Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 14.Dezember 1956 geborene Kraftfahrer Heinrich K*** wurde auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB (1) sowie des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z. 1 WaffG schuldig (2) erkannt.
Darnach hat er
1. am 26.November 1988 in Wels Ingrid S*** dadurch
getötet, daß er mit einer Pistole Kal. 7,65 mm drei Schüsse auf sie abfeuerte, wodurch sie infolge eines dreifachen Bruststeckschusses mit gleichzeitigem Durchschuß des zweiten linken Mittelhandknochens an Verbluten unter Herz- und Lungenbeteiligung verstarb;
2. vom November 1987 bis zum 26.November 1988 eine Faustfeuerwaffe der Marke FN, Modell 1922, PM Kal. 7,65 mm, in Wels und anderen Orten Österreichs unbefugt besessen und geführt. Mit einer auf § 345 Abs 1 Z. 5, 6, 8 und 10 a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde ficht der Angeklagte den Schuldspruch 1 an. Nominell auch unter dem Gesichtspunkt eines - durch das Übergehen seines Antrags auf Ergänzung des Fragenschemas begründeten - Verfahrensmangels (Z. 5; s. dazu S. 165 und 167 Bd. II), der Sache nach ausschließlich als Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung (Z. 6; siehe SSt. 34/8 u.a.) rügt der Angeklagte, daß an die Geschwornen keine Eventualfrage nach dem Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 88 Abs 1 (Abs 4, erster Fall) StGB bezüglich des zuerst abgefeuerten Schusses sowie keine Zusatzfrage in der Richtung des § 11 StGB betreffend die beiden weiteren Pistolenschüsse gerichtet wurden. Die Stellung dieser beiden Fragen hält die Beschwerde deshalb für geboten, weil der erste Schuß durch einen "Angriff" der Frau ausgelöst worden sei und er die weiteren Schüsse in einem Zustand der Panik abgegeben habe, in welchem er sich seiner Handlungen nicht mehr bewußt gewesen wäre.
Rechtliche Beurteilung
Die Rüge versagt.
Der Angeklagte hat den ihm angelasteten Tötungsvorsatz bestritten (Band II S. 74). Er räumte lediglich ein, daß er aus Verzweiflung und Enttäuschung über die Auflösung der früheren Bindung sowie über Äußerungen seiner Lebensgefährtin dieser einen Denkzettel durch einen Schuß in die Beine verpassen wollte (Band II S. 49, 59, 66, 73 bis 75 und 79); ob er sich "tatsächlich getraut hätte", wisse er nicht (II S. 74 und 76). Zum Tathergang gab er an, daß sich ein Schuß gelöst habe und er von da an "nichts mehr mitbekommen habe", was er mache, er wisse nicht mehr, "was mit ihm los gewesen sei" (II S. 49, 55, 57, 63 und 106). Andererseits brachte er in diesem Zusammenhang vor, er habe sich gedacht, wenn Ingrid S*** die (ihr vorgehaltene) Pistole sehen werde, dann "springt sie her, dann schieße ich ihr in den Oberschenkel, daß sie Schmerzen verspürt wie ich" (II S. 49). Wie die Genannte dann die Waffe gesehen habe, habe sie "Heinz, Heinz" geschrien und sei auf ihn zugesprungen (II S. 49, 59 und 105), er habe einen Schlag auf der Hand verspürt (II S. 70).
