OGH 13Os67/21h

OGH13Os67/21h29.9.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. September 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart der SchriftführerinMag. Vizthum in der Strafsache gegen ***** B***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen des schweren gewerbsmäßig und im Rahmen einer kriminellen Vereinigung durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 3, 130 Abs 2 (iVm Abs 1 erster und zweiter Fall) und 15 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten ***** B*****, ***** G*****, ***** I***** und ***** L***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 29. Jänner 2021, GZ 17 Hv 130/20b‑202, ferner über die Beschwerden der Angeklagten ***** B***** und ***** G***** sowie der Staatsanwaltschaft gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsichten und jeweilige Probezeitverlängerung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0130OS00067.21H.0929.000

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten ***** B***** und ***** L***** werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des ***** B***** (I 3 und II 3) sowie in der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch der ***** L***** umfassten Taten (I 2) nach § 241e Abs 2 zweiter Fall StGB und (II 2) nach § 130 Abs 2 iVm Abs 1 zweiter Fall StGB und in der zum Schuldspruch II 2 der ***** L***** gebildeten Subsumtionseinheit, demzufolge auch in den diese beiden Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen (einschließlich der jeweiligen Vorhaftanrechnung) sowie im ***** B***** betreffenden Ausspruch nach § 369 Abs 1 StPO, weiters in den Aussprüchen über den Verfall (zur Gänze), sowie der Beschluss nach § 494a StPO, soweit er ***** B***** betrifft, aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten ***** I***** und ***** G***** (zur Gänze) sowie der ***** L***** im Übrigen und die Berufung der Angeklagten ***** I***** werden zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen und ihren Beschwerden, soweit sie sich gegen aufgehobene Aussprüche richten, werden die Angeklagten ***** B*****, ***** G***** und ***** L***** sowie die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung verwiesen.

Die Akten werden vorerst dem Landesgericht für Strafsachen Graz rückgemittelt.

Den Angeklagten ***** G*****, ***** I***** und ***** L***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden ***** B*****, ***** G*****, ***** I***** und ***** L***** jeweils eines Verbrechens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 erster Fall und Abs 2 zweiter Fall StGB (I) und des schweren gewerbsmäßig und im Rahmen einer kriminellen Vereinigung durch Einbruch begangenen Diebstahls nach (richtig) §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 3, 130 Abs 2 (iVm Abs 1 erster und zweiter Fall) StGB (II) schuldig erkannt.

[2] Danach haben ***** B*****, ***** G***** und ***** I***** „einerseits“ sowie ***** L***** und mehrere weitere (teils gesondert verfolgte) Täterinnen „andererseits“ vom 14. August bis zum 8. September 2020 „jeweils im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung (§ 12 StGB) eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung“

(I) sich unbare Zahlungsmittel, über die sie nicht verfügen durften, nämlich jeweils eine Bankomatkarte des Mag. ***** S*****, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz verschafft, und zwar

(1) ***** G***** und ***** I***** am 14. August 2020,

(2) ***** L***** am 15. August 2020 sowie

(3) ***** B***** am 26. August 2020, weiters

(II) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und (unter Verwirklichung der Kriterien des § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB) in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung durch Einbruch begangenen (§ 129 Abs 1 Z 3 StGB) Diebstahls längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, fremde bewegliche Sachen von insgesamt 5.000 Euro übersteigendem Wert durch Öffnen einer Sperrvorrichtung mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel weggenommen, indem sie jeweils unter Verwendung einer der zuvor entfremdeten (I) Bankomatkarten bei Geldausgabeautomaten Bargeld behoben, und zwar

(1) ***** G***** (und ***** I***** [US 7, 8, 10 f]) in drei Angriffen zusammen 6.000 Euro,

(2) ***** L***** unter Mitwirkung (§ 12 StGB) eines weiteren Mitglieds der betreffenden Vereinigung in elf Angriffen (an fünf verschiedenen Tagen) zusammen 9.040 Euro, wobei es hinsichtlich der letzten Tat infolge Einziehung der Bankomatkarte beim Versuch (§ 15 StGB) blieb, und

(3) ***** B***** in 13 Angriffen zusammen 32.220 Euro, wobei es hinsichtlich der letzten Tat infolge Einziehung der Bankomatkarte beim Versuch (§ 15 StGB) blieb.

