OGH 13Os140/15k

OGH13Os140/15k18.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Dezember 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Jukic als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen den belangten Verband MM***** GmbH wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG und weiterer strafbarer Handlungen, je iVm § 3 Abs 1 Z 1 und 2, Abs 2 VbVG, über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Manfred M***** sowie des belangten Verbandes gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 8. April 2015, GZ 64 Hv 136/13s‑43, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00140.15K.1218.000

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerden sowie die Berufung des Manfred M***** werden zurückgewiesen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in dem gemäß § 3 Abs 1 Z 1 und 2, Abs 2 VbVG ergangenen Ausspruch der Verantwortlichkeit des belangten Verbandes für die zu B/I/2 angeführten, §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG unterstellten Taten des Manfred M***** sowie demzufolge im Ausspruch über die Verbandsgeldbuße aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Klagenfurt verwiesen.

Der belangte Verband wird mit seiner Berufung auf die Aufhebung des Ausspruchs über die Verbandsgeldbuße verwiesen.

 

Gründe:

Mit dem der Bestimmung des § 22 Abs 2 VbVG entsprechend gesondert verkündeten (ON 42 S 43), aber ‑ da die Urteilsausfertigung die Urschrift des mündlich verkündeten Urteils darstellt (vgl Danek , WK-StPO § 270 Rz 1) ‑ verfehlt gemeinsam mit dem Urteil gegen die natürliche Person (ON 42 S 38 ff; § 22 Abs 1 VbVG) ausgefertigten angefochtenen Urteil sprach das Gericht aus, dass die MM***** GmbH als belangter Verband im Sinn des § 3 Abs 1 Z 1 und 2, Abs 2 VbVG für die (nicht rechtskräftig) als mehrere Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG (B/I) und nach §§ 33 Abs 2 lit b, 38 Abs 1 FinStrG (B/II) beurteilten Taten des Manfred M***** mit einem strafbestimmenden Wertbetrag von 70.351,91 Euro (US 20) verantwortlich ist, weil Manfred M***** als faktischer Machthaber und somit Entscheidungsträger des Verbandes diese Finanzvergehen rechtswidrig und schuldhaft zu dessen Gunsten und unter Verletzung der diesen als Abgabenpflichtigen treffenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen begangen hat.

Dabei ging das Erstgericht davon aus, dass Manfred M***** als für die abgabenrechtlichen Belange verantwortlicher faktischer Machthaber und als faktischer Geschäftsführer der im Bereich des Finanzamts St. Veit Wolfsberg unter der Steuernummer ***** erfassten MM***** GmbH vorsätzlich und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung einer Abgabenhinterziehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen,

I/ im Zeitraum von 2011 bis 2013 unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige‑, Offenlegungs-oder Wahrheitspflichten, nämlich durch Nichtoffenlegung und Verschweigen von Umsätzen und Betriebseinnahmen und in der Folge Nichterfassung derselben in den diesbezüglichen Jahressteuererklärungen, eine Verkürzung der bescheidmäßig festzusetzenden Umsatz‑ und der selbst zu berechnenden Kapitalertragsteuer bewirkt hat, und zwar:

1/ an Umsatzsteuer

a/ im Jahr 2010 um 2.900 Euro;

b/ im Jahr 2011 um 10.800 Euro;

c/ im Jahr 2012 um 10.800 Euro;

 

2/ an Kapitalertragsteuer in wiederholten, zeitlich und der Höhe nach nicht mehr näher konkretisierbaren Taten:

a/ im Jahr 2010 um 5.294,70 Euro;

b/ im Jahr 2011 um 11.921,40 Euro;

c/ im Jahr 2012 um 7.825,50 Euro;

 

