OGH 13Os72/19s

OGH13Os72/19s13.11.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. November 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Schrott in der Finanzstrafsache gegen Peter I***** und einen anderen Angeklagten wegen Finanzvergehen des Schmuggels nach § 35 Abs 1 lit a FinStrG idF BGBl I 1999/28 über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Peter I***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7. Jänner 2019, GZ 12 Hv 4/18w‑139, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0130OS00072.19S.1113.000

 

Spruch:

 

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch, demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Wertersatzstrafe), aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit seinen Rechtsmitteln wird der Angeklagte Peter I***** auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – Peter I***** mehrerer Finanzvergehen des Schmuggels nach § 35 Abs 1 lit a FinStrG idF BGBl I 1999/28 schuldig erkannt.

Danach hat er vom 4. März bis zum 9. Dezember 2008 in W***** und an anderen Orten im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit der abgesondert verfolgten Kathrin X***** eingangsabgabepflichtige Waren der zollamtlichen Überwachung entzogen, indem er für 282 Containerladungen, insbesondere mit Knoblauch und Textilien, die aus China kommend in das Zollgebiet der Europäischen Union gelangt und in der Regel im T1‑Versandverfahren per Lkw oder Bahn nach W***** verbracht worden waren sowie das Zollgebiet im Carnet-TIR-Verfahren an den EU‑Austrittszollämtern T***** an der ungarisch-serbischen und H***** an der rumänisch-ukrainischen Grenze wieder verlassen sollten, 282 Carnets TIR entgegennahm, daraufhin den Transport der Ware organisierte, den beauftragten Speditionen diese Carnets TIR weitergab, Lkw‑Fahrer instruierte und betreute, insbesondere die tatsächlichen, regelmäßig in B*****, fallweise auch in W***** (demnach im Zollgebiet) gelegenen Entladeorte bekannt gab, die Austrittsbestätigungen, die über Veranlassung von X***** mit gefälschten Austrittszollstempeln versehen worden waren, wieder übernahm und schließlich seiner Bezugsquelle für die Carnets TIR übergab.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die vom Angeklagten I***** aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde.

Aus ihrem Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem angefochtenen Urteil nicht geltend gemachte Nichtigkeit (Z 9 lit b) zum Nachteil des Angeklagten I***** anhaftet, die von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Die Strafbarkeit eines Finanzvergehens erlischt durch Verjährung (§ 31 Abs 1 erster Satz FinStrG). Die Verjährungsfrist für Finanzvergehen beträgt fünf Jahre (§ 31 Abs 2 FinStrG).

Sofern nicht auf einen Erfolgseintritt abzustellen ist (§ 31 Abs 1 dritter Satz FinStrG e contrario), beginnt die Verjährungsfrist gemäß § 31 Abs 1 zweiter Satz FinStrG zu laufen, sobald die mit Strafe bedrohte Tätigkeit abgeschlossen ist oder das mit Strafe bedrohte Verhalten aufhört.

Eine Abgabenverkürzung (oder ein sonstiger Erfolg) ist nicht Tatbestandselement des Schmuggels; dieser ist mit Vornahme der tatbildlichen Tätigkeit – hier des Entziehens aus der zollamtlichen Überwachung – vollendet (Lässig in WK2 FinStrG § 31 Rz 4 sowie § 35 Rz 10 und 31).

Nach § 31 Abs 1 letzter Satz FinStrG beginnt die Verjährungsfrist nicht früher zu laufen als die Verjährungsfrist für die Festsetzung der Abgabe, gegen die sich die Straftat richtet.

Die (dreijährige) Verjährungsfrist für die Festsetzung der Zollschuld beginnt mit dem Tag ihres Entstehens zu laufen (Art 103 Abs 1 UZK). Die Zollschuld entstand hier mit dem Entziehen der einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus der zollamtlichen Überwachung (Art 79 Abs 1 lit a zweiter Fall UZK). Für die Einfuhrumsatzsteuer gelten die Rechtsvorschriften für Zölle sinngemäß (§ 2 Abs 1 ZollR‑DG iVm § 26 UStG).

