Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgeweisen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Abschöpfungserkenntnis ersatzlos aufgehoben.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten Thomas W***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Thomas W***** je zweier Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG idF BGBl I 2004/57 (A/a und B/a) und der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG idF BGBl I 2004/57 (A/b und B/b) und Richard T***** jeweils des Finanzvergehens der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG idF BGBl I 2004/57 (A/a) und der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG idF BGBl I 2004/57 (A/b) schuldig erkannt.
Danach haben sie in Melk und anderen Orten nach vorschriftswidriger Einfuhr von Zigaretten in das Zollgebiet der Europäischen Union diese in Ungarn bzw Österreich übernommen, an sich gebracht und mit LKWs mittels heimlicher und undeklarierter Beifracht nach England verbracht, und zwar
A) Thomas W***** und Richard T***** als Mittäter (§ 11 FinStrG) im April 2005 2.200.000 Stück Zigaretten, und dadurch gewerbsmäßig
a) unter Verletzung einer abgaberechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung um 217.360 Euro bewirkt, indem sie diese in das österreichische Steuergebiet verbrachten, ohne eine entsprechende Erklärung nach dem Tabaksteuergesetz 1995 abzugeben;
b) Sachen, hinsichtlich welcher ein Schmuggel, eine Verzollungsumgehung oder eine Verkürzung von Eingangsabgaben begangen worden war, an sich gebracht, verheimlicht oder verhandelt, wobei die darauf entfallenden Eingangsabgaben 50.688 Euro (an Zoll, siehe US 16) betrugen;
B) Thomas W***** als Mittäter (§ 11 FinStrG) mit dem dazu abgesondert verfolgten Richard T***** im Mai 2005 3.915.600 Stück Zigaretten, und dadurch gewerbsmäßig
a) unter Verletzung einer abgaberechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung um 386.861,28 Euro bewirkt, indem er diese (richtig) im österreichischen Steuergebiet in Empfang nahm, ohne eine entsprechende Erklärung nach dem Tabaksteuergesetz 1995 abzugeben;
b) Sachen, hinsichtlich welcher ein Schmuggel, eine Verzollungsumgehung oder eine Verkürzung von Eingangsabgaben begangen worden war, an sich gebracht, verheimlicht oder verhandelt, wobei die darauf entfallenden Eingangsabgaben 216.955,56 Euro (90.215,42 Euro an Zoll und 126.740,14 Euro an Einfuhrumsatzsteuer, siehe US 19) betrugen.
Gemäß § 19 Abs 1 lit a und Abs 4 FinStrG wurde hinsichtlich Thomas W***** unter anderem „anstelle des Verfalles jener Sachen, hinsichtlich derer die Finanzvergehen begangen wurden“ (somit iVm § 17 Abs 2 lit a FinStrG), und „der benützten Beförderungsmittel“ (somit iVm § 17 Abs 2 lit c Z 3 zweiter Fall FinStrG) auf eine Wertersatzstrafe von 46.150 Euro (im Falle der Uneinbringlichkeit drei Monate Ersatzfreiheitsstrafe) erkannt, da der Verfall hinsichtlich dieser Sachen unvollziehbar ist“. Mit zugleich mit dem Urteil gefasstem Beschluss wurde nach § 20 Abs 1 StGB „die Bereicherung bei Thomas W***** in Höhe von 15.000 Euro und bei Richard T***** in Höhe von 5.000 Euro abgeschöpft“.
Rechtliche Beurteilung
Der auf die Z 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten, lediglich gegen den Ausspruch der Strafe des Wertersatzes in Betreff der Beförderungsmittel gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Thomas W***** kommt keine Berechtigung zu.
Nach § 19 Abs 1 lit a FinStrG ist statt auf Verfall auf die Strafe des Wertersatzes zu erkennen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung feststeht, dass der Verfall unvollziehbar wäre. Der Beschwerdeführer hat in der Hauptverhandlung ohne weitere Ausführungen behauptet, er sei „2006 oder 2007 in Konkurs gegangen“ (ON 65 S 12), (nicht mehr selbstständig) als Kraftfahrer beschäftigt und vermögenslos (ON 65 S 2 iVm ON 37 S 489). Indem der Beschwerdeführer die vom Erstgericht in sachverhaltsmäßiger Hinsicht angenommene Unvollziehbarkeit aus Z 5 unbekämpft lässt, ist für den Obersten Gerichtshof kein Grund ersichtlich, warum die Tatrichter nicht (just im Sinn der unwidersprochen gebliebenen, selbst aufgestellten Behauptungen des Angeklagten) mangels Eigentümereigenschaft von Unvollziehbarkeit im Urteilszeitpunkt ausgegangen sein sollten (RIS-Justiz RS0117228).