[3] Mit Blick auf den insoweit undeutlichen Erkenntnisinhalt (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) sei vorangestellt, dass die den Schuldsprüchen zugrunde liegenden Taten – nach dem Inhalt der Entscheidungsgründe (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 278) – im Rahmen zweier unterschiedlicher krimineller Vereinigungen begangen wurden, die um ein und dasselbe Opfer rivalisierten. Die eine (I 1 und 3 sowie II 1 und 3) bestand aus B*****, G***** und I*****, die andere (I 2 und II 2) aus L*****, der gesondert verfolgten ***** F***** und „zumindest eine[r] weitere[n] unbekannte[n] Täterin“. Die jeweils im Rahmen der betreffenden kriminellen Vereinigung begangenen Taten wurden nicht jeweils von all deren Mitgliedern „im bewussten und gewollten Zusammenwirken“ begangen. Vielmehr umfasst der Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) des B***** nur die zu I 3 und II 3, jener der G***** und der I***** nur die zu I 1 und II 1 sowie jener der L***** nur die zu I 2 und II 2 umschriebenen Taten (US 7 bis 11).

Rechtliche Beurteilung

[4] Zu den Rechtsmitteln der Angeklagten ***** I*****:

[5] Nach Urteilsverkündung und erteilter Rechtsmittelbelehrung gab diese Angeklagte zunächst keine Erklärung ab (ON 201 S 32). Mit Schriftsatz vom 1. Februar 2021 (ON 208) erklärte ihr Verteidiger im Vollmachtsnamen, Nichtigkeitsbeschwerde und „Berufung sowie Beschwerde gegen den […] Privatbeteiligtenzuspruch“ anzumelden. Mit Schreiben vom 3. Februar 2021 erklärte die Angeklagte, sie „nehme das Urteil an“ und „gehe nicht in Berufung“ (ON 213). Zufolge eines – vom Vorsitzenden aufgetragenen (ON 213) – Schriftsatzes des Verteidigers vom 8. Februar 2021 (ON 216) wiederum bleibe „die Rechtsmittelanmeldung des Verteidigers [...] vollinhaltlich aufrecht und“ könne „das Ansuchen der Angeklagten vom 03.02.2021 – nach erfolgter Rücksprache mit dieser – als gegenstandslos betrachtet werden“. Binnen vier Wochen nach Zustellung einer Urteilsausfertigung an den Verteidiger führte dieser die angemeldeten Rechtsmittel aus (ON 242).

[6] Die Erklärung der Angeklagten (ON 213) ist – ihrem unmissverständlichen Inhalt nach – als Verzicht auf die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung aufzufassen.

[7] Ein rechtwirksam erklärter Rechtsmittelverzicht ist unwiderruflich (RIS-Justiz RS0099945).

[8] Im Fall einander widersprechender Erklärungen (hier) der Angeklagten und ihres Verteidigers gilt grundsätzlich ihre (§ 57 Abs 2 zweiter Satz StPO). § 57 Abs 2 letzter Satz StPO, der (als Ausnahme hierzu) die Wirkungslosigkeit eines „nicht im Beisein [ihres] Verteidigers und nach Beratung mit diesem“ abgegebenen Rechtsmittelverzichts der Angeklagten normiert, ist auf unmittelbar im Anschluss an die Urteilsverkündung abgegebene Erklärungen der Angeklagten zu reduzieren (RIS‑Justiz RS0133227).

[9] Hiervon ausgehend ist der fallkonkret – außerhalb der angesprochenen Prozesssituation – erklärte Rechtsmittelverzicht der Angeklagten rechtswirksam und (demzufolge) unwiderruflich (vgl 11 Os 59/20s).

[10] Ihre (dennoch ausgeführten) Rechtsmittel wurden somit von einer Person eingebracht, die auf sie verzichtet hat (§ 285a Z 1 StPO und § 294 Abs 4 StPO).

