OGH 13Os148/10d

OGH13Os148/10d17.2.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und Mag. Michel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kirnbauer als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Karl K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 10. November 2010, GZ 11 Hv 136/10w-24, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die Einziehung aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Steyr verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des Karl K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.

Danach hat er am 8. Juli 2010 in Steyr unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer paranoiden Schizophrenie beruht, Petra Kr***** durch Versetzen mehrerer Stiche mit einem Messer mit einer Klingenlänge von etwa 15 cm in den Bauchbereich eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zuzufügen versucht, wobei die Tatvollendung nur durch Ausweichen und Abwehren der Stiche sowie durch Dazwischentreten des Josef P***** und des Volkmar B***** unterblieb, und dadurch das Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB begangen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 5a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen geht fehl.

Entgegen dem Vorwurf der Mängelrüge entspricht die vom Erstgericht aus der festgestellten Stichführung in die Bauchregion (US 3) abgeleitete Absicht des Betroffenen, Petra Kr***** schwer zu verletzen (US 6), einer logischen und empirisch einwandfreien Begründung und ist demnach auch unter dem Aspekt der Z 5 vierter Fall des § 281 Abs 1 StPO nicht zu beanstanden.

Soweit der Beschwerdeführer gestützt auf die von den Tatrichtern miteinbezogene, aber als widerlegt erachtete Verantwortung des Betroffenen (US 5), wonach er die Zeugin Kr***** nicht verletzen, sondern nur bedrohen oder erschrecken wollte, Begründungsmängel der Feststellungen zur subjektiven Tatseite behauptet (Z 5 zweiter Fall), bekämpft er unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung. Der Vorwurf mangelnder Erörterung von Widersprüchen unterlässt die gebotene deutliche und bestimmte Bezeichnung derselben und entzieht sich solcherart einer sachbezogenen Erwiderung.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) erschöpft sich im Wesentlichen darin, den beweiswürdigenden Überlegungen der Tatrichter nach Art einer in kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung eigene Beweiswerterwägungen entgegen zu setzen und die vom Erstgericht als glaubwürdig befundenen Angaben der Zeugin Petra Kr***** durch die als widerlegt angesehene Verantwortung des Betroffenen in Zweifel zu ziehen. Mit isoliert herausgegriffenen Passagen der Aussage des Zeugen Josef P*****, wonach der Betroffene noch etwa eineinhalb Meter von der Kellnerin entfernt gewesen sei, als er dieser zur Hilfe eilte (ON 23 S 9), vermag der Beschwerdeführer bereits mangels lückenloser Beobachtung des Vorfalls keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen (vgl ON 23 S 8; US 5). Mit Vorbringen, wonach etwa die Zeugin Petra Kr***** dem Betroffenen einen „bösartigen Blick“ zugeschrieben habe, diese jung sowie unerfahren sei und allenfalls tatsächliche Handlungsabläufe mit Erinnerungen aus einem Spielfilm vermischt habe, bekämpft die Tatsachenrüge die Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit der Zeugin. Der solcherart kritisch-psychologische Vorgang ist einer Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren entzogen (RIS-Justiz RS0106588; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 431).

Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) genügt der konstatierte hohe Grad der Wahrscheinlichkeit der Begehung einer folgenschweren Prognosetat der von § 21 Abs 1 StGB geforderten Gefährlichkeitsprognose (RIS-Justiz RS0089988; Ratz in WK² Vorbem zu §§ 21 bis 25 Rz 4; Leukauf/Steininger Komm³ § 21 RN 12).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch von einer nicht geltend gemachten, dem Betroffenen aber zum Nachteil gereichenden Nichtigkeit betreffend das Einziehungserkenntnis überzeugt (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO):

Einziehung nach § 26 Abs 1 StGB setzt voraus, dass die vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstands geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen durch den Täter selbst oder durch andere Personen entgegenzuwirken. Dabei spricht das Wort „geboten“ die Deliktstauglichkeit des Gegenstands an (RIS-Justiz RS0121298), davon kann bei einem Klappmesser ohne Hinzutreten besonderer Eigenschaften in der Regel nicht die Rede sein (vgl RIS-Justiz RS0082031; Ratz in WK² § 26 Rz 13). Feststellungen dazu als (notwendige) Grundlage der Gefährlichkeitsprognose hat das Erstgericht, das die Maßnahme bloß mit der Gesetzesstelle begründet hat (US 8), allerdings nicht getroffen (vgl 14 Os 83/10b).

Der Berufung des Betroffenen ist lediglich ein gegen die Einweisung gerichteter Anfechtungswille zu entnehmen. Demnach war die Nichtigkeit (Z 11 zweiter Fall) bereits vom Obersten Gerichtshof von Amts wegen aufzugreifen (§§ 285e erster Fall, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), weil dem Berufungsgericht zufolge Beschränkung auf die der Berufung unterzogenen Punkte die amtswegige Wahrnehmung der die Einziehung betreffenden Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO zu Gunsten des Betroffenen verwehrt ist (vgl 14 Os 83/10b; 14 Os 59/10y; Ratz, WK-StPO § 294 Rz 10 und § 295 Rz 7).

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