OGH 13Os124/14f

OGH13Os124/14f22.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Jänner 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kaltenbrunner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Richard S***** wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 7. Juli 2014, GZ 14 Hv 41/03w‑355 (im Teilakt ON 355: ON 29), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00124.14F.0122.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Richard S***** des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 21. April 2008 und am 12. Dezember 2008 in Linz mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Sachbearbeiter der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Oberösterreich, durch die wahrheitswidrige Behauptung, körperlich sowie (infolge Demenz) geistig beeinträchtigt und solcherart pflegebedürftig zu sein, zur Zuerkennung von Pflegegeld für den Zeitraum vom Mai 2008 bis zum Oktober 2012 verleitet, was die Pensionsversicherungsanstalt aufgrund entsprechender Auszahlungen um rund 62.000 Euro am Vermögen schädigte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 2, 3, 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Der Einwand der Verfahrensrüge (Z 2), in der „Hauptverhandlung vom 22.07.2014“ seien Urkunden trotz Widerspruchs des Beschwerdeführers verlesen worden, kann schon deswegen auf sich beruhen, weil das angefochtene Urteil ‑ nach Verfahrenstrennung (hiezu im Folgenden) ‑ bereits in der Hauptverhandlung am 7. Juli 2014 gefällt worden ist (ON 26 S 20 in ON 355).

Hinzugefügt sei, dass die Beschwerde nicht erkennen lässt, aus welchem Grund die angesprochenen Urkunden, nämlich „Altakten aus den Jahren 1992 und 1993, 22 VR 923/87 Kreisgericht Wels, 12 E Hv 10/94“, nichtige Erkundigungen oder Beweisaufnahmen im Ermittlungsverfahren enthalten sollten.

Die Behauptung der weiteren Verfahrensrüge (Z 3), an der Hauptverhandlung hätten ‑ entgegen § 240a Abs 1 erster Satz StPO ‑ unbeeidigte Schöffen teilgenommen, trifft nicht zu. Nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung hat die Vorsitzende beide Schöffen (ebenso wie die Ersatzschöffen) am 26. Mai 2014 beeidigt (ON 538 S 15 des Stammaktes [inliegend ON 121 in ON 636]).

Den folgenden Erörterungen sei vorangestellt, dass dem gegenständlichen Strafverfahren zwei ‑ inhaltlich zusammenhanglose ‑ Anklagen zugrundeliegen, nämlich eine (mehrere Angeklagte betreffende) wegen Vorwürfen nach dem FinStrG und die der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegende (ausschließlich den Beschwerdeführer betreffende) wegen Vorwürfen nach dem StGB. Im Zuge der mehrtägigen Hauptverhandlung wurden die Verfahren über diese beiden Anklagen (aus prozessökonomischen Gründen) mehrfach getrennt und wieder vereinigt.

Vor diesem Hintergrund führt die Beschwerde zwar zutreffend aus, dass der letzte Beschluss auf getrennte Führung der Verfahren in der Hauptverhandlung am 24. Juni 2014 erging (ON 22 S 3 in ON 355), womit die Hauptverhandlung am 23. Juni 2014 zum Teil in Abwesenheit des Beschwerdeführers durchgeführt worden ist (siehe ON 21 S 10 in ON 355), obwohl sich das Verfahren zu diesem Zeitpunkt formaliter (entgegen § 427 Abs 1 erster Satz StPO) auch auf ein Verbrechen, nämlich den der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Anklagevorwurf, bezogen hat.

Da das im angesprochenen Teil der Hauptverhandlung Vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO), nämlich die Aussagen der Zeugen F***** (ON 21 S 10‑24 in ON 355), K***** (ON 21 S 24‑34 in ON 355), MMag. H***** (ON 21 S 34‑64 in ON 355), P***** (ON 21 S 69 in ON 355), Z***** (ON 21 S 71 in ON 355) und W***** (ON 21 S 72 in ON 355) sowie des (im Finanzstrafverfahren) Mitangeklagten Fu***** (ON 21 S 65 f in ON 355), ausschließlich die Vorwürfe nach dem FinStrG betraf, ist aber unzweifelhaft erkennbar, dass die Formverletzung auf die gegenständliche Entscheidung keinen dem Beschwerdeführer nachteiligen Einfluss üben konnte (§ 281 Abs 3 erster Satz StPO).