Demnach begann vorliegend die fünfjährige Verjährungsfrist (§ 31 Abs 2 FinStrG) mit Beendigung des inkriminierten Verhaltens zu laufen.

Bei Tatmehrheit verjähren die einzelnen Taten grundsätzlich für sich (RIS‑Justiz RS0128998). Selbständige Tat ist beim Schmuggel jede einzelne vom Tatbestand erfasste Handlung (RIS‑Justiz RS0124712 [T2]; Lässig in WK2 Vor FinStrG Rz 8).

Im Fall der Beteiligung mehrerer (§ 11 FinStrG) können – wenn (wie hier) ein Erfolgseintritt nicht in Betracht kommt – die Zeitpunkte des Beginns der Verjährungsfrist divergieren (13 Os 118/18d).

§ 31 FinStrG normiert in Abs 3 eine (Ablaufs‑)Hemmung durch später begangene vorsätzliche Finanzvergehen bis zum Ablauf der Verjährungsfrist auch für die letzte dieser Taten, in Abs 4 lit b – betreffend (wie hier) gerichtlich zu ahndende Finanzvergehen – eine (Fortlaufs‑)Hemmung für die Zeit, während der wegen der Taten gegen den Täter ein Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft oder bei Gericht geführt wird (Lässig in WK2 FinStrG § 31 Rz 11).

Nach den Feststellungen setzte der Angeklagte I***** die dem Tatbestand des Schmuggels subsumierten Handlungen vom 4. März bis zum 9. Dezember 2008 (US 8 ff). Mit letzterem Datum war demnach die (letzte) mit Strafe bedrohte Tätigkeit abgeschlossen und begann die fünfjährige Verjährungsfrist zu laufen.

Feststellungen zu verjährungshemmenden Umständen hat das Erstgericht nicht getroffen. Die konstatierte Begehung anderer strafbarer Handlungen als Finanzvergehen (US 5) ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung (Lässig in WK2 FinStrG § 31 Rz 7). Seit wann das Strafverfahren gegen den Angeklagten I***** wegen der im Urteil angelasteten Taten bei der Staatsanwaltschaft (oder bei Gericht) geführt wurde, ist dem Urteil nicht zu entnehmen.

Machen aber fehlende Feststellungen – hier zu verjährungshemmenden Umständen – die (implizite rechtliche) Annahme der Beseitigung eines (nach dem Urteilssachverhalt gegebenen) Ausnahmesatzes (vorliegend Verjährung) unschlüssig, liegt ein Rechtsfehler mangels Feststellungen (hier Z 9 lit b) vor (RIS-Justiz RS0122332 [insbesondere T1 und T6]).

Dieser erfordert die Aufhebung des Schuldspruchs, demgemäß auch des Strafausspruchs (einschließlich des Ausspruchs über die Wertersatzstrafe), bei der nichtöffentlichen Beratung samt Rückverweisung der Sache in diesem Umfang an das Erstgericht (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO).

Mit seinen Rechtsmitteln war der Angeklagte I***** auf diese Entscheidung zu verweisen.

Hinzugefügt wird, dass dem Erstgericht bei der Anwendung des § 35 Abs 1 lit a FinStrG idF BGBl I 1999/28 ein Subsumtionsfehler (Z 10) unterlaufen ist. Erweist sich nämlich das Urteilszeitrecht aufgrund des Günstigkeitsvergleichs (§ 4 Abs 2 FinStrG) in seiner Gesamtauswirkung – hier wegen Nichterfüllung des Qualifikationstatbestands nach § 38 Abs 1 FinStrG idF BGBl I 2012/112 (vgl dazu RIS‑Justiz RS0131593) – als günstiger, läuft die Subsumtion nach dem (Grund‑)Tatbestand des Schmuggels in der Fassung des Tatzeitrechts auf eine unzulässige Mischung von Rechtsschichten hinaus (RIS‑Justiz RS0088953).

Im zweiten Rechtsgang wird im Fall einer Verurteilung die Aufhebung des § 38 FinStrG (samt Änderung des § 23 Abs 2 FinStrG) durch das EU‑Fin‑AnpG 2019 BGBl I 2019/62 zu beachten sein.

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