European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00068.17Z.1011.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen wegen der Aussprüche über die Strafe und über die privatrechtlichen Ansprüche werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch jene Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last, die nicht durch die ganz erfolglos gebliebene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft verursacht wurden.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für die Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung – Erwin P***** des Verbrechens der Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er in der Nacht vom 18. auf den 19. Juni 2016 in G***** versucht, durch Entzünden eines Brandbeschleunigungsmittels an einer fremden Sache, nämlich dem im Eigentum von Franz und Karl M***** stehenden mehrgeschoßigen Geschäfts- und Wohngebäude *****, ohne Einwilligung des Eigentümers eine Feuersbrunst zu verursachen.
Dagegen richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft, die Ersterer auf Z 1, 5a und 11 und Letztere auf Z 5 und 11 je des § 281 Abs 1 StPO stützen.
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:
Die Besetzungsrüge (Z 1) behauptet, der Gerichtshof sei in der Hauptverhandlung am 28. Februar 2017 mit einem nicht in der Dienstliste aufscheinenden Schöffen nach der Aktenlage nicht gehörig besetzt gewesen. Diesem Einwand zuwider hat nach der Aktenlage nicht Josef „W*****“ sondern Josef Wi***** als Laienrichter an der Verhandlung teilgenommen. Denn bei bei der im Protokoll über die Hauptverhandlung (ON 39) festgehaltenen Beeidigung des Josef „W*****“ als Schöffen (ON 39 S 2) handelt es sich lediglich um einen offenkundigen Schreibfehler (vgl ON 1 S 11, ON 39 S 1 sowie die im Akt erliegende Gebührenbestimmung auf der Ladung des Josef Wi*****).
Der formelle Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsfeststellungen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungs-kraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt – wird dadurch nicht eröffnet (RIS-Justiz RS0119583). Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).
Diesen Anfechtungsrahmen verfehlt die sich bloß mit eigenen Erwägungen zu den Lichtbildern über die durch das Feuer verursachten Schäden, zu den örtlichen Gegebenheiten und mit der Behauptung, unter deren Berücksichtigung sei das Sachverständigengutachten „unrichtig“, gegen die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung richtende Tatsachenrüge.
Soweit sie ohne konkretes Vorbringen einen „schwerwiegenden, die Verpflichtung zur amtswegigen Wahrheitsforschung ignorierenden Verfahrensmangel“ einwendet, bleibt sie unverständlich.
Die Sanktionsrüge (Z 11) erstattet mit dem Einwand, neben der Unbescholtenheit hätte auch der bisherige ordentliche Lebenswandel als Milderungsgrund berücksichtigt werden müssen, und mit der Behauptung, die Abwägung der Erschwerungs- und Milderungsgründe sei „nicht ausreichend“ erfolgt, nur ein Berufungsvorbringen (RIS‑Justiz RS0099920).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
Die Mängelrüge (Z 5 zweiter und dritter Fall) wendet sich mit dem Ziel einer Verurteilung wegen des vollendeten Delikts gegen die Feststellung, wonach ohne den erfolgten Einsatz der Feuerwehr ein (nicht bloß gering) ausgedehnter – also nicht bloß auf einzelne oder kleinere Objekte beschränkter – sich weiter verbreitender und unbeherrschbarer Brand (im Sinne einer Feuersbrunst/eines ausgedehnten Schadensfeuers), welcher – menschlicher Kontrolle entglitten – mit gewöhnlichen Maßnahmen, das heißt mit den üblichen Handfeuerlöschmitteln nur mehr mühsam oder überhaupt nicht unter Kontrolle gebracht werden, sondern nur mehr durch den – zwingend erforderlichen – Einsatz besonderer Mittel (wie – und insbesondere – der Feuerwehr) wirksam bekämpft werden hätte können, entstanden wäre (US 4).
Dabei verkennt die Rechtsmittelwerberin, dass die Bekämpfung der für die Strafbemessung maßgebenden entscheidenden Tatsachen (zur Zugehörigkeit von Feststellungen zur Abgrenzung von Versuch und Vollendung in den Regelungsbereich der Z 11 zweiter Fall vgl RIS‑Justiz RS0122137) mit Mängelrüge nicht in Betracht kommt (RIS‑Justiz
RS0099869 [insbes T28]).
Einwandfreie Sachverhaltsermittlung kann insoweit (ohne Behinderung durch das Neuerungsverbot) nur mit Berufung eingefordert werden (RIS‑Justiz RS0099869; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 680).
Die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) geht nicht von der oben angeführten tatrichterlichen Feststellung (US 4) aus und verfehlt solcherart die prozessordnungsgemäße Darstellung materiell-rechtlicher Nichtigkeit.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Die bloß angemeldete, im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Schuld war als unzulässig zurückzuweisen (§ 283 Abs 1 StPO).
Daraus folgte die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen wie aus dem Tenor ersichtlich (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO ( Lendl , WK-StPO § 390a Rz 8).
Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO bleibt hinzuzufügen:
Nach den tatrichterlichen Feststellungen war das Feuer geeignet, (Mit-)Eigentum Dritter in großem Ausmaß zu gefährden, weil der Schaden an dem mehrgeschoßigen Geschäfts- und Wohngebäude im dicht verbauten Stadtgebiet von G***** insgesamt rund 215.000 Euro betrug, sich der Brand ohne Einsatz der Feuerwehr auf das gesamte Tatobjekt, nämlich auch auf die im Obergeschoß befindlichen Wohneinheiten, ausgedehnt hätte und überdies die Gefahr einer Ausbreitung des Feuers auf das westlich und das östlich des Tatobjekts gelegene Nachbarobjekt (jeweils Häuser am ***** in G***** lt Luftaufnahme) bestand (zur Orientierung des Werts der betroffenen Gegenstände für die Beurteilung des Ausmaßes der Sachgefahr an der zweiten Wertgrenze der Vermögensdelikte des StGB vgl 14 Os 14/17s). Der Vorsatz des Angeklagten bezog sich dabei auf die Verursachung eines räumlich ausgedehnten, sich weiter verbreitenden und unbeherrschbaren Brandes sowie dessen Eignung zur Gefährdung von (Mit‑)Eigentum Dritter in großem Ausmaß (US 3, 4 f; vgl RIS-Justiz RS0094944). Diese Konstatierungen vermögen in Ansehung von Art und Umfang des entfesselten Schadensfeuers im Sinn des Tatbestandserfordernisses einer Feuersbrunst – entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Subsumtion der Tat unter § 169 Abs 1 StGB zu tragen.
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