OGH 13Os130/21y

OGH13Os130/21y16.2.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Februar 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Rechtspraktikant Mag. Jäger BA in der Strafsache gegen * G* wegen des Vergehens der vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten nach § 178 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 72 Hv 75/20i des Landesgerichts Klagenfurt, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 24. September 2020 (ON 10) und das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 5. März 2021, AZ 1 Bs 10/21m (ON 16), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Artner, und des Verteidigers Rechtsanwalt Mag. Berger zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0130OS00130.21Y.0216.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

 

Gründe:

[1] Mit Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts Klagenfurt vom 24. September 2020 (ON 10) wurde * G* der Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB (I) und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (III) schuldig erkannt und von der wider sie erhobenen Anklage, sie habe am 24. März 2020 Handlungen begangen, die geeignet waren, die Gefahr der Verbreitung einer übertragbaren anzeigepflichtigen Krankheit, nämlich der durch den Erreger SARS-CoV-2 ausgelösten Erkrankung COVID-19 (Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend anzeigepflichtige übertragbare Krankheiten 2020 BGBl II 2020/15), unter Menschen herbeizuführen, indem sie trotz Aufenthalts in einem von der genannten Krankheit besonders betroffenen Gebiet innerhalb von 14 Tagen vor der Tat demonstrativ in Richtung der maximal einen Meter entfernten Beamten BezInsp * L* und Insp * O* hustete sowie diesen und auch Insp Ing. * K* Schläge und Tritte versetzte, die mit einem engen körperlichen Kontakt verbunden waren, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

[2] Gegen den Freispruch richtete sich die von der Staatsanwaltschaft erhobene Berufung wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe (ON 11). Dieser gab das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht mit Urteil vom 5. März 2021, AZ 1 Bs 10/21m (ON 16), nicht Folge.

[3] Nach den Feststellungen des Erstgerichts war * G* bis zum 13. März 2020 in D*, welches im März 2020 zum Quarantänegebiet erklärt worden war, als Saisonarbeiterin tätig. Am 24. März 2020 kam es in ihrer Wohnung in Kärnten zu einem Einsatz der Polizei. Dabei erklärte die Angeklagte gegenüber den Polizeibeamten BezInsp * L* und Insp * O*, erst am 13. März 2020 aus D* ausgereist zu sein, und hustete aus einem Abstand von einem halben bis zu einem Meter bewusst in Richtung der Beamten. Ob sie mit dem Erreger SARS-CoV-2 infiziert war, wusste sie nicht, hielt es jedoch ernstlich für möglich und fand sich damit ab, dass sie die Erkrankung COVID-19 gegebenenfalls beim Husten auf die Beamten überträgt und solcherart eine Verbreitung der Krankheit herbeiführt. Ein wenige Stunden nach dem Vorfall durchgeführter COVID-19-Test erbrachte ein negatives Ergebnis (ON 10 S 4 f).

[4] In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht – soweit hier von Bedeutung – aus, dass dasHusten in Richtung der Polizeibeamten nicht geeignet gewesen wäre, die Gefahr der Verbreitung der Krankheit COVID-19 herbeizuführen, weil die Angeklagte weder selbst erkrankt noch Trägerin des Erregers SARS-CoV-2 gewesen sei (ON 10 S 8).

[5] Das Berufungsgericht schloss sich dieserRechtsauffassung an und ergänzte, dass in Ermangelung einer Infizierung der Angeklagten mit dem Krankheitserreger SARS-CoV-2 nicht einmal theoretisch die Möglichkeit der Verbreitung der Krankheit COVID-19 geschaffen worden sei. Die erforderliche Gefährdungseignung könne nurdann gegeben sein, wenn der Täter selbst infiziert sei (ON 16 S 4).

Rechtliche Beurteilung

[6] In ihrer gegen die Urteile erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes (§ 23 StPO) führt die Generalprokuratur aus:

„Die Urteile des Landesgerichts Klagenfurt vom 24. September 2020,  72 Hv 75/20i‑10, und des Oberlandesgerichts Graz vom 5. März 2021, AZ 1 Bs 10/21m (ON 16), stehen in der in der Begründung zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht mit dem Gesetz aus nachfolgenden Erwägungen nicht im Einklang:

Der vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten nach § 178 StGB macht sich strafbar, wer eine Handlung begeht, die geeignet ist, die Gefahr der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit unter Menschen herbeizuführen, wenn die Krankheit ihrer Art nach zu den wenn auch nur beschränkt anzeige- oder meldepflichtigen Krankheiten gehört.

