OGH 12Os7/88

OGH12Os7/8810.3.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.März 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Legradi als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Michael S*** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Michael S*** gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Feldkirch vom 24.November 1987, GZ 16 Vr 303/87-48, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, und des Verteidigers Dr. Grass, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil, wurde Michael S*** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB (Faktum 1 des Urteilssatzes) und des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 2 WaffenG schuldig erkannt (Faktum 2). Darnach hat er am 27.Februar 1987 in Bregenz seinen Vater Peter S*** durch Abgabe zweier Schüsse gegen dessen Kopf aus einer Doppelflinte der Marke NK 43 M Baikal, deren Gesamtlänge zufolge Verkürzung der Läufe um 325 mm nur mehr 810 mm betrug, getötet (zu 1) und wenn auch nur fahrlässig, eine verbotene Waffe (§ 11 Abs 1 Z 3 WaffenG), nämlich die vorgenannte Doppelflinte, unbefugt besessen (zu 2).

Die Geschwornen hatten die diesen Schuldsprüchen zugrundeliegenden, anklagekonformen Hauptfragen (fortlaufende Zahlen 1 und 2) jeweils stimmeneinhellig bejaht, die Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit im Sinne des § 11 StGB (fortlaufende Zahl 4) hingegen ebenso einstimmig verneint. Die - für den Fall der Verneinung der Hauptfrage nach § 75 StGB - in Richtung des § 76 StGB gestellte Eventualfrage (fortlaufende Zahl 3) war folgerichtig unbeantwortet geblieben.

Der Sache nach nur den Schuldspruch wegen Verbrechens des Mordes bekämpft der Angkelagte mit einer auf die Z 5 und 8 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Unter dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund rügt der Angeklagte die Abweisung seines Beweisantrages auf Beiziehung eines zweiten Sachverständigen aus dem Gebiet der Psychiatrie zum Beweise dafür, daß er zum Tatzeitpunkt im Sinne des § 11 StGB zurechnungsunfähig gewesen sei. Dieser Antrag wurde damit begründet, daß wegen "der Komplexheit und Besonderheit der Materie" die Beiziehung eines zweiten Sachverständigen geboten sei und daß "gewisse Hinweise selbst nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. H*** vorliegen, daß Anzeichen für eine Unzurechnungsfähigkeit - wie Schizophrenie - vorhanden sind und auf die der Sachverständige Dr. H*** Bezug genommen hat" (S 440/II).

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge ist nicht berechtigt.

Das Gericht hat zur Frage der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit das Gutachten des Sachverständigen Prim. Dr. Reinhard H***, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, eingeholt, der dieses Gutachten vom 15.August 1987 (ON 19/II) in der Hauptverhandlung dargelegt hat (S 443 ff/II), wobei auch der Verteidiger des Angeklagten von seinem Fragerecht Gebrauch machte. Der genannte Sachverständige kam dabei zu dem Ergebnis, daß der Angeklagte zur Tatzeit nicht zurechnungsunfähig war, wohl aber ein abnormer Geisteszustand gegeben ist; in diesem Zusammenhang hat er insbesonders dazu Stellung genommen, ob beim Beschwerdeführer das Krankheitsbild einer Schizophrenie vorliegt und ob diese zur Tatzeit aktuell war, wobei er auch auf sein Untersuchungsergebnis kurz nach der Tat verwiesen hat (S 434 ff/II, S 87 ff in ON 19/II). Wenn es der Angeklagte bei dieser Sachlage dennoch für geboten hielt, ein (weiteres) Sachverständigengutachten über die Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers einzuholen, so wäre er verhalten gewesen, schon bei der Antragstellung in erster Instanz darzutun, welche der in den §§ 125, 126 StPO angeführten Mängel dem Gutachten des Dr. H*** anhaften, sodaß die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen erforderlich ist. Dazu war der Verteidiger im Zuge seiner Antragstellung (erfolglos) vom Vorsitzenden des Schwurgerichtshofs aufgefordert worden (S 440/II). Da dies nicht geschehen ist, verfiel der Beweisantrag sowie er in erster Instanz formuliert worden ist, zu Recht der Abweisung, sodaß sich der Angeklagte hierüber nicht beschweren kann.

In der Beschwerdeschrift werden gleichfalls keine solchen Mängel des Gutachtens aufgezeigt, sondern im Ergebnis nur unzulässig die Richtigkeit des Gutachtens bekämpft, das der Prüfung durch die Tatsacheninstanz vorbehalten und einer Nachprüfung durch die Rechtsinstanz entzogen ist (13 Os 123/80 ua).