Wenn die Rüge darauf aufbaut, daß S*** den Angeklagten angegriffen habe, als dieser ihr die Waffe vorhielt, und daß der erste Schuß ungewollt durch die Angriffshandlung ausgelöst wurde, so findet dieses - undifferenzierte - Beschwerdevorbringen in der oben angeführten Verantwortung des Angeklagten keine Deckung. Die Einlassung des Beschwerdeführers, die im Ergebnis nur den Tötungsvorsatz in Abrede stellt, verpflichtete den Gerichtshof aber nicht zur Stellung der begehrten Eventualfrage (SSt. 39/13 u.a.). Im Hinblick auf die Verantwortung des Angeklagten in Verbindung mit dem Gutachten des Sachverständigen Univ.Prof. Dr. P*** (II S. 150 ff.) und mit der Aussage der Tatzeugin Karin K*** - der das Verhalten des Angeklagten, soweit sie es beobachten konnte, sogar als kaltblütig erschien (II S. 96) - war auch kein in den Ergebnissen der Hauptverhandlung begründetes Tatsachensubstrat gegeben, das zur Stellung einer Zusatzfrage nach § 11 StGB Anlaß geboten hätte. Mit seiner Instruktionsrüge (Z. 8) ist der Angeklagte gleichfalls nicht im Recht.
Auf den Umstand, daß zur Erfüllung des Tatbestands des Mordes nach § 75 StGB in subjektiver Hinsicht bedingter Vorsatz genügt, hat das Erstgericht in seiner Rechtsbelehrung ausdrücklich hingewiesen (S. 192 Bd. II). Demnach muß der Beschwerdeeinwand versagen, daß die - wiewohl auch vom Angeklagten als an sich rechtsrichtig anerkannte - Erörterung der Willens- und der Wissenskomponente des Vorsatzes durch das Erstgericht (S. 181 Bd. II) geeignet gewesen wäre, die Geschwornen zu einer Verwechslung der im § 5 StGB angeführten Vorsatzformen und insbesondere zu der Auffassung zu veranlassen, daß Vorsatz zumindest wissentliches Handeln bedinge. Abgesehen hievon hätte eine derartige (wenngleich verfehlte) Rechtsmeinung der Geschwornen keine Benachteiligung des Angeklagten zur Folge gehabt, wäre diesfalls doch zu seinen Gunsten eine höhere Intensitätsstufe des Vorsatzes, als sie das Gesetz verlangt, vorausgesetzt worden.
Soweit der Angeklagte auf ein in der Erörterung des § 11 StGB hinsichtlich der sogenannten "verminderten Zurechnungsfähigkeit" unterlaufenes Versehen hinweist, das auf einen offenkundigen Schreibfehler zurückzuführen ist (S. 188, 189 und 253 a Bd. II), führt er den angerufenen Nichtigkeitsgrund nicht gesetzmäßig aus. Die Rechtsbelehrung kann lediglich insofern angefochten werden, als sie Fragen betrifft, die den Geschwornen unterbreitet wurden (siehe den Wortlaut des § 321 Abs 2 StPO). Da eine Frage in der Richtung des § 11 StGB an die Geschwornen nicht gerichtet worden ist und demnach die Abgrenzung von Zurechnungsunfähigkeit und "verminderter Zurechnungsfähigkeit" nicht aktuell war, wird eine unter Nichtigkeitssanktion stehende Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung gar nicht geltend gemacht.
Gleiche Erwägungen gelten für den Vorwurf, die Frage der Rechtswidrigkeit einer Tathandlung nach § 75 StGB sei nur im Zusammenhang mit Ausführungen über die Verübung einer solchen Tat durch eine zurechnungsfähige Person behandelt worden. Die Geschwornen waren auf Grund des ihnen vorgelegten Fragenschemas nicht verhalten, sich überhaupt mit der Möglichkeit einer Tatbegehung durch einen Zurechnungsunfähigen auseinanderzusetzen. Nicht gefolgt werden kann der Beschwerde des weiteren, soweit sie einerseits jene Passage der Rechtsbelehrung bemängelt, wonach unter Gemütsbewegung sowohl sthenische als auch asthenische Affekte zu verstehen seien, andererseits aber auch die beispielsweise Aufzählung der einer solchen Gemütsbewegung entprechenden Affekte deshalb als unrichtig und unvollständig bezeichnet, weil zwar die nicht als Affekt zu wertende Mutlosigkeit angeführt werde, der Begriff der Panik jedoch fehle. Mit diesen Ausführungen verkennt der Angeklagte, daß der Gesetzgeber