Eine übertragbare Krankheit ist eine solche, bei der ein Krankheitserreger unmittelbar oder mittelbar von einem Individuum auf ein anderes übergehen kann. Wie die Übertragung erfolgt, ist ohne Bedeutung (EBRV 30 BlgNR 13. GP  322). Um in der Regel harmlose Krankheiten aus dem Anwendungsbereich des § 178 StGB auszunehmen, machte der Gesetzgeber die Strafbarkeit nach dieser Bestimmung davon abhängig, dass die Krankheit (ihrer Art nach jedenfalls beschränkt) anzeige- oder meldepflichtig ist. Dabei handelt es sich um eine objektive Bedingung der Strafbarkeit, weshalb sich der Vorsatz nicht auf die Anzeige- oder Meldepflicht beziehen muss (EBRV 30 BlgNR 13. GP  322; Murschetz in WK2 StGB §§ 178, 179 Rz 5; Flora, SbgK § 178 Rz 33; Kienapfel/Schmoller StudB BT III2 §§ 178, 179 Rz 10; Rebisant, Strafrechtliche Risiken aufgrund COVID-19, GRAU 2020/22 [75]; Cohen, Isolation, Quarantäne, Coronapartys – Anwendbarkeit der §§ 178 f StGB bei Missachtung von COVID-19 Verkehrsbeschränkungen, JSt 2020, 204 [209]). Das bedeutet indessen nicht, dass es insoweit auf eine Erkrankung des Täters ankäme. Objektive Bedingung der Strafbarkeit ist allein, dass sich die Übertragungsgefahr auf eine (jedenfalls beschränkt) anzeige- oder meldepflichtige Krankheit bezieht (Schallmoser-Schweiberer, Corona-Sünder – 'Geht’s noch?!' oder schon strafbar? – [Neu-]Betrachtung der §§ 178, 179 StGB [Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten], ALJ 2021, 102 [110]; Rebisant, GRAU 2020/22 [76]; Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 18. Jänner 2021, GZ 2020-0.348.098; missverstanden von Cohen, JSt 2020, 204 [208 f], die es für erforderlich erachtet, dass der Täter positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurde, sowie Ayasch, COVID-19 – eine Renaissance für §§ 178, 179 StGB? ZfG 2020, 53 f, die auf das Vorhandensein einer anzeige- oder meldepflichtigen übertragbaren Krankheit abstellt).

Der Tatbestand ist als potentielles Gefährdungsdelikt konstruiert (Flora, SbgK § 178 Rz 3; Bertel/Schwaighofer BT II14 § 178 Rz 1; Kienapfel/Höpfel/Kert AT16 Rz 9.38; Rebisant, GRAU 2020/22 [75]; Ayasch, ZfG 2020, 53 [54]; zur insoweit uneinheitlichen Terminologie und der – auch gebräuchlichen – Bezeichnung als abstrakt potentielles Gefährdungsdelikt – siehe Murschetz in WK2 StGB §§ 178, 179 Rz 1; Leukauf/Steininger/Tipold, StGB4 § 178 Rz 8; Kienapfel/Schmoller StudB BT III2 §§ 178, 179 Rz 8; Cohen, JSt 2020, 204 [205]; Erlass BMJ 18. 1. 2021, GZ 2020-0.348.098 – vgl Flora, SbgK Vor §§ 169 ff Rz 55 ff; Kienapfel/Schmoller StudB BT III2 Vor §§ 169 ff Rz 35 ff).

Damit reicht die bloß gedankliche (theoretische oder abstrakte) Möglichkeit einer Rechtsgutbeeinträchtigung (wie bei abstrakten Gefährdungsdelikten) zur Tatbestandserfüllung nicht aus. Vielmehr muss die typische Eignung eines bestimmten Täterverhaltens zur Herbeiführung einer (konkreten) Gefahr vom Gericht jeweils im Einzelfall geprüft werden (Leukauf/Steininger/Öner/Schütz, StGB4 § 17 Rz 11; Kienapfel/Höpfel/Kert AT16 Rz 9.35 ff).

§ 178 StGB ist demnach dann erfüllt, wenn festgestellt wird, dass das Verhalten typischerweise geeignet war, die Gefahr der Verbreitung einer unter Menschen übertragbaren Krankheit herbeizuführen. Die typische Gefährdungseignung eines Verhaltens ist anzunehmen, wenn durch dieses die Möglichkeit der Verbreitung der Krankheit in ernst zu nehmender Weise erhöht wird. Es ist aber nicht erforderlich, dass eine Person tatsächlich infiziert oder auch nur konkret gefährdet wird (Murschetz in WK2 StGB §§ 178, 179 Rz 2; Flora, SbgK § 178 Rz 14; Leukauf/Steininger/Tipold, StGB4 § 178 Rz 8; Kienapfel/Schmoller StudB BT III2 §§ 178, 179 Rz 8; Rebisant, GRAU 2020/22 [75]; Cohen, JSt 2020, 204 [205]; Erlass BMJ 18. 1. 2021, GZ 2020-0.348.098).