[11] Ihre (hingegen zulässigerweise) gegen das Urteil erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden stützen die Angeklagten ***** B***** und ***** G***** auf Z 5, 9 (jeweils gemeint) lit a und 10 sowie ***** L***** auf Z 10 und 11 jeweils des § 281 Abs 1 StPO.

[12] Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ***** B*****:

[13] Dass Mag. S***** der Gewahrsamsbegründung an seinen Bankomatkarten durch die Angeklagten (I) sowie deren anschließender Verwendung durch wiederholte, sie bereichernde (ihn selbst hingegen entreichernde) Bargeldbehebungen von seinem Bankkonto (II) irrtumsfrei zugestimmt hätte, hat das Erstgericht sachverhaltsmäßig verneint (US 7 f, 8 und 12).

[14] Ein entsprechendes mängelfreies Einverständnis (Kienapfel/Höpfel/Kert, AT16 Rz 15.58, 15.66 und 15.71 f) des Opfers hätte die Tatbestandsmäßigkeit sowohl der vom Schuldspruch I 3 umfassten Tat nach § 241e Abs 1 erster Fall StGB (vgl dazu Schroll in WK2 StGB § 241e Rz 7 und 8) als auch der vom Schuldspruch II 3 umfassten Taten nach § 127 StGB (dazu Stricker in WK2 StGB § 127 Rz 142 und [zu konsenslosen Behebungen bei Geldausgabeautomaten] 147; vgl RIS-Justiz RS0093812) des Beschwerdeführers ausgeschlossen.

[15] Wie die Mängelrüge im Kern zutreffend aufzeigt, blieb das – demnach entscheidende Tatsachen betreffende – angesprochene Feststellungssubstrat, soweit es den Beschwerdeführer betrifft, offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall):

[16] Wurde doch die (bekämpfte) Urteilsprämisse, die Angeklagten hätten die Bargeldbehebungen mit der Bankomatkarte des Opfers „ohne [dessen] ausdrückliche Zustimmung vorgenommen“, allein auf die „Aufstellung des Bar/Pensionskontos des Opfers“ und die „angefertigten Lichtbilder von den Bankomatbehebungen“ gestützt (US 12).

[17] Dabei handelt es sich insoweit um bloße Scheingründe, weil die genannten Beweisergebnisse zur Frage einer vom Berechtigten erteilten Zustimmung (und der allfälligen Wirksamkeit einer solchen) gar nichts austragen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 444 ff).

[18] Die Urteilserwägung, wonach die Einlassungen aller Angeklagten (also auch des Beschwerdeführers), die Bargeldbehebungen mit Erlaubnis des Opfers vorgenommen zu haben, „reine Schutzbehauptungen“ seien (US 11), bleibt solcherart ihrerseits bloße Behauptung. Daran ändert nichts, dass – der weiteren Urteilsbegründung zufolge – zeugenschaftliche Angaben des Mag. S***** „betreffend einer erteilten Zustimmung zu diesen Behebungen von seinem Konto“ „auf Grund seiner mangelten Vernehmungsfähigkeit“ („in Kombination“ mit einem Sachverständigengutachten und Aussagen mehrerer Zeugen, auf die bloß pauschal verwiesen wird) ebenfalls „nicht zu Gunsten der Angeklagten gewertet werden“ können (US 13). Ist doch auch damit nicht gesagt, dass daraus das Gegenteil erwiesen wäre.

[19] Mit Blick auf die deshalb gebotene Aufhebung des (gesamten) Schuldspruchs des Beschwerdeführers hat dessen weiteres Vorbringen auf sich zu beruhen.

[20] Zur Nichtigkeitsbeschwerde der ***** G*****:

[21] Die gegen den Schuldspruch I 1 gerichtete – mit jener des B***** weitgehend inhaltsgleiche – Mängelrüge (Z 5) bekämpft ebenfalls die sachverhaltsmäßige Verneinung eines irrtumsfreien Einverständnisses des Opfers. Sie übergeht jedoch die Urteilsprämisse, Mag. S***** habe den weiblichen Angeklagten (I 1 und 2) – anders als B*****, zu dessen vom (aufgehobenen) Schuldspruch I 3 umfasster Tat das Ersturteil insoweit keine Aussage trifft – seine Bankomatkarte (samt PIN-Code) jeweils aufgrund von Täuschungen über angeblich erbrachte Reinigungsdienste der Angeklagten „auf deren einschmeichelndes Zureden“ „zur Behebung des vermeidlichen Arbeitslohnes“ überlassen (US 7 f, 8 und 12), was ein wirksames Einverständnis jedenfalls ausschließt (erneut Kienapfel/Höpfel/Kert, AT16 Rz 15.66).

