9 bis 11), eines Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG idF BGBl I 2019/62 (12) und des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall StGB (B) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er
A) im Amtsbereich des (damaligen) Finanzamts Kufstein Schwaz unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige‑, Offenlegungs‑ oder Wahrheitspflichten durch die Abgabe unrichtiger Einkommensteuererklärungen gewerbsmäßig (im Sinn der jeweils geltenden Fassung des § 38 FinStrG) eine Verkürzung an Einkommensteuer um insgesamt 205.371,33 Euro bewirkt, und zwar für das Jahr 2008 um 28.306,62 Euro, für das Jahr 2009 um 14.200,71 Euro, für das Jahr 2010 um 34.054 Euro, für das Jahr 2011 um 14.498 Euro, für das Jahr 2012 um 15.997 Euro, für das Jahr 2013 um 21.131 Euro, für das Jahr 2014 um 14.845 Euro, für das Jahr 2015 um 23.205 Euro, für das Jahr 2016 um 15.530 Euro, für das Jahr 2017 um 5.719 Euro, für das Jahr 2018 um 10.209 Euro und für das Jahr 2019 um 7.676 Euro, sowie
B) in I* die ihm von der D* AG in seiner Funktion als Leiter * und damit als Inhaber einer Handlungsvollmacht eingeräumte Befugnis, über deren Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht, indem er am 5. Dezember 2003 eine Rahmenprovisionsvereinbarung, am 22. Februar 2013 eine Zusatzvereinbarung und in weiterer Folge Maklerverträge mit Dr. S*, der Dr. * C* oder deren Nachfolgeunternehmen S* C* abschloss (US 21), aus denen entweder Dr. S* oder eines der beiden genannten Unternehmen provisions‑ und courtageberechtigt war, in weiterer Folge teils selbst Polizzen zur Provisionserstattung bei der zuständigen Fachabteilung einreichte und auch Bonifikationen genehmigte, obgleich mit Dr. S* von vornherein vereinbart und in der Folge auch umgesetzt worden war, dass zumindest 30 % dieser Zahlungen an * B* zurückfließen würden, wodurch Mitarbeiter der D* AG in den Jahren 2008 bis 2019 Provisionen im Gesamtbetrag von 571.148,36 Euro an Dr. S*, die Dr. * C* oder die S* C* auszahlten, „wobei diese jedenfalls im Umfang der Rückflüsse an B* aufgrund der Bestimmungen des Dienstvertrages von B* als Landesdirektor vom 06.11.2001, wonach ihm Provisionen für zugeführte Versicherungsgeschäfte nicht zustehen, unberechtigt waren und solcherart ein Schaden der D* AG in einem unerhobenen, insgesamt EUR 5.000,-- jedenfalls übersteigenden, jedoch im Zweifel EUR 300.000,-- nicht übersteigenden, Betrag herbeigeführt wurde“.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richten sich die vom Angeklagten* B* aus Z 4, 9 (richtig) lit a, 10 und 11 sowie von der Staatsanwaltschaft aus Z 5, 9 lit a, 10 und 11, jeweils des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * B*:
[4] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der Antrag auf „Einholung eines Gutachtens aus dem Bereich Versicherungswesen (sei es durch die Wirtschaftskammer oder des Hauptverbands) zum Beweis dafür, dass die Vermittlung von Kunden durch Angestellte von Versicherungen an Makler, die dann wieder mit derselben Versicherung den Versicherungsvertrag abschließen im Versicherungswesen handelsüblich ist und dadurch auch die Haftung sowohl der Versicherung als auch des Versicherungsangestellten, insbesondere eines leitenden Versicherungsangestellten, gemindert wird, weil die Makler-Haftpflichtversicherung in diesem Fall eine erweitere Deckung für Beratungsfehler/Folgeschäden bringt“ (ON 100 S 26), zu Recht abgewiesen (ON 100 S 29 f), weil das Beweisthema keine für die Schuld‑ oder die Subsumtionsfrage erhebliche Tatsache (§ 55 Abs 2 Z 2 StPO, vgl auch § 254 Abs 1 StPO) betraf (RIS‑Justiz RS0116503).