II/ im Zeitraum Februar 2010 bis Jänner 2013 unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von § 76 EStG entsprechenden Lohnkonten „infolge Unterlassung der Führung bzw. nicht ordnungsgemäßer Führung derselben, nämlich durch die vollständige Nichterfassung der ausbezahlten Lohnzahlungen bzw. der lohnsteuerpflichtigen Lohnbestandteile“ und durch Nichtabfuhr der diesbezüglichen Lohnabgaben für die Monate Jänner 2010 bis Dezember 2012, „mittels der jeweiligen Höhe nach nicht näher konkretisierbaren Taten zu jedem 15. Tag des jeweils nachfolgenden Monats“ nachstehende Verkürzung an Lohnabgaben bewirkt und (US 11) dies für gewiss gehalten hat, und zwar:

1/ an Lohnsteuer

a/ im Jahr 2010 um 1.001,38 Euro;

b/ im Jahr 2011 um 6.492,93 Euro;

c/ im Jahr 2012 um 3.895,53 Euro;

 

2/ an Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen

a/ im Jahr 2010 um 906,64 Euro;

b/ im Jahr 2011 um 3.818,12 Euro;

c/ im Jahr 2012 um 4.695,71 Euro.

 

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die identen, auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 9 lit a StPO gestützten und in einem Schriftsatz gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden des Manfred M***** und des belangten Verbandes. Beide erhoben zudem Berufungen.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde und zur Berufung des Manfred M*****:

§ 15 Abs 1 zweiter Satz VbVG sieht vor, dass der belangte Verband ‑ selbst bei getrennter Verfahrensführung ‑ auch im Strafverfahren gegen die natürliche Person die Stellung eines Beschuldigten hat, und zwar nicht nur in der Hauptverhandlung, sondern, soweit aus der Verurteilung eine Voraussetzung für seine Verantwortlichkeit abgeleitet werden kann, auch im Rechtsmittelverfahren. Denn mit den Rechten eines Beschuldigten verbindet sich auch die Möglichkeit der Urteilsanfechtung ( Steininger VbVG § 14 Rz 15 f; 994 BlgNR 22. GP  32; Hilf/Zeder in WK² VbVG § 15 Rz 5, § 24 Rz 1).

Eine Rechtsmittellegitimation der natürlichen Person im Verfahren gegen den belangten Verband findet sich hingegen im Gesetz nicht.

Es waren daher die Nichtigkeitsbeschwerde des Manfred M***** (§§ 285a Z 1, 285d Abs 1 Z 1 StPO) und dessen Berufung (§§ 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO; RIS‑Justiz RS0100042) schon in nichtöffentlicher Sitzung sofort zurückzuweisen.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des belangten Verbandes:

Voranzustellen ist, dass nur die Begehung einer nach einem Bundes- oder Landesgesetz mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung (zum Begriff vgl Fuchs AT I 8 6/3; 13 Os 63/05x mwN; zur Einschränkung bei Finanzvergehen siehe § 1 Abs 1 letzter Halbsatz VbVG) durch bestimmte natürliche Personen unter Erfüllung weiterer spezifischer Voraussetzungen (siehe dazu §§ 2 und 3 VbVG) die Verantwortlichkeit des Verbandes auszulösen vermag (§ 1 Abs 1 VbVG; Hilf/Zeder in WK² VbVG § 1 Rz 3 f). Diese straftat- und deliktsspezifische Akzessorietät der Haftung des belangten Verbandes (vgl Steininger VbVG § 3 Rz 36 und 48) stellt materiell-rechtlich einen untrennbaren Zusammenhang zwischen dem Handeln des Entscheidungsträgers oder Mitarbeiters und der Verbandsverantwortlichkeit her.

Solcherart ist mangels eines auch gegenüber dem belangten Verband materiell rechtskräftigen Schuldspruchs (vgl RIS-Justiz RS0112232) einer natürlichen Person fallbezogen auch die rechtswidrige und schuldhafte Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung durch den Entscheidungsträger (§§ 2 Abs 1 Z 1, 3 Abs 2 VbVG) Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde gegen das über den belangten Verband ausgesprochene Urteil und der diesbezüglichen amtswegigen Prüfung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung (ON 42 S 37) der nachangeführten Beweisanträge Verteidigungsrechte nicht verletzt:

Die Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO setzt voraus, dass über einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag nicht oder nicht im Sinn des Antragstellers entschieden wurde. Wurde der Beweisantrag nur in einem vor der Hauptverhandlung eingebrachten schriftlichen Beweisantrag, nicht aber in der Verhandlung selbst gestellt, ist dem Beschwerdeführer die Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO verwehrt (RIS‑Justiz RS0099178). Die Verweisung auf einen vor der Hauptverhandlung eingebrachten Schriftsatz vermag eine der Verfahrensordnung entsprechende Antragstellung in der Hauptverhandlung ebenso wenig zu ersetzen (RIS‑Justiz RS0099178 [T13], RS0099511 [T5]) wie die Erklärung, die schriftlich gestellten Anträge aufrecht zu halten (RIS‑Justiz RS0099178 [T11, T14]).

Ein auf seine Berechtigung überprüfbarer Beweisantrag liegt nur dann vor, wenn in ihm das Beweismittel und das Beweisthema angegeben und darüber hinaus dargelegt wird, inwieweit das bei Durchführung der beantragten Beweise nach Ansicht des Antragstellers zu erwartende Ergebnis der Beweisaufnahme für die Schuldfrage von Bedeutung ist und aus welchem Grund erwartet werden kann, dass die Durchführung der begehrten Beweise auch tatsächlich das vom Antragsteller behauptete Ergebnis haben werde ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 327, 330).

Demgemäß verfielen sowohl der Antrag auf „Einvernahme, wie im Beweisantrag vom 11. 12. 2015 (richtig: 11. Februar 2015, ON 34), und zwar der Zeugin Christine B***** sowie des Zeugen Gerald P*****, beide per Adresse U***** GmbH, zum Beweis wie dort“ (ON 42 S 24) als auch der Antrag „auf Beiziehung eines kfz‑technischen Sachverständigen sowie eines Sachverständigengutachtens aus dem Buchwesen/Wirtschaftsprüfer“, den die Beschwerdeführer ohne weiteres Vorbringen bloß „wiederholt und beantragt“ haben (ON 42 S 36 f), zu Recht der Ablehnung.

Auf das die Beweisanträge unzulässig ergänzende (RIS-Justiz RS0099618,

RS0099117) Vorbringen der Verfahrensrüge ist nicht weiter einzugehen.

Bezugspunkt der Mängelrüge (Z 5) ist der Ausspruch über die als entscheidend zu wertenden Tatsachen in den Entscheidungsgründen. In diesem Sinn entscheidend ist eine Tatsache genau dann, wenn die Feststellung ihres Vorliegens oder Nichtvorliegens entweder die rechtliche Entscheidung über Schuld- oder Freispruch (§§ 259, 260 Abs 1 Z 2 StPO) oder ‑ im Fall gerichtlicher Strafbarkeit ‑ darüber beeinflusst, welche strafbaren Handlungen (zum Begriff Ratz in WK2 StGB Vor §§ 28 bis 31 Rz 1) begründet werden.

Hievon ausgehend nennt das Gesetz fünf Fehlerkategorien, denen unter dem Aspekt des § 281 Abs 1 Z 5 StPO Relevanz zukommt:

Undeutlichkeit im Sinn der Z 5 erster Fall ist gegeben, wenn ‑ nach Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof, also aus objektiver Sicht ‑ nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten, mithin sowohl für den Beschwerdeführer als auch für das Rechtsmittelgericht, unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt worden oder auch aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist.

Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil genau dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ.

Widersprüchlich sind zwei Aussagen, wenn sie nach den Denkgesetzen oder grundlegenden Erfahrungssätzen nicht nebeneinander bestehen können. Im Sinn der Z 5 dritter Fall können die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen, die zu den getroffenen Feststellungen über entscheidende Tatsachen angestellten Erwägungen sowie die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen und die dazu angestellten Erwägungen zueinander in Widerspruch stehen.

Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, die den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht.

Aktenwidrig im Sinn der Z 5 fünfter Fall ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt.