den weiten Begriff der Gemütsbewegung gerade deshalb gewählt hat, um damit in gleicher Weise sowohl die sogenannten sthenischen Affekte, z.B. Zorn, Empörung und Aufwallung, als auch die Affekte asthenischer Natur, wie insbesondere die einen Affekt und damit auch eine Gemütsbewegung darstellende Mutlosigkeit (siehe § 3 Abs 2 StGB: Furcht) und die Verzweiflung zu erfassen (vgl. die Erläuterung zur Regierungsvorlage, 30 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrats, XIII.GP, S. 195; ferner Foregger-Serini-Kodek MKK.4 § 76 StGB Erl. I; Kienapfel BT I2 § 76 StGB Rz. 16; Leukauf-Steininger2 § 76 StGB RN. 4). Die Rechtsbelehrung behandelt das Merkmal der Gemütsbewegung zutreffend als Oberbegriff für die nach § 76 StGB in Frage kommenden Affekte. Sie gibt auch die vorangeführten Beispiele für derartige Affekte wieder. Darnach kann es auch ohne ausdrücklichen Hinweis auf den Begriff der Panik nicht zweifelhaft sein, daß eine auf Verzweiflung fußende Panikreaktion grundsätzlich eine - zur Annahme eines Totschlags allerdings zusätzlich die entsprechende Intensität sowie das Merkmal der allgemeinen Begreiflichkeit
erfordernde - heftige Gemütsbewegung abzugeben vermag. Wie die Niederschrift der Geschwornen indes zeigt, wurde die bezughabende Rechtsbelehrung von ihnen richtig verstanden; haben sie dem Angeklagten doch eine (sogar heftige) Gemütsbewegung ohnehin zugebilligt, aber differenzierend deren allgemeine Begreiflichkeit im Sinn des § 76 StGB verneint.
Damit ist aber dem weiteren Beschwerdeeinwand die Grundlage entzogen, daß die Prozeßleitung des Vorsitzenden und die Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen über die Gemütsbeschaffenheit des Angeklagten zur Tatzeit geeignet gewesen wären, die vom Beschwerdeführer behauptete "rechtliche Irreleitung" der Geschwornen durch die Rechtsbelehrung noch zu verstärken. Davon abgesehen hat sich der Sachverständige ohnedies kompetenzgemäß auf die fachbezogene Erörterung der Intensität des affektiven Zustands des Angeklagten beschränkt (siehe insbesondere S. 158 Bd. II) und sich demnach keineswegs auf die Bewertung eines solchen Affekts in rechtlicher Hinsicht eingelassen. Nach dem Gesagten wird vom Angeklagten auch kein Mangel des Gutachtens im Sinn der §§ 125, 126 StGB (der im Rahmen des § 345 Abs 1 Z. 8 StPO überdies gar nicht wahrnehmbar wäre) aufgezeigt, sondern im Ergebnis nur unzulässig die inhaltliche Richtigkeit der Expertise bekämpft, die jedoch der Sammlung und Würdigung des Beweisstoffs durch die Tatsacheninstanz vorbehalten und einer Nachprüfung durch die Rechtsinstanz entzogen ist (siehe SSt. 45/23, 13 Os 123/80, 12 Os 7/88 u.a.).
Soweit die Beschwerde der Sache nach eine angeblich aus den Äußerungen des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung hervorleuchtende Befangenheit desselben behauptet, ist auf das Rechtsmittelvorbringen nicht einzugehen, weil damit weder der geltend gemachte noch ein anderer Nichtigkeitsgrund (auch nicht etwa derjenige der Z. 1 zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht wird (vgl Mayerhofer-Rieder2, § 74 StPO ENr. 11; ferner insbesondere 14 Os 120/88 und 12 Os 76/89). Der Tatsachenrüge (Z. 10 a) ist zu erwidern, daß die angeführten Umstände nicht geeignet sind, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten Tatsachen zu erwecken. Mit dem Zurückgreifen des Angeklagten auf sein Vorbringen, sich zur Tatzeit in einem, wie er vermeint, Zurechnungsunfähigkeit indizierenden Erschöpfungszustand befunden zu haben, negiert er, daß er nach dem psychiatrischen Gutachten damals zurechnungsfähig war. Demzufolge ergeben sich aus den Akten aber auch keine Bedenken gegen die Überzeugungskraft des vorsätzlichen Handelns des zurechnungsfähigen Angeklagten feststellenden Wahrspruchs der Geschwornen.
Soweit der Angeklagte den Wahrspruch schließlich deshalb für bedenklich erachtet, weil ihm nicht die allgemeine Begreiflichkeit seiner (angenommenen) heftigen Gemütsbewegung zugebilligt wurde, ist ihm entgegenzuhalten, daß der Nichtigkeitsgrund der Z. 10 a nur in bezug auf "Tatsachen" geltend gemacht werden kann, die Gegenstand einer Fragestellung waren und wozu im Verdikt Feststellungen getroffen wurden (14 Os 190/88). Überdies wird ohne Hinweis auf ein mit den Denkgesetzen oder menschlichen Erfahrungen im Widerspruch stehendes Beweisergebnis, das der Beurteilung der Tat als Mord entgegenstünde, lediglich die Forderung erhoben, einer für den Angeklagten günstigeren Tatvariante den Vorzug zu geben. Damit richtet sich die Beschwerdeargumentation nur gegen die den Geschwornen zugewiesene Beweiswürdigung, ohne "erhebliche" Zweifel an deren Richtigkeit in entscheidungswesentlichen Fragen deutlich zu machen (EvBl 1988/116).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschwornengericht verurteilte Heinrich K*** nach §§ 28, 75 StGB zu vierzehn Jahren Freiheitsstrafe. Bei deren Bemessung war erschwerend das Zusammentreffen des Verbrechens des Mordes mit dem Vergehen nach dem WaffG, mildernd hingegen waren das Geständnis, allerdings nur zum Vergehen, die Unbescholtenheit und der Umstand, daß die Tat mit dem bisherigen Lebenswandel in auffallendem Widerspruch steht, weiters eine Verminderung der Dispositionsfähigkeit, bedingt durch eine im Charakter des Angeklagten gelegene Affektlabilität im Ausmaß einer leichten neurotischen Störung zusammen mit einer zur Tatzeit vorliegenden heftigen Erregung.
Die Berufung strebt eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe an. Dem Vorbringen im Rechtsmittel zuwider ergab das Beweisverfahren keine Anhaltspunkte dafür, daß das Opfer dem Berufungswerber in "provokanter und rücksichtsloser Weise eine schwere Kränkung" zufügte oder daß die "Verhaltens- und Lebensweise" der Getöteten Grund dafür war, daß sich der Angeklagte - unmittelbar - zur Tat hinreißen ließ. Die Wirkung des schon länger andauernden Verhaltens der Frau gegenüber ihrem späteren Mörder ist mit dem Milderungsgrund der heftigen Erregung erfaßt. Daß die Tat mit dem bisherigen Lebenswandel des Täters in einem auffallenden Mißverhältnis steht, ist ein Charakteristikum vieler, wenn nicht der meisten Eifersuchtsmorde (siehe EvBl 1982/80 S. 270 rechte Spalte oben). Damit und mit dem Hinweis darauf, daß ein Geständnis lediglich zum Waffenvergehen vorliegt, sind zwei der fünf angenommenen mildernden Umstände erheblich relativiert. Die über den Berufungswerber verhängte Freiheitsstrafe liegt in der unteren Hälfte des Strafrahmens, soweit er zeitlich begrenzt ist, trägt den im § 32 StGB normierten Grundsätzen für die Strafbemessung Rechnung und entspricht insbesonders der Schwere der personalen Tatschuld im Verein mit dem objektiven Gewicht der Rechtsgutverletzung, wie sie der Tötung eines Menschen unter den gegebenen Umständen innewohnt. Es besteht daher kein Anlaß für eine Strafmilderung.
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