[5] Im Rechtsmittel nachgetragene Ausführungen zur Antragsfundierung haben angesichts des sich aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes ergebenden Neuerungsverbots auf sich zu beruhen (RIS‑Justiz RS0099618).
[6] Der Antrag auf „Einholung und Verlesung der betreffenden Inhalte auf der Festplatte sowie der Mappe * Sch*“ (ON 100 S 24) nannte kein Beweisthema (§ 55 Abs 1 zweiter Satz StPO), schon deshalb verfiel er zu Recht der Abweisung (ON 100 S 30).
[7] Gegen Feststellungsmängel steht die Mängelrüge (Z 5) nicht offen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 420).
[8] Unter dem Aspekt materiell-rechtlicher Nichtigkeit (dazu eingehend mwN Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 598 ff) macht die Beschwerde insoweit nicht deutlich, weshalb es zur rechtsrichtigen Subsumtion über die getroffenen Feststellungen (US 29 ff) hinausgehender Konstatierungen dahingehend bedurft haben sollte, „dass der Angeklagte keineswegs verpflichtet war, dafür zu sorgen, dass die D* mit den in Urteil S 23 angeführten Kunden Versicherungsverträge abschließt“ und „durch die Vertragsabschlüsse Prämieneinnahmen in einer an Dr. S* ausbezahlten Provisionen mehrfach übersteigenden Höhe lukriert hat“, womit sie sich einer inhaltlichen Erwiderung entzieht.
[9] Indem die Rechtsrüge (Z 9 richtig: lit a) und die Subsumtionsrüge (Z 10) ihre Argumentation nicht auf der Basis der Feststellungen des Erstgerichts (insbesondere US 19, 29 und 32), sondern auf der Behauptung entwickeln, dass die Maklerleistungen (nicht der Angeklagte, sondern) Dr. S* erbracht hätte, verfehlen sie den – im Urteilssachverhalt gelegenen – Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).
[10] Die Subsumtionsrüge lässt unter dem Aspekt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes überdies die gebotene Darlegung vermissen, welchem Strafgesetz die Taten aus ihrer Sicht konkret zu unterstellen seien (RIS‑Justiz RS0117247 [T7]).
[11] Mit dem Einwand (nominell Z 11) in Bezug auf den „Schuldspruch A“, das Erstgericht hätte sich mit der Höhe der Zahlungen an den Angeklagten eingehend auseinandersetzen müssen (dazu US 26) und hätte diese nicht auf ein Anerkenntnis im Abgabenverfahren stützen dürfen, lässt die Beschwerde keinen Konnex zu den Kriterien der Nichtigkeitsgründe erkennen.
[12] Der Verweis der Rüge auf die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist prozessual unzulässig (RIS‑Justiz RS0100063 [T3]).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
[13] Entgegen dem Vorbringen der Mängelrüge (Z 5) besteht zwischen den Feststellungen, wonach der Angeklagte „durch die Tathandlungen laut Schuldspruch B) einen unerhobenen Betrag von zumindest EUR 171.344,50 (30% Anteil der Provisionen des Dr. * S*) erlangt“ hat (US 33) und jenen, wonach der Angeklagte in den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2008 bis 2019 Einkünfte aus Gewerbebetrieb von insgesamt 379.772,42 Euro verschwiegen hat (US 25 f), kein Widerspruch (Z 5 dritter Fall, siehe dazu RIS‑Justiz RS0117402 [T14 und T15]).
[14] Soweit die Rüge (Z 10) in Bezug auf den Schuldspruch B die Subsumtion nach § 153 Abs 3 zweiter Fall StGB anstrebt, bestreitet sie die Urteilsaussage, wonach nicht festgestellt werden könne, dass der Vorsatz des Angeklagten darauf gerichtet war, die D* AG in einem 300.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen zu schädigen (US 33). Solcherart verfehlt sie den – im Urteilssachverhalt gelegenen – Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).
[15] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[16] Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[17] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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