OGH 12Os90/16a

OGH12Os90/16a18.8.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. August 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Janisch als Schriftführerin in der Auslieferungssache des Haki G***** und eines weiteren Betroffenen, AZ 32 HR 143/16b des Landesgerichts Wiener Neustadt, über die Grundrechtsbeschwerde des genannten Betroffenen gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 21. Juni 2016, AZ 22 Bs 154/16g, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0120OS00090.16A.0818.000

 

Spruch:

Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

Mit Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 2. Juni 2016 (ON 28) wurde über Haki G***** aufgrund des Ersuchens um internationale Ausschreibung zur Fahndung des Basisgerichts Ferizaj/Kosovo vom 7. Dezember 2015 (Zahl UGJK Nr 115/15), welchem ein Haftbefehