European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0130OS00134.18G.0213.000
Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB (1/2), demgemäß auch im den Angeklagten Stefan C***** betreffenden Ausspruch über die Strafe (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wels verwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Stefan C***** auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.
Dem Genannten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – Stefan C***** der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall und Abs 2 erster Fall StGB (1/1) und der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (1/2) schuldig erkannt.
Danach hat er am 25. Jänner 2017 in W***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit zwei abgesondert verfolgten Mittätern (§ 12 erster Fall StGB) Margit R*****
1/1) mit Gewalt gegen ihre Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung von Waffen fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld und Schmuck im Gesamtwert von 795.150 Euro sowie einen PKW Toyota Landcruiser, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen und abgenötigt, indem sie die Genannte auf eine Couch stießen, sie über mehrere Stunden mit Kabelbindern an Händen und Beinen fesselten, ihr wiederholt zwei spitz zugeschliffene, schraubenzieherartige Gegenstände vor- und an Brust, Hals und Augenbereich anhielten, teils Schneidebewegungen machten und äußerten, sie solle das Geld herausgeben und sagen, wo sich dieses befinde, ansonsten werde sie getötet oder ihr das Augenlicht genommen, wobei Margit R***** durch die ausgeübte Gewalt eine an sich schwere und länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung (US 7), und zwar eine posttraumatische Belastungsstörung verbunden mit Schlafstörungen, Verstimmungszuständen, nächtlichem Erwachen und regelmäßigem qualvollen Erinnern erlitt, somit schwer verletzt (§ 84 Abs 1 StGB) wurde, und
1/2) widerrechtlich gefangen gehalten, indem sie die Genannte „im Zuge des [oben] angeführten schweren Raubes über mehrere Stunden“ fesselten, sie vor Verlassen des Tatorts unter zusätzlicher Verwendung eines Leintuchs „stärker“ fesselten (US 5 und 7) und ihr einen Couchtisch auf den Körper legten (US 2) oder über sie stellten (US 7), wodurch sie die Freiheitsentziehung auf solche Weise begingen, dass sie der Festgehaltenen besondere Qualen bereiteten.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Stefan C*****.
Das gegen den Schuldspruch 1/2 gerichtete Vorbringen behauptet Konsumtion der Freiheitsentziehung durch den zum Schuldspruch 1/1 gegenständlichen Raub (nominell Z 9 lit a, hier der Sache nach Z 10).
Damit zeigt der Beschwerdeführer zunächst zutreffend auf, dass beim Verbrechen nach § 142 Abs 1 StGB alle (wenn auch in verschiedenen Phasen der Raubtat gesetzten, in einem unmittelbaren und sachlichen Zusammenhang stehenden) Handlungen des Täters vom Beginn der Ausführung des räuberischen Vorsatzes bis zur materiellen Vollendung der Tat grundsätzlich als einer gesonderten strafrechtlichen Zuordnung nicht zugängliche Einheit anzusehen sind (RIS-Justiz RS0093085, zuletzt 12 Os 33/18x [mwN], Eder-Rieder in WK2 StGB § 142 Rz 69). Eine gegen die Person des Raubopfers gerichtete Freiheitsentziehung geht daher dann im Tatbestand des Raubes auf, wenn diese Bewegungseinschränkung bereits im Zuge der Ausführung der Raubtat an sich als Mittel zur Durchsetzung des deliktischen Vorhabens erfolgt ist oder unmittelbar nach Wegnahme oder Abnötigen des Raubgutes der Sicherung der Beute oder der Einleitung der Flucht dient (RIS-Justiz RS0093085, RS0093111).
Nach den Urteilsfeststellungen war die zum Verlust der Bewegungsfreiheit führende Fesselung der Margit R***** an Händen und Beinen bereits (eines der) Tatmittel des Raubes (US 6 iVm US 2 und 4). Echte Konkurrenz zwischen den Tatbeständen des Raubes und der Freiheitsentziehung kommt hier daher nur dann in Betracht, wenn die Freiheitsentziehung nicht unwesentlich über das notwendige Maß hinausging, das zur Verfolgung des räuberischen Zwecks notwendig war, wie etwa bei längerer Aufrechterhaltung der Freiheitsentziehung nach Beendigung des Raubes, oder aber bei Vorliegen der (vom Erstgericht – auf der rechtlichen Ebene – bejahten) Qualifikation des § 99 Abs 2 zweiter Fall StGB (vgl Hintersteininger SbgK § 142 Rz 74; Schmoller SbgK § 99 Rz 74; Kienapfel BT I4 § 99 RN 37; Kienapfel/Schroll StudB BT I4 § 99 Rz 37; 11 Os 51/12b).