Den angeführten Kriterien wird mit dem Rechtsmittelvorbringen nicht entsprochen:

Mit dem Einwand, mangels Feststellung des konkreten Zeitraums, innerhalb dessen die Zeugen Markus Pa*****, Hubert H*****, Gertrude H***** und Roland Ha***** als Fahrer beschäftigt gewesen seien, sei die Feststellung des Deliktzeitraums nicht möglich, wird der Beschwerdebehauptung zuwider weder Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) noch Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) im dargelegten Sinn geltend gemacht.

Soweit die Rüge offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) einwendet und kritisiert, aus der Aussage von vier Zeugen sei nicht der Rückschluss zulässig, das angenommene „Abrechnungsmodell“ habe vom ersten Tag der unternehmerischen Tätigkeit an für sämtliche Dienstnehmer gegolten, bekämpft sie bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung. Dies gilt auch für die weitere „konkrete Beweisergebnisse“ fordernde Behauptung, es gebe (ausgenommen die Jahre 2011 und 2012) keine Beweisergebnisse dafür, dass alle Dienstnehmer derartige Provisionen bezogen hätten.

Der Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall), weil die übrigen Dienstnehmer durch die bekämpften Feststellungen „faktisch inkriminiert“ würden, ohne dass ihnen rechtliches Gehör gewährt worden sei, orientiert sich ebenfalls nicht am dargestellten Anfechtungsrahmen.

Mit der Behauptung, aus der Aussage der Betriebsprüferin Gabriele R***** ließe sich ‑ der Auffassung des Erstgerichts (US 15 ff) zuwider ‑ „ein logischer Zusammenhang bzw eine logische Schlussfolgerung nicht ziehen“, wendet sich die Rüge erneut bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung mit eigenen Erwägungen und Auffassungen gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung, ohne die pauschal behauptete Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall), offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) und Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) aufzuzeigen.

Dem Beschwerdevorbringen zuwider stellt die Erörterung der bei der Hinzuschätzung berücksichtigten Leerkilometer (US 16) keine Feststellung einer entscheidenden Tatsache dar, sondern erfolgte im Rahmen der Beweiswürdigung in Ansehung der festgestellten Verkürzungsbeträge. Die vom Nichtigkeitswerber angeführte Aussage der Betriebsprüferin Gabriele R***** zu den als branchenüblich berücksichtigten Leerkilometern ist nicht geeignet, den behaupteten „inneren Widerspruch“ herzustellen.

Die Angaben des Angeklagten über den Treibstoffverbrauch (US 16 unter ausdrücklicher Angabe der Fundstellen im Akt) wurden entgegen der Beschwerdekritik (Z 5 fünfter Fall) aktenkonform wiedergegeben. Indem die Rüge in diesem Zusammenhang auf den Inhalt der Beweisanträge, die „Berufung vom 23. 7. 2013“ und die „Berechnung der K***** GmbH vom 19. 7. 2013“ verweist, verfehlt sie den Bezugspunkt von Aktenwidrigkeit im Sinn der Z 5 fünfter Fall.

Die Rüge kritisiert die von den Tatrichtern vorgenommene Würdigung der Zeugen Stefan P*****, Gerhard Pr*****, Peter B*****, Patrick Mü*****, Joan D*****, Claudia D*****, Demir Ö***** und Nakic S*****, diese hätten nicht den Eindruck gemacht, unvoreingenommen und unbeeinflusst ausgesagt zu haben, zumal deren Angaben mit den sichergestellten Unterlagen nicht in Einklang zu bringen wären (US 14 f), mangels näherer Bezeichnung der Unterlagen (siehe aber US 13) als „undeutlich und unvollständig“ sowie unter eigener Wertung des Aussageverhaltens der Genannten als „aktenwidrig“. Damit zeigt sie nach dem Dargelegten keinen Begründungsmangel im Sinn der Z 5 auf, sondern bekämpft erneut unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Der formelle Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen ‑ wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt ‑ wird dadurch nicht eröffnet (RIS-Justiz RS0119583).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) bewegt sich mit der bereits im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) vorgebrachten Kritik, die Feststellungen zum „Abrechnungsmodell“ des Angeklagten würden lediglich auf der Aussage von vier Zeugen beruhen, der Darstellung der von den Tatrichtern kritisch gewürdigten Zeugenaussagen (US 14) sowie des Inhalts der Angaben der Zeugin Manuela Bu***** und dem Hinweis auf die vom Erstgericht ebenfalls berücksichtigte Aussage des Steuerberaters (US 18) außerhalb des dargestellten Anfechtungsrahmens.