[22] Indem sie es solcherart versäumt, die Gesamtheit der diesbezüglichen Entscheidungsgründe in den Blick zu nehmen, bringt sie den herangezogenen Nichtigkeitsgrund nicht zu prozessförmiger Darstellung (RIS-Justiz RS0119370).

[23] Die weitere Beschwerde („Z 9“, Z 10) wendet sich auch gegen den Schuldspruch II 3. Dieser betrifft – wie eingangs dargelegt – nicht die Beschwerdeführerin (sondern bloß den Mitangeklagten B*****). Zu seiner Anfechtung ist sie daher nicht legitimiert.

[24] Soweit die Rechtsrüge („Z 9“) Feststellungen „zur Widerrechtlichkeit“ (I 1) und zum Erfordernis eines „Gewahrsamsbruches gegen den Willen des Opfers“ (II 1) vermisst, vernachlässigt sie prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0099810) die gerade dazu getroffenen – teils mit Mängelrüge erfolglos bekämpften – Urteilsfeststellungen (US 7 f, 10 f).

[25] Gleiches gilt, soweit die Subsumtionsrüge (Z 10) Rechtsfehler mangels Feststellungen

- zur Bildung der – von § 241e Abs 2 zweiter Fall StGB (I 1) und von § 130 (Abs 2 iVm) Abs 1 zweiter Fall StGB (II 1) vorausgesetzten – kriminellen Vereinigung (§ 278 Abs 2 StGB) vor der jeweiligen Tatbegehung,

- zur Begehung der vom Schuldspruch II 1 umfassten Taten unter Mitwirkung (§ 12 StGB) eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung (§ 130 Abs 2 iVm Abs 1 zweiter Fall StGB) und

- zur – von § 130 Abs 2 iVm Abs 1 erster Fall StGB (II 1) vorausgesetzten – Erfüllung einer der Varianten des § 70 Abs 1 Z 1 bis 3 StGB in Bezug auf nach § 128 Abs 1 StGB oder § 129 Abs 1 StGB qualifizierte (Diebstahls-)Taten der Beschwerdeführerin

behauptet.

[26] Denn das Erstgericht ging – auf der Tatsachenebene – deutlich genug (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19) davon aus, dass

- der Zusammenschluss (§ 278 Abs 2 StGB) der Beschwerdeführerin mit zumindest zwei weiteren Personen (nämlich B***** und I*****) den vom Schuldspruch umfassten Taten zeitlich voranging (US 7 f),

- eine dieser Personen, nämlich I*****, (jedenfalls) durch die von deren Schuldspruch I 1 umfasste Tat (US 7 f) – mit entsprechender Intention (US 10 f) – zu den Diebstählen der Beschwerdeführerin (II 1) zumindest beitrug (§ 12 dritter Fall StGB) und

- die Beschwerdeführerin drei nach § 129 Abs 1 Z 3 StGB qualifizierte (Diebstahls-)Taten beging (II 1), deren letzter somit bereits zwei „solche“ Taten vorangingen (§ 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB; vgl RIS-Justiz RS0130965 [T2 und T4]).

[27] Weshalb die Subsumtion nach § 130 Abs 2 iVm Abs 1 zweiter Fall StGB (II 1) – über den Wortlaut des § 278 Abs 2 StGB („nicht nur geringfügige […] Diebstähle“ oder [ua] strafbare Handlungen nach §§ 241a bis 241c StGB) hinaus – zur Voraussetzung haben sollte, dass die kriminelle Vereinigung auf die Begehung (just) nach § 128 Abs 1 StGB oder § 129 Abs 1 StGB qualifizierter Diebstähle ausgerichtet ist, legt das diesbezügliche Feststellungen vermissende Vorbringen (Z 10) nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar (siehe aber RIS-Justiz RS0116565).