Soweit die Beschwerde nun Spekulationen über einem Verfall möglicherweise entgegenstehende Umstände anstellt, die ihres Erachtens dem Ersatz des Verfalls durch die Wertersatzstrafe entgegengestanden sein könnten, verlässt sie - aus Z 11 erster Fall unzulässig - den Boden der Urteilsannahmen.
Nur die gänzlich unterlassene Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 17 Abs 6 und § 19 Abs 5 FinStrG führt (soweit nicht die Ausnahmebestimmung des § 17 Abs 6 zweiter Satz FinStrG greift) zu Nichtigkeit nach Z 11 dritter Fall StPO (RIS-Justiz RS0088035). Eine solche wurde vom Erstgericht jedoch vorgenommen (US 33). Mit dem Hinweis, es handle sich „lediglich“ um zwei Schmuggelfahrten und im Vergleich zu den anderen Beteiligten habe der Angeklagte eine „durchaus untergeordnete Rolle“ eingenommen, sodass „im Sinne des § 19 Abs 5 FinStrG … die verhängte Wertersatzstrafe von 46.150 Euro außer Verhältnis“ stehe, „weswegen von ihrer Auferlegung abzusehen gewesen wäre“, wird somit lediglich ein Berufungsvorbringen erstattet.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Nichtig (Z 11 erster Fall) ist die im FinStrG nicht vorgesehene (RIS-Justiz RS0123453), im Übrigen entgegen § 443 Abs 1 StPO in Beschlussform erfolgte, Abschöpfung der Bereicherung, welche von Amts wegen hinsichtlich beider Angeklagter - ersatzlos - zu beseitigen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).
Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Soweit zu B/b beim strafbestimmenden Wertbetrag auch Einfuhrumsatzsteuer in Anschlag gebracht wurde, ist darauf hinzuweisen, dass dies nur zu geschehen hat, wenn die Ware (rechtlich gesehen) unmittelbar aus einem (nicht zur Europäischen Union gehörenden) Drittland in das österreichische Staatsgebiet verbracht wird. Werden hingegen Waren nicht unmittelbar aus einem Drittland nach Österreich eingeführt, fällt Einfuhrumsatzsteuer nach den - auch auf diese gemäß § 26 UStG iVm § 2 Abs 1 ZollR-DG anzuwendenden - zollrechtlichen Vorschriften nur in den in Art 215 Abs 1 zweiter Anstrich oder Abs 4 ZK genannten Konstellationen im Inland an.
Demnach bedarf die Hinzurechnung der Einfuhrumsatzsteuer entweder der Feststellung, dass die Zigaretten unmittelbar aus einem Drittland nach Österreich eingeführt wurden (vgl Art 202 Abs 1 lit a iVm Art 215 Abs 1 erster Anstrich ZK) oder, dass der Ort der Entstehung der Zollschuld (iSd Art 215 Abs 1 zweiter Anstrich ZK), also der (erstmaligen) Einfuhr in die Europäische Union, nicht bestimmt werden kann oder die Zollschuld nach Feststellung einer Zollbehörde weniger als 5.000 Euro beträgt (Art 215 Abs 1 zweiter Anstrich, Abs 4 ZK; RIS-Justiz RS0124513). Das Erstgericht stellte in diesem Zusammenhang - zusammengefasst wiedergegeben - (nur allgemein) fest, dass ein (abgesondert verfolgter) Täter Teil einer international agierenden Zigarettenschmuggelorganisation gewesen sei, die unter anderem im Jahr 2005 zahlreiche Schmuggelfahrten von Ungarn über Österreich nach England organisiert habe, dabei mittels LKW-Transporten Zigaretten aus Drittländern in den EU-Raum verbracht wurden (US 12) und dass dieser Täter den Auftrag erhalten habe, in Ungarn und Rumänien „Ladungen Zigaretten zu laden“ und nach England zu bringen, wobei die Fahrten von Rumänien über Ungarn, Österreich, Deutschland, Belgien, Frankreich nach England führten (US 13). Zu B/b konstatierten die Tatrichter (zusammengefasst), dass die Zigaretten in Wien-Inzersdorf auf den LKW verladen und über die Staatsgrenze Suben nach Dunkerque und weiter nach Dover transportiert wurden (US 18 f). Demnach fehlt zu B/b eine ausreichende Feststellungsgrundlage im Sinne obiger Ausführungen, um die Einfuhrumsatzsteuer wie geschehen beim strafbestimmenden Wertbetrag zu B/b zu veranschlagen, was Urteilsnichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO bedeutet. Dieser in der Nichtigkeitsbeschwerde nicht gerügte Umstand erfordert aber kein Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO; ihm ist - nach Ergänzung der Entscheidungsgrundlage - vom Oberlandesgericht im Rahmen der Strafberufung Rechnung zu tragen (RIS-Justiz RS0116501, RS0114427, RS0109969).
Die - die amtswegige Maßnahme nicht erfassende (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12) - Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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