Der Vorwurf der „kritiklosen Übernahme“ der Darstellung der Finanzbehörde ist angesichts der eingehenden Auseinandersetzung des Erstgerichts mit deren Ergebnissen unverständlich.

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810).

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht von den Urteilskonstatierungen ausgeht, sondern diese unter Wiederholung des bereits im Rahmen der Verfahrensrüge sowie der Mängelrüge erstatteten Vorbringens bekämpft, verfehlt sie die prozessförmige Darstellung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des belangten Verbandes war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

 

Zum amtswegigen Vorgehen:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass in der angefochtenen Entscheidung das Strafgesetz mehrfach zum Nachteil des belangten Verbandes unrichtig angewendet worden ist (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Der Vorgang der Subsumtion besteht im Herstellen einer Verknüpfung zwischen der Tat und einer strafbaren oder (sofern in Sonderfällen nicht alle Voraussetzungen der Strafbarkeit verlangt werden) mit Strafe bedrohten Handlung. Dabei wird der festgestellte Lebenssachverhalt (Tat) dahin beurteilt, ob er unter die gesetzliche Kategorie einer strafbaren Handlung, also eines tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens, das auch allfälligen zusätzlichen Voraussetzungen für die Strafbarkeit genügt, fällt ( Ratz in WK 2 StGB Vor §§ 28 bis 31 Rz 1 f; Lässig in WK 2 FinStrG Vorbem Rz 7).

1.  Hinsichtlich der Verkürzung von Kapitalertragsteuer (B/I/2) sieht das Erstgericht offenbar verdeckte Gewinnausschüttung als Grundlage der Abgabepflicht an (vgl US 10).

Verdeckte Ausschüttungen sind alle außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gelegenen Zuwendungen einer Körperschaft an Anteilsinhaber, die das Einkommen der Körperschaft vermindern und ihre Wurzel in der Anteilsinhaberschaft haben. Offene wie verdeckte Gewinnausschüttungen setzen definitionsgemäß eine Vorteilszuwendung einer Körperschaft an eine Person mit Gesellschafterstellung voraus, ein bloßer „Machthaber“ (wie fallbezogen der an der Gesellschaft nicht beteiligte faktische Geschäftsführer) kann nicht Empfänger von Gewinnausschüttungen sein (vgl 13 Os 125/11y mwN). Die Zuwendung eines Vorteils an einen Anteilsinhaber kann allerdings auch darin gelegen sein, dass eine dem Anteilsinhaber nahestehende Person begünstigt wird. Eine verdeckte Ausschüttung ist daher auch dann anzunehmen, wenn Dritte aufgrund ihres Naheverhältnisses zum Anteilsinhaber eine in der Anteilsinhaberschaft wurzelnde Zuwendung erhalten (VwGH 14. 12. 2005, 2002/13/0022 mwN; VwGH 1. 3. 2007, 2004/15/0096 mwN; Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/ Zorn, EStG § 94 Rz 22).

Nach den bezughabenden Bestimmungen des EStG in sämtlichen im Tatzeitraum geltenden Fassungen unterliegen Gewinnanteile aus Gesellschaften mbH gemäß § 93 Abs 2 Z 1 EStG der Kapitalertragsteuer, die binnen einer Woche nach Zufließen der Kapitalerträge in Verbindung mit einer entsprechenden Anmeldung unter der Bezeichnung „Kapitalertragsteuer“ abzuführen ist (§ 96 Abs 1 Z 1, Abs 3 EStG; 13 Os 104/10h; RIS‑Justiz RS0124712).