Soweit in der Beschwerde die Ansicht vertreten wird, die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens wäre auch zur Ergänzung der Urteilsgrundlagen für die Gefährlichkeitsprognose nach § 21 Abs 2 StGB erforderlich gewesen, erweist sich die Verfahrensrüge als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, weil ein Beweisantrag in dieser Richtung nicht gestellt wurde.

Eine Nichtigkeit begründende Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung im Sinne des § 345 Abs 1 Z 8 StPO erblickt der Angeklagte darin, daß das für die eventuelle Beurteilung der Tat nach § 76 StGB essentielle Tatmerkmal der "allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung" nicht schon im Rahmen der Belehrung zur Hauptfrage nach § 75 StGB erörtert wurde, sodaß den Geschwornen die Möglichkeit genommen war, klar zwischen den Tatbeständen des § 75 und des § 76 StGB zu unterscheiden.

Dieser Einwand übersieht, daß die Rechtsbelehrung grundsätzlich für jede gestellte Frage gesondert zu erfolgen hat

(§ 321 Abs 2 StPO), von den Geschwornen aber stets als Ganzes zur Kenntnis zu nehmen ist (vgl Mayerhofer/Rieder StPO2 Nr 50 zu § 345 Z 8). Es entsprach daher durchaus dem Gesetz, zunächst die gesetzlichen Merkmale des Mordes bei der Hauptfrage und sodann die für den Tatbestand des Totschlags maßgebenden Rechtsbegriffe erst bei der Eventualfrage zu erläutern, ohne daß diese Vorgangsweise geeignet gewesen wäre, die Geschwornen bei ihrem Wahrspruch zu beirren.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 75 StGB zu dreizehn Jahren Freiheitsstrafe und ordnete gemäß § 21 Abs 2 StGB seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher an. Bei der Strafbemessung waren das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und die heimtücksche Begehungsweise des Mordes erschwerend, mildernd hingegen die zur Wahrheitsfindung wesentlich beitragende Aussage des Angeklagten, seine Unbescholtenheit und die Begehung der Tat unter Einfluß eines abnormen Geisteszustandes.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte einerseits eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe an, andererseits bekämpft er die Unterbringung in einer Anstalt nach § 21 Abs 2 StGB. Der Berufung kommt in keiner Richtung hin Berechtigung zu. Der Berufungswerber macht zwar mit Recht geltend, der Umstand, daß er sich nach der Tat den Sicherheitsbehörden selbst gestellt habe, sei als weiterer Milderungsgrund (§ 34 Z 16 StGB) zu werten. Aber auch bei den so zugunsten des Angeklagten korrigierten Strafzumessungsgründen kann keine Rede davon sein, daß die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe dem Gewichte nach beträchtlich überwiegen (§ 41 StGB), weil im vorliegenden Falle die heimtückische Tötung des Vaters bei Würdigung des Schuldgehaltes der Tat besonders ins Gewicht fällt. Die ohnedies an der Untergrenze des Strafrahmens des § 75 StGB liegende Strafe entspricht durchaus der personalen Tatschuld und dem Unwert der verschuldeten Tat. Eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe ist daher nicht angebracht. Das Geschwornengericht hat die Ausführungen des Sachverständigen Dr. H*** zur Feststellungsgrundlage erhoben und als erwiesen angenommen, daß beim Angeklagten eine (eindeutig außerhalb der Variationsbreite des Normalen liegende und die Willensbildung wesentlich beeinflussende) geistige bzw seelische Abartigkeit höheren Grades vorliege ("Borderline-Persönlichkeit", schizotypische Persönlichkeit) und eine große und bestimmte Wahrscheinlichkeit für die Annahme besteht, er werde unter dem Einfluß dieser Abartigkeit ein Notzuchts- oder Tötungsdelikt begehen. In seiner Berufung vermag der Angeklagte nichts aufzuzeigen, was die Richtigkeit dieser Prognose erschüttern könnte. Der Hinweis, daß durch den Tod des Vaters diese Gefahr gebannt sei, übergeht die hier maßgeblichen Ausführungen des Sachverständigen und des Erstgerichts zur Gefährlichkeitsprognose und erschöpft sich im Ergebnis in einer Spekulation.

Es war der Berufung daher auch in diesem Umfang ein Erfolg zu versagen.

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