Ob die typische Eignung eines Verhaltens, die Gefahr der Verbreitung einer Krankheit herbeizuführen, vorliegt, ist im Einzelfall ex ante (zum Zeitpunkt der Tathandlung) vom Standpunkt eines sachverständigen Beobachters aus der Täterperspektive zu prüfen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die aus der Sicht des Täters erkennbar waren. Eine Ex-ante-Beurteilung ist allein deshalb geboten, weil es bei den potentiellen Gefährdungsdelikten eben nicht darauf ankommt, dass die gefährliche Handlung im Einzelfall tatsächlich zu einer Gefährdung führte. Ob ein Verhalten rückblickend für andere gefährlich wurde oder es zu einer Ansteckung anderer Personen mit einer Krankheit kam, ist für die Tatbestandsverwirklichung damit ohne Bedeutung (Flora, SbgK Vor §§ 169 ff Rz 40 f; Kienapfel/Schmoller StudB BT III2 Vor §§ 169 ff Rz 30; Schallmoser, COVID-19: Fehlende Gefährdungseignung mangels Eigeninfektion, JBl 2021, 473 [476]; dieselbe, ALJ 2021, 102 [105]; Cohen, JSt 2020, 204 [205]; Erlass BMJ 18. 1. 2021, GZ 2020-0.348.098).

Sowohl das Landesgericht Klagenfurt in seinem Urteil vom 24. September 2020, GZ 72 Hv 75/20i‑10, als auch das Oberlandesgericht Graz in seinem Urteil vom 5. März 2021, AZ 1 Bs 10/21m (ON 16), verkennen demnach, dass es beim potentiellen Gefährdungsdelikt des § 178 StGB weder auf die tatsächliche Übertragung einer Krankheit noch auf die Herbeiführung einer konkreten (realen) Gefährdung des geschützten Rechtsguts (Leben und Gesundheit der Gesamtbevölkerung; vgl Murschetz in WK2 StGB §§ 178, 179 Rz 1; Flora, SbgK § 178 Rz 5) ankommt. Entscheidend ist allein, ob ein Täterverhalten typischerweise geeignet war, die Gefahr der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit unter Menschen herbeizuführen, wobei die Gefährdungseignung aus der Sicht ex ante zu prüfen ist. Erst nach der Tatbegehung bekannt gewordene Umstände (fallbezogen ein negativer COVID-19-Test) haben außer Betracht zu bleiben. Die vom Landesgericht Klagenfurt und vom Oberlandesgericht Graz vertretene Rechtsansicht, Handlungen einer – rückblickend betrachtet (unter Zugrundelegung eines nach der Tatbegehung erlangten negativen COVID-19-Testergebnisses) – nicht mit dem Krankheitserreger SARS-CoV-2 infizierten Täterin wären generell nicht geeignet, die Gefahr der Verbreitung der Krankheit COVID-19 herbeizuführen, verlässt den – für die Beurteilung der Subsumierbarkeit eines Verhaltens unter den Tatbestand der vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten nach § 178 StGB – einzunehmenden Blickwinkel und verletzt solcherart das Gesetz in der angeführten Bestimmung.

Da diese – in Ansehung der Eignung einer bestimmten Handlung, die Gefahr der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit unter Menschen herbeizuführen, eine Ex-post-Betrachtung fordernde – Rechtsansicht der Angeklagten aber nicht zum Nachteil gereicht, hätten die aufgezeigten Gesetzesverletzungen in den Urteilen des Landesgerichts Klagenfurt vom 24. September 2020, GZ 72 Hv 75/20i‑10, und des Oberlandesgerichts Graz vom 5. März 2021, AZ 1 Bs 10/21m (ON 16), ohne Wirkung zu bleiben (§ 292 vorletzter Satz StPO).“

 

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

[7] Dem Gesichtspunkt der Gemeingefahr kommt bei der Auslegung der im siebenten Abschnitt des Besonderen Teils des StGB geregelten Tatbestände besondere Bedeutung zu (Kienapfel/Schmoller StudB BT III2 Vorbem §§ 169 ff RN 1). Das Wesen der Gemeingefahr liegt „in der Unberechenbarkeit ihres Wachstums und in der Machtlosigkeit des Täters, die Folgen seiner Handlung zu bestimmen und zu begrenzen“ (EBRV 30 BlgNR 13. GP  322 unter Hinweis auf Rittler, Lehrbuch II2 198).

[8] Nach den Gesetzesmaterialien ist unter Gefahr ein Zustand zu verstehen, der den Eintritt einer Verletzung der rechtlich geschützten Werte als nahe wahrscheinlich erwarten und befürchten lässt. Ob durch die Tathandlung eine solche Gefahr entstanden ist, ist nach objektiven Gesichtspunkten und allenfalls auch unter Berücksichtigung von Umständen, die zeitlich nach der Tat liegen, zu beurteilen (EBRV 30 BlgNR 13. GP  316).

[9] Nach § 178 StGB ist strafbar, wer eine Handlung begeht, die geeignet ist, die Gefahr der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit unter Menschen herbeizuführen, wenn die Krankheit ihrer Art nach zu den wenn auch nur beschränkt anzeige- oder meldepflichtigen Krankheiten gehört.

[10] Aus der Einordnung in den siebenten Abschnitt des Besonderen Teils des StGB folgt, dass auch der Tatbestand des § 178 StGB das Herbeiführen einer Gefahrensituation verlangt (vgl dazu auch die Überschrift des § 178 StGB „Gefährdung von Menschen“).

[11] Die im Tatbestand beschriebene Gefahr ist jene der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit unter Menschen. Die Strafbarkeit ist an die objektive Bedingung geknüpft, dass die Krankheit ihrer Art nach, das heißt, unabhängig von den Umständen des Einzelfalls, zu den wenn auch nur beschränkt anzeige‑ oder meldepflichtigen Krankheiten gehört (EBRV 30 BlgNR 13. GP  322; Kienapfel/Schmoller StudB BT III2 §§ 178–179 RN 10; Murschetz in WK2 StGB §§ 178, 179 Rz 5; Flora SbgK § 178 Rz 33), womit sich der Vorsatz nicht auf die Anzeige- oder Meldepflicht beziehen muss.

[12] Bezweckt wird, die Bevölkerung vor den Gefahren einer Ansteckung mit bestimmten übertragbaren Krankheiten zu schützen (Flora SbgK § 178 Rz 5, Murschetz in WK2 StGB §§ 178, 179 Rz 1 mwN).

[13] § 178 StGB umschreibt ein potenzielles Gefährdungsdelikt (13 Os 24/20h, EvBl 2021/42, 288 [verst Senat]; Flora SbgK § 178 Rz 3 und 14; Kienapfel/Schmoller StudB BT III2§§ 178–179 RN 8). Das bedeutet, dieim Tatbestand beschriebene (Verbreitungs‑)Gefahr muss zwar nicht tatsächlich eintreten, die Tathandlung muss aber typischerweise geeignet sein, sie herbeizuführen. Die Frage nach dieser Eignung ist Gegenstand der rechtlichen Beurteilung (vgl Jerabek/Ropper in WK2 StGB§ 74 Rz 34) und ist vom Gericht nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beantworten.

[14] Der Rechtsfrage nach der Gefährdungseignung logisch vorgelagert ist aber die – auf der Feststellungsebene angesiedelte – Frage nach dem Vorliegen einer übertragbaren Krankheit, also einer solchen, bei der ein Krankheitserreger unmittelbar oder mittelbar von einem Individuum auf ein anderes übergehen kann (EBRV 30 BlgNR 13. GP  322). Um überhaupt in die Eignungsprüfung der Tathandlung eintreten zu können, muss das Gericht daher jeweils fallbezogen das Vorhandensein eines entsprechenden Krankheitserregers feststellen (vgl EBRV 30 BlgNR 13. GP  322, Flora SbgK § 178 Rz 9 f, Schwaighofer PK-StGB § 178 Rz 2; ähnlich Ayasch, COVID‑19 – eine Renaissance für §§ 178, 179 StGB? ZfG 2020, 53 [54], Hajszan, ÖJZ 2022, 216 f und Cohen, Isolation, Quarantäne, Coronapartys – Anwendbarkeit der §§ 178 f StGB bei Missachtung von COVID-19 Verkehrsbeschränkungen, JSt 2020, 204 [204]).

[15] Nach den Feststellungen des Erstgerichts war die Angeklagte, als sie in Richtung der Polizeibeamten hustete, nicht mit dem Erreger SARS-CoV-2 infiziert. Anhaltspunkte für die Annahme anderer, von der Angeklagten allenfalls mittelbar eingesetzter, Infektionsquellen fehlen ebenso (ON 10 S 4 f). Die Rechtsauffassung der Gerichte, den Sachverhalt deshalb nicht nach § 178 StGB zu subsumieren, ist somit nicht zu beanstanden (allerdings wäre, worauf bereits das Berufungsgericht zu Recht hingewiesen hat [ON 16 S 2], kein Freispruch zu fällen, sondern die Subsumtion schlicht nicht vorzunehmen gewesen, siehe dazu RIS‑Justiz RS0115553).

[16] Die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war somit zu verwerfen (§§ 288 Abs 1, 292 StPO).

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