Selbständige Tat in diesem Bereich ist das Unterlassen der auf einen bestimmten Ertragszufluss bezogenen Kapitalertragssteuerabfuhr (§ 96 Abs 1 EStG) unter Verletzung der korrespondierenden (§ 96 Abs 3 EStG) Anmeldungspflicht (13 Os 8/15y mwN). Sollte der Zeitpunkt des Zuflusses nicht mehr exakt feststellbar sein, ist insoweit vom für den Angeklagten (hier: belangten Verband) günstigsten Zeitpunkt auszugehen (§ 14 StPO).

Nach den Urteilsfeststellungen war die Ehegattin des Angeklagten Manuela M***** Alleingesellschafterin des belangten Verbandes (US 9). Konstatierungen darüber, ob der Angeklagte Manfred M***** die lukrierten Gewinne abzüglich der Schwarzlohnzahlungen (US 10) als faktischer Geschäftsführer aufgrund seines Naheverhältnisses zur Anteilsinhaberin als eine in der Anteilsinhaberschaft wurzelnde Zuwendung an sich nahm, sind dem bekämpften Urteil nicht zu entnehmen. Zudem enthält die angefochtene Entscheidung hinsichtlich der Kapitalertragsteuer (B/I/2) nur jeweils auf die Kalenderjahre 2010, 2011 und 2012 bezogene zusammengefasste Gesamtbeträge (US 4, US 10).

2. Im zweiten Rechtsgang wird auch zu berücksichtigen sein, dass gemäß § 4 Abs 2 FinStrG ‑ anders übrigens als nach § 61 StGB ‑ grundsätzlich das Tatzeitrecht zur Anwendung gelangt, sofern das im Urteilszeitpunkt geltende Recht ‑ ausgehend vom Urteilssachverhalt ‑ in seiner konkreten Gesamtauswirkung nicht für den Täter günstiger ist.

Da das Urteilszeitrecht gegenüber dem jeweiligen Tatzeitrecht in Bezug auf § 33 Abs 1 FinStrG weder die Tatbestände einengt noch die Strafdrohungen reduziert, ist grundsätzlich das zur Tatzeit geltende Recht anzuwenden. In Bezug auf Taten, deren präsumtiver Tatzeitraum vor dem 1. Jänner 2011 liegt, bleibt aber die Änderung des § 33 Abs 5 FinStrG durch die Finanzstrafgesetz‑Novelle 2010 BGBl I 2010/104 zu beachten, wonach der strafbestimmende Wertbetrag (§ 53 FinStrG) nur jene Abgabenbeträge umfasst, deren Verkürzung im Zusammenhang mit den Unrichtigkeiten bewirkt wurde, auf die sich der Vorsatz des Täters bezieht (§ 33 Abs 5 zweiter Satz FinStrG [hier iVm § 28a Abs 1 FinStrG]; hiezu Lässig in WK² FinStrG § 33 Rz 47 f). Entsprechende Feststellungen sind der angefochtenen Entscheidung nicht zu entnehmen und werden im zweiten Rechtsgang anlässlich der Vornahme des Günstigkeitsvergleichs (§ 4 Abs 2 FinStrG) zu treffen sein.

In diesen Vergleich werden auch die Änderungen des § 38 FinStrG und die diesbezügliche Übergangsbestimmung des § 265 Abs 1p FinStrG einzubeziehen sein, wobei eine Mischung von Rechtslagen unzulässig ist (RIS-Justiz RS0088953).

 

Die Aufhebung des von den dargestellten Rechtsfehlern betroffenen Ausspruchs der Verantwortlichkeit des belangten Verbandes für die zu B/I/2 angeführten Taten des Manfred M***** bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO) war demgemäß unumgänglich.

Zufolge Wegfalls dieses Ausspruchs über die Verantwortlichkeit des belangten Verbandes konnte auch jener über die Verbandsgeldbuße nicht Bestand haben. Mit seiner Berufung war der belangte Verband daher auf diese Entscheidung zu verweisen.

 

Eine Kostenentscheidung konnte mangels Verpflichtung des belangten Verbandes zum Kostenersatz in der erstinstanzlichen Entscheidung nicht erfolgen ( Lendl , WK‑StPO § 390a Rz 2 f).

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