Das Schöffengericht entfernte den Beschwerdeführer unter Anwendung des § 234 StPO ‑ nach entsprechender Androhung durch die Vorsitzende (ON 25 S 65 in ON 355) ‑ zuletzt am 25. Juni 2014 aus der Verhandlung, weil es dessen Benehmen als ungeziemend und die Verhandlung störend erachtete (ON 25 S 65 f in ON 355 iVm ON 544 S 5 f des Stammaktes [inliegend ON 121 in ON 636]).

Den am 7. Juli 2014 gestellten Antrag auf Wiederzulassung zur Verhandlung lehnte das Schöffengericht mit der Begründung ab, es würden keine Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, dass der Beschwerdeführer sein ungeziemendes, die Verhandlung störendes Verhalten einstellen würde (ON 26 S 12 in ON 355).

Die Sachverhaltsgrundlage dieser Entscheidung, über welche das Schöffengericht in freier Beweiswürdigung zu entscheiden hatte, ist im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde der Überprüfung (nur) dahin zugänglich, ob das Schöffengericht diese in formal einwandfreier Weise, also nicht willkürlich, geschaffen hat (12 Os 38/04, SSt 2005/18; RIS‑Justiz RS0118977; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 40 f).

Indem die Beschwerde (nominell aus Z 3 und Z 4, der Sache nach [im Sinn des eben Dargelegten] aus Z 4 iVm Z 5) die Gesamtheit der Überlegungen des Schöffengerichts zur Sachverhaltsgrundlage des relevierten Beschlusses übergeht und aus selektiv herausgegriffenen Verfahrensergebnissen anhand spekulativer Überlegungen die Hypothese entwickelt, das Verhalten des Beschwerdeführers sei nicht Ausdruck der Missachtung des Gerichts, sondern Folge behaupteter Verhandlungsunfähigkeit gewesen, verlässt sie den dargestellten Anfechtungsrahmen.

Auch in Bezug auf einen angeblichen Antrag, die Hauptverhandlung zu vertagen und „ein ordentliches Gutachten eines medizinischen Sachverständigen für internistische Erkrankungen“ einzuholen, entzieht sich die Verfahrensrüge (Z 4) einer meritorischen Erledigung, weil sie ‑ trotz äußerst umfangreichen Aktenmaterials ‑ keine entsprechende Fundstelle angibt (RIS‑Justiz RS0124172). Der in einem anderen Zusammenhang (S 5 der Nichtigkeitsbeschwerde) mit Bezug auf einen angeblichen Vertagungsantrag genannten Aktenstelle (ON 595 S 11 des Stammaktes [inliegend ON 121 in ON 636]) ist eine solche Antragstellung nicht zu entnehmen.

Die Mängelrüge (Z 5) spricht mit der Behauptung, das Erstgericht habe die Urteilsannahme, wonach der Sohn des Beschwerdeführers „bei der Außenanamnese persönlich anwesend gewesen“ sei, nicht begründet (Z 5 vierter Fall), keinen schuld‑ oder subsumtionsrelevanten Umstand an (siehe aber RIS‑Justiz RS0106268).

Ebenso wenig bezieht sich das diesbezügliche Beschwerdevorbringen, das auch „die Strafbemessung“ thematisiert, auf einen für die Grenzen der Sanktionsbefugnis entscheidenden Umstand (gegebenenfalls Z 11 erster Fall iVm Z 5 vierter Fall).

Der Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit a, der Sache nach Z 10), die Schadenshöhe sei nicht vom (zumindest bedingten [§ 5 Abs 1 StGB]) Vorsatz des Beschwerdeführers umfasst gewesen, übergeht die gegenteiligen Feststellungen des Erstgerichts (US 15) und verfehlt solcherart den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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