Feststellungen (also auf der Tatsachenebene angesiedelte Urteilsausführungen), wonach der Beschwerdeführer die Freiheitsentziehung auf eine solche Weise beging, dass sie der Festgehaltenen besondere Qualen (vgl dazu RIS-Justiz RS0092914) bereitet hätten, sind der angefochtenen Entscheidung jedoch nicht zu entnehmen. Der substanzlose Gebrauch der verba legalia des § 99 Abs 2 zweiter Fall StGB (vgl US 2 iVm US 4, US 7) vermag nämlich den unter dem Aspekt rechtsrichtiger Subsumtion unerlässlichen Sachverhaltsbezug nicht herzustellen (RIS‑Justiz RS0119090).
Ebenso wenig finden sich in den Entscheidungsgründen Konstatierungen dazu, dass die Freiheitsentziehung nach der Beendigung der Raubtat noch längere Zeit aufrechterhalten worden wäre oder sonst das mit ihrem Einsatz als Tatmittel des Raubes verbundene Maß erheblich überschritten hätte.
Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 10) erfordert – wie auch die Generalprokuratur darlegt – die Aufhebung des Schuldspruchs wegen des Verbrechens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB (1/2). Dies zieht die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich.
Das weitere Vorbringen zum Schuldspruch 1/2 kann daher auf sich beruhen.
Im Übrigen geht die Nichtigkeitsbeschwerde fehl:
Entgegen der Verfahrensrüge (Z 3) ergibt sich aus dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung vom 29. Juni 2018 (ON 282), dass sich das Einverständnis der Prozessparteien zur Verlesung (§ 252 Abs 1 Z 4 StPO) explizit auf den gesamten Akteninhalt – mit Ausnahme von Aktenteilen, die Angaben des Burim S***** wiedergeben – bezog (ON 282 S 18 bis 20). Schon deshalb liegt die vom Beschwerdeführer eingewendete Verletzung des § 252 StPO durch (ebenfalls einverständlichen [ON 282 S 19]) resümierenden Vortrag (§ 252 Abs 2a StPO; vgl im Übrigen RIS-Justiz RS0127712) der Protokolle über die Hauptverhandlung vom 29. Jänner 2018 (ON 217) und vom 12. April 2018 (ON 245) nicht vor.
Demgemäß geht auch die Behauptung offenbar unzureichender Begründung der Urteilsfeststellungen (Z 5 vierter Fall) zufolge „Verwertung“ dieser „nicht verlesenen Schriftstücke [...]“ ins Leere.
Dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider haben sich die Tatrichter mit der Aussage der Zeugin Margit R***** (ON 217 S 66 ff) hinreichend auseinandergesetzt (US 9 f). Zu deren Erörterung in all ihren Details war das Erstgericht – dem Gebot gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend – nicht gehalten (vgl RIS-Justiz RS0098717; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit dem Hinweis auf die Angaben der genannten Zeugin keine nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierenden Bedenken (RIS-Justiz RS0119583) an der Richtigkeit der bekämpften Urteilskonstatierungen zu wecken. Der Beschwerdeführer stellt den von den Tatrichtern (unter anderem) aus dieser Aussage abgeleiteten Schlüssen (US 9 ff) vielmehr bloß für sich günstigere Schlussfolgerungen gegenüber und bekämpft damit nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung die Beweiswürdigung des Schöffengerichts.
Die gegen die Subsumtion der vom Schuldspruch 1/1 umfassten Tat (auch) nach § 143 Abs 2 erster Fall StGB gerichtete Subsumtionsrüge (Z 10) übergeht die Feststellungen zur Mittäterschaft (US 5 f und 7) und verfehlt solcherart den Bezugspunkt materiell‑rechtlicher Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810). Hinzugefügt sei, dass dem Beschwerdeführer auf Basis dieser Konstatierungen sehr wohl der durch die Gewaltanwendung eingetretene Gesamterfolg zuzurechnen ist (vgl RIS-Justiz RS0089808 [insb T12], RS0089844, RS0090006; Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 24 ff).
In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher – erneut in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Mit seiner Berufung war der Beschwerdeführer auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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