European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0130OS00112.14S.1218.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Silvia Y***** aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.
Danach hat sie am 3. August 2013 in Z***** Jakob F***** vorsätzlich zu töten versucht, indem sie ein Küchenmesser (7,5 cm tief) in dessen Brustkorb stieß und ihm mit dem Messer eine weitere Wunde im Mittelbauchbereich zufügte.
Die Geschworenen haben die anklagekonforme Hauptfrage bejaht, die Zusatzfrage in Richtung des Schuldausschließungsgrundes der Zurechnungsunfähigkeit infolge voller Berauschung hingegen verneint.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 5, 6, 10a, 11 lit a und 12 des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten geht fehl.
Der Verfahrensrüge (Z 5) zuwider wurden durch die Abweisung (ON 92 S 25) des Antrags auf Vernehmung der Polizeibeamten H***** und P***** als Zeugen zum Beweis dafür, dass „die Angeklagte zum Tatzeitpunkt bzw kurze Zeit später weder diskretions‑ noch dispositionsfähig war, zumal sie unzusammenhängende Wortphrasen von sich gab“ (ON 92 S 25), Verteidigungsrechte nicht verletzt:
Gegenstand des Zeugenbeweises sind nämlich nur Wahrnehmungen von Tatsachen, nicht aber Schlussfolgerungen oder Wertungen (RIS‑Justiz RS0097540; Kirchbacher, WK‑StPO § 247 Rz 5 mwN). Der Beweisantrag zielte aber gerade auf eine Schlussfolgerung, nämlich jene von einem äußeren Verhalten („Wortphrasen“) auf innere Zustände, konkret die Dispositionsfähigkeit und die Diskretionsfähigkeit der Beschwerdeführerin.
Sofern der Antrag (bloß) auf den Nachweis gerichtet war, dass die Beschwerdeführerin „unzusammenhängende Wortphrasen“ von sich gegeben habe, bedurfte es der begehrten Beweisaufnahme schon deshalb nicht, weil der angesprochene Umstand, was im ablehnenden Zwischenerkenntnis hervorgehoben wurde (ON 92 S 25), durch den ‑ in der Hauptverhandlung vorgekommenen (ON 92 S 37) und nach der Aktenlage insoweit im Verfahren unwidersprochen gebliebenen ‑ Abschlussbericht der Polizeiinspektion Zeltweg dokumentiert ist (ON 17 S 5: „... schrie unzusammenhängende Wortphrasen.“).
Das den Beweisantrag ergänzende Beschwerdevorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen.
Die Fragenrüge (Z 6) lässt nicht erkennen, weshalb durch das Unterlassen der Aufnahme der Klingenlänge der Tatwaffe in die Hauptfrage der gesetzlichen Pflicht zur Individualisierung und zur Konkretisierung der Tat (§ 312 Abs 1 zweiter Satz StPO; [hiezu 11 Os 147/03, SSt 2004/34; RIS‑Justiz RS0119082; Schindler, WK‑StPO § 312 Rz 24]) nicht entsprochen worden sein soll und entzieht sich demnach einer inhaltlichen Erwiderung.
Warum die im Rahmen der Hauptfrage vorgenommene Beschreibung einer der Ausführungshandlungen mit dem Verb „stieß“ die Vorschriften über die Fragestellung verletzen soll, wird nicht klar.
Der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 10a StPO zielt ‑ soweit hier von Bedeutung (Fehler in der Sachverhaltsaufklärung werden nicht behauptet) ‑ darauf, in der Hauptverhandlung vorgekommenen Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO iVm § 302 Abs 1 StPO) aufzuzeigen, die nahelegen, dass die Geschworenen das ihnen nach § 258 Abs 2 zweiter Satz StPO (iVm § 302 Abs 1 StPO) gesetzlich zustehende Beweiswürdigungsermessen in geradezu unerträglicher Weise gebraucht haben (RIS‑Justiz RS0118780 [insbesondere T16]). Eine derartige qualifizierte Fehlentscheidung wird durch die Hinweise auf die Verantwortung der Beschwerdeführerin und auf Beweisergebnisse zu deren Alkoholisierungsgrad sowie die Relation zwischen der Länge des Einstichkanals (7,5 cm) und der Klingenlänge der präsumtiven Tatwaffe (13 cm) nicht dargetan.
Die übrigen Ausführungen der Tatsachenrüge lassen den vom Gesetz verlangten Aktenbezug vermissen und entziehen sich solcherart einer meritorischen Erledigung (13 Os 60/03, SSt 2003/47; RIS‑Justiz RS0117516, RS0117749 und RS0119310).
Rechtsrüge (Z 11 lit a) und Subsumtionsrüge (Z 12) erschöpfen sich darin, aus den Verfahrensergebnissen Argumente abzuleiten, die ihrer Ansicht nach für einen Freispruch (Z 11 lit a) oder für eine Subsumtion nach § 83 Abs 1 StGB, § 87 Abs 1 StGB oder § 287 Abs 1 StGB (Z 12) sprechen.
Da die Geltendmachung materieller Nichtigkeit im geschworenengerichtlichen Verfahren jedoch den Vergleich der im Wahrspruch der Geschworenen (§§ 330 bis 333 StPO) festgestellten Tatsachen mit der im Schuldspruch (§§ 260 Abs 1 Z 2, 270 Abs 2 Z 4 StPO iVm § 342 StPO) vorgenommenen Subsumtion verlangt (RIS‑Justiz RS0101148, RS0101289, RS0101403 und RS0101476), sind diese Ausführungen einer inhaltlichen Erwiderung nicht zugänglich.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß §§ 285d Abs 1, 344 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 344 StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)