[28] Ebenso wenig, weshalb der Umstand, dass die vom Schuldspruch II 1 umfassten Taten nicht schon je für sich, sondern bloß zusammengerechnet (§ 29 StGB) die Wertqualifikation des § 128 Abs 1 Z 5 StGB erfüllen – angesichts der jeweils ohnedies verwirklichten Qualifikation nach § 129 Abs 1 Z 3 StGB – die rechtliche Annahme der (insoweit einen alternativen Mischtatbestand bildenden – vgl RIS-Justiz RS0131765) Qualifikation nach § 130 Abs 2 StGB hindern sollte.

[29] Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten ***** L*****:

[30] Die Beschwerde (nominell Z 11 erster Fall iVm Z 5, der Sache nach Z 5) bekämpft die – sowohl die Subsumtion nach § 241e Abs 2 zweiter Fall StGB (I 2) als auch jene nach § 130 Abs 2 iVm Abs 1 zweiter Fall StGB (II 2) (mit-)tragende – Feststellung, die Beschwerdeführerin habe sich mit der gesondert verfolgten ***** F***** und „zumindest eine[r] weitere[n] unbekannte[n] Täterin“ (im Sinn des § 278 Abs 2 StGB) zusammengeschlossen (US 7).

[31] Wie die Rüge zutreffend aufzeigt, blieb diese Feststellung offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall):

[32] Die Tatrichter stützten sie auf in der Wohnung des Mag. S***** gesicherte DNA-Spuren und Fingerabdrücke sowie die Aussage der Zeugin M*****, zwei Frauen, eine davon die Beschwerdeführerin, in der Wohnung des Opfers wahrgenommen zu haben (US 12). Die Existenz („zumindest“) einer dritten, unbekannt gebliebenen Person als (von § 278 Abs 2 StGB vorausgesetztes) weiteres Mitglied einer mit der Beschwerdeführerin gebildeten kriminellen Vereinigung ergibt sich daraus nicht.

[33] Aufgrund der deshalb gebotenen Aufhebung des Schuldspruchs der Beschwerdeführerin in der Subsumtion nach § 241e Abs 2 zweiter Fall StGB (I 2) und nach § 130 Abs 2 iVm Abs 1 zweiter Fall StGB (II 2) hat ihr weiteres diesbezügliches Vorbringen auf sich zu beruhen.

[34] Die übrigen – gegen die Qualifikation nach § 130 Abs 2 iVm Abs 1 erster Fall StGB (II 2) gerichteten – Einwände verfehlen ihr Ziel:

[35] Kein Widerspruch (Z 5 dritter Fall, nominell verfehlt iVm Z 11) besteht zwischen den Feststellungen, die Angeklagte habe einerseits danach getrachtet, mit der Bankomatkarte des Opfers „soviel Geld wie möglich“ zu beheben (US 8) und andererseits (zugleich) „beabsichtigt“, sich durch die „wiederkehrende Begehung derartiger Tathandlungen“ längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen (US 8).

[36] Entgegen dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (nominell Z 11 erster Fall iVm Z 5, der Sache nach Z 5 vierter Fall) hat das Erstgericht die Feststellungen zur gewerbsmäßigen Begehungsweise (US 8) nicht allein auf die Beschäftigungslosigkeit der Beschwerdeführerin gestützt (US 13), sondern überdies – von der Rüge prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0119370) missachtet – aus dem „objektiven Geschehensablauf“ (US 11) erschlossen.

