OGH 12Os99/13w

OGH12Os99/13w14.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. November 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Sol und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Buchner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alexey P***** und eine Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall, 15 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Alexey P***** und Polina P***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft in Ansehung beider Angeklagter gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 8. Februar 2013, GZ 34 Hv 122/09t-89, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Alexey P***** und Polina P***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 2, 148 zweiter Fall, 15 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie - zusammengefasst wiedergegeben - zwischen Herbst 2007 und Sommer 2008 in L***** und andernorts mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz gewerbsmäßig

A./ russische Studenten durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorgabe, das Österreichische Rote Kreuz und die Universität Innsbruck würden spezielle Förderprogramme veranstalten, deren Koordinator der Erstangeklagte sei, unter Verwendung falscher Aufnahmebestätigungen sowie eines Rundstempels der Republik Österreich und im Namen eines Universitätsprofessors zu Überweisungen auf verschiedene Konten verleitet und zu verleiten versucht, wobei zahlreiche Überweisungen mit einem Schaden von über 3.000 Euro auf den Konten eingingen;

B./ Angestellte einer deutschen Sparkasse durch die Vorgabe, über das Konto und einen TAN-Code der Karla V***** verfügungsberechtigt zu sein, zu einer Auslandsüberweisung von 5.000 Euro auf ein Konto der Angeklagten verleitet.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten, wobei sich der Erstangeklagte auf § 281 Abs 1 Z 4 und Z 5a StPO, die Zweitangeklagte auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO stützt. Beide verfehlen ihr Ziel.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Erstangeklagten:

Den Behauptungen der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider konnten durch die in der Hauptverhandlung am 8. Februar 2013 erfolgte Abweisung des Antrags (ON 27 S 21) auf „Einholung eines medizinischen Gutachtens zur Prüfung der Frage der Zurechnungsfähigkeit oder allenfalls eingeschränkten Zurechnungsfähigkeit ... zum behaupteten Tatzeitpunkt“ Verteidigungsrechte schon deshalb nicht eingeschränkt werden, weil ohnehin bereits ein psychiatrisches Sachverständigengutachten nicht nur (wie die Beschwerde behauptet) zur Frage der Verhandlungsfähigkeit, sondern auch zu jener der Zurechnungsfähigkeit vorlag (ON 60). Mängel dieser Expertise wurden nicht behauptet (RIS-Justiz RS0117263).

Auch die Tatsachenrüge (Z 5a) verfehlt ihr Ziel. Ein auf diesen formalen Nichtigkeitsgrund gestützter Einwand kann nur dann erfolgreich sein, wenn Feststellungen als Folge einer qualifiziert naheliegenden Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung erheblichen Bedenken ausgesetzt sind. Die diesem Nichtigkeitsgrund immanente Erheblichkeitsschwelle wird mit dem Vorbringen, die vom Angeklagten angestrebte Schlussfolgerung sei wahrscheinlicher oder überzeugender als die vom Erstgericht gezogene, nicht überschritten, sind doch die Tatrichter weder zu einer logisch zwingenden Begründung noch dazu verhalten, von mehreren möglichen Versionen die für den Beschwerdeführer günstigere zu wählen (RIS-Justiz RS0099455; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 449, 488 ff). Dem Angeklagten, der es unterlässt, der Beweiswürdigung entgegenstehende Beweismittel bestimmt zu bezeichnen, ist zu erwidern, dass die vom Schöffensenat gewonnene Überzeugung jedoch nicht in einer iSd Z 5a relevanten Weise unvertretbar erscheint. Auf die im Rahmen der Tatsachenrüge dargelegten eigenen Schlussfolgerungen des Beschwerdeführers braucht somit im Detail nicht eingegangen werden. Lediglich illustrativ ist darauf zu verweisen, dass die Behauptungen der Rüge, es erscheine „abwegig“, betrügerisch erlangte Gelder auf ein eigenes Konto überweisen zu lassen, während die Darstellung des Angeklagten „glaubwürdiger und praxisnäher“ wäre ebenso wie die Spekulationen, der russische Geheimdienst hätte dem Angeklagten schaden wollen und er sei gutgläubiges Opfer möglicher Geldwäschehandlungen, bloß die erstrichterliche Beweiswürdigung bekämpfen, ohne den oben dargelegten Kriterien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes zu entsprechen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Zweitangeklagten:

Der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall), offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) und Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) reklamierenden Mängelrüge ist vorweg zu erwidern, dass bei Geltendmachung der Z 5 die Gesamtheit der Entscheidungsgründe in den Blick zu nehmen ist (RIS-Justiz RS0119370, RS0116504) und formelle Begründungsmängel hinsichtlich entscheidender Tatsachen geltend zu machen sind. Von Letzteren ist die Rede, wenn die Feststellung ihres Vorliegens oder Nichtvorliegens die rechtliche Entscheidung über Schuld- oder Freispruch oder - im Fall gerichtlicher Strafbarkeit - darüber beeinflusst, welche strafbaren Handlungen begründet werden (RIS-Justiz RS0117264). Davon zu unterscheiden sind erhebliche Tatsachen, also solche, die für die Feststellung über Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache von Bedeutung, also erörterungsbedürftig (Z 5 zweiter Fall) sind. Allerdings können einzelne dieser erheblichen Umstände, die in ihrer Zusammenschau die Grundlage für die bekämpfte Feststellung bilden, isoliert unter dem Aspekt der Z 5 nicht bekämpft werden, außer die Tatrichter hatten darin - was hier nicht der Fall ist - erkennbar eine notwendige Bedingung für die Feststellung einer entscheidenden Tatsache erblickt (RIS-Justiz RS0116737).

Indem die Zweitangeklagte einzelne Aspekte der erstgerichtlichen Ausführungen sowie Zeugenaussagen (etwa zur Sicherstellung eines Vertrags bei der Hausdurchsuchung) isoliert betrachtet, vorwiegend die eigene Verantwortung hervorstreicht, die Erwägungen des Erstgerichts (US 8 bis 26), das sich sowohl mit den Aussagen der Angeklagten als auch mit jenen der Zeugen und allen sonstigen Beweisergebnissen ausführlich auseinandersetzte, aber übergeht, bekämpft auch sie in Form einer Schuldberufung, wie sie nur gegen Urteile von Einzelrichtern vorgesehen ist, die Beweiswürdigung der Tatrichter.

Dies gilt in gleicher Weise für die Ausführungen der Tatsachenrüge (Z 5a), zu deren Voraussetzungen auf das zuvor Gesagte verwiesen wird, weil auch sie ohne Bezugnahme auf aktenkundige Beweisergebnisse bloß mit der leugnenden Verantwortung argumentiert (RIS-Justiz RS0119583).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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