OGH 12Os97/15d

OGH12Os97/15d22.9.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. September 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Weißnar als Schriftführerin in der Strafsache gegen Richards O***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 8. Mai 2015, GZ 21 Hv 11/15m‑39, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00097.15D.0922.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Richards O***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in der Nacht vom 8. auf den 9. September 2014 in W***** Stephanie I*****, welche aufgrund übermäßigen Alkoholkonsums und einer dadurch bedingten tiefgreifenden Bewusstseinsstörung wehrlos und unfähig war, die Bedeutung des Vorgangs einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, unter Ausnützung dieses Zustands missbraucht, indem er an ihr einen Vaginalverkehr vollzog.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Die eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) der Annahme einer durch die massive Alkoholisierung von zumindest 2,5 Promille (US 4 und 6) bedingten tiefgreifenden Bewusstseinsstörung des (solcherart wehrlosen) Tatopfers behauptende Mängelrüge übersieht, dass das Gericht bei der Lösung von Tatfragen (§ 285 Abs 2 StPO) durchaus berechtigt ist, nicht nur zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse zu ziehen, welche ‑ wenn sie den Kriterien logischen Denkens entsprechen ‑ als Akt freier richterlicher Beweiswürdigung mittels Nichtigkeitsbeschwerde unanfechtbar bleiben (RIS‑Justiz RS0098362). Fallaktuell stützten die Tatrichter ihre zum Zustand der Stephanie I***** getroffenen Annahmen auf das Gutachten des Sachverständigen für forensische Toxikologie Dr. B*****, die eigenen Angaben der Genannten über ihren kompletten Gedächtnisverlust sowie auch die Schilderungen der Zeugen Osman A***** und Marion K***** und des Angeklagten selbst zum äußeren Erscheinungsbild und Verhalten des Opfers, (US 6).

Indem der Rechtsmittelwerber ausführt, aus der Erinnerungslücke der Stephanie I***** könne nicht auf deren Wehrlosigkeit in der konkreten Situation geschlossen werden, bekämpft er lediglich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung die dem Schöffengericht vorbehaltene Beweiswürdigung.

Dass dem Nichtigkeitswerber die Argumente der Tatrichter nicht überzeugend erscheinen und aus seiner Sicht auch andere, für ihn günstigere Schlüsse denkbar wären, bildet kein Begründungsdefizit (RIS‑Justiz RS0099535, RS0098362, RS0116732 [T6]). Von einer „Scheinbegründung“ kann vorliegend somit nicht die Rede sein.

Inwiefern die Antwort des genannten Sachverständigen (auf eine vom Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellte Frage über die Wirkung von Alkohol aus medizinischer Sicht), er sei kein Mediziner und könne nur aus dem toxikologischen Gesichtspunkt Stellung beziehen (ON 38 S 34f), iSd Z 5 vierter Fall erörterungsbedürftig sein sollte, bleibt offen.

Z 5a will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld‑ oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).

Die Beschwerde setzt den Urteilserwägungen bloß eigene Überlegungen zur Beweiskraft einzelner, selektiv hervorgehobener Passagen der Schilderungen der Zeugen Stephanie I***** und Osman A***** (US 5 f) entgegen. Damit erweckt der Rechtsmittelwerber keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.

Auch der Einwand, das chemische Sachverständigengutachten des Dr. B***** sei nicht geeignet, den angenommenen (medizinischen) Zustand der Wehrlosigkeit zu begründen, releviert kein gegen die Schuld des Angeklagten sprechendes Beweisergebnis. Im Übrigen stützten sich die Tatrichter diesbezüglich nicht bloß auf das angesprochene Beweismittel.

Zu Unrecht behauptet die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot bei Annahme des Erschwerungsgrundes der Tatfolge einer „psychischen und physischen Beeinträchtigung des Opfers“ (US 9 iVm US 5 und 6), weil der Tatbestand des § 205 Abs 1 StGB einen derartigen Erfolg des Verhaltens nicht voraussetzt, sondern vielmehr die Ausnützung eines (im Tatzeitpunkt gegebenen) Zustands der Widerstandsunfähigkeit erfordert (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 711; zuletzt 15 Os 75/15s).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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