[37] Unter Bezugnahme auf die konstatierte Intention der Beschwerdeführerin, mit der Bankomatkarte „soviel Geld wie möglich“ zu beheben (US 8), will die Subsumtionsrüge (Z 10) den vom Schuldspruch II 2 umfassten Sachverhalt als tatbestandliche Handlungseinheit – somit als eine einzige (Diebstahls-)Tat anstelle von mehreren – mit der Konsequenz eines Entfalls der angesprochenen Qualifikation (mangels Erfüllung der Kriterien des § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB) verstanden wissen. Sie macht aber nicht klar, weshalb ein (mit der in Rede stehenden Konstatierung festgestellter) einheitlicher Willensentschluss die Annahme einer – mit der Feststellung von (zumindest) fünf zeitlich und nach der Intention der Beschwerdeführerin klar voneinander abgegrenzten („wiederkehrende[n]“) Begehungen (US 8) fallkonkret ebenfalls zum Ausdruck gebrachten – Tatmehrheit rechtlich ausschließen sollte (vgl zum Problem Kirchbacher in WK2 § 167 Rz 66 ff; zur [hier angesprochenen] tatbestandlichen Handlungseinheit im weiteren Sinn 13 Os 1/07g [verst Senat], RIS-Justiz RS0122006).

[38] Die von B***** und die von L***** zutreffend geltend gemachte formelle Nichtigkeit des angefochtenen Urteils führte zur Aufhebung wie aus dem Spruch ersichtlich bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§§ 285e, 289 StPO).

[39] Mit ihren Berufungen,

- soweit sie sich gegen die Strafaussprüche des B***** und der L***** wenden, waren diese Angeklagten sowie die Staatsanwaltschaft,

- soweit sie sich gegen die B***** und G***** betreffenden Verfallsaussprüche wenden, waren diese Angeklagten und

- soweit sich jene des B***** gegen den ihn betreffenden Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche wendet, war dieser Angeklagte

auf die Aufhebung zu verweisen; ebenso B***** und die Staatsanwaltschaft mit ihren gegen den Beschluss nach § 494a StPO, soweit er diesen Angeklagten betrifft, gerichteten Beschwerden.

[40] Die Nichtigkeitsbeschwerden im Übrigen waren, wie auch die Berufung der I***** (§ 296 Abs 1 und 2 StPO), bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[41] Über die Berufungen der G***** im Übrigen sowie der Staatsanwaltschaft, soweit sich diese gegen die G***** und I***** betreffenden Strafaussprüche richtet, und über die Beschwerden der G***** (§ 498 Abs 3 dritter Satz StPO) und der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss nach § 494a StPO, soweit er diese Angeklagte betrifft, hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

[42] Mit Blick auf den zweiten Rechtsgang sei hinzugefügt:

1. Der verbleibende Prozessgegenstand ressortiert in die funktionale Zuständigkeit des Einzelrichters (§ 31 Abs 4 StPO; zur Verweisung an diesen siehe RIS-Justiz RS0100271).

2. Teils infolge der Aufhebung des Schuldspruchs des Angeklagten B*****, teils darüber hinaus (§ 289 StPO) wurden auch die – in Ansehung aller Angeklagten ergangenen (US 4) – Verfallsaussprüche aufgehoben.

[43] Im Fall neuerlichen Ausspruchs des Verfalls nach § 20 Abs 1 oder 3 StGB wird zur Vermeidung diesbezüglicher Nichtigkeit (Z 11 erster Fall) zu beachten sein:

[44] Dem Verfall unterliegende Vermögens- und Ersatzwerte (§ 20 Abs 1 und 2 StGB) sowie der Wertersatz (§ 20 Abs 3 StGB) dürfen nur dem tatsächlichen Empfänger mittels Verfall abgenommen werden. Sind daher – wie nach den Feststellungen des Ersturteils – Vermögenswerte mehreren Personen zugekommen (hier B*****, G***** und I***** einerseits sowie L***** und weiteren Personen andererseits), so ist bei jedem Empfänger nur der dem jeweiligen Vermögenswert entsprechende Betrag für verfallen zu erklären (RIS‑Justiz RS0129964). Hiervon ausgehend wird – anders als im angefochtenen Urteil – eine die dafür maßgeblichen Tatumstände klärende Feststellungsgrundlage zu schaffen sein. Der Ausspruch einer Solidarhaftung mehrerer Angeklagter, wie ihn das Erstgericht in Bezug auf B*****, G***** und I***** vornahm (US 4), ist hingegen ebenso verfehlt wie, einer Angeklagten allein den Wertersatz für mehreren Personen zugekommene Vermögenswerte aufzuerlegen (hier US 4 in Bezug auf L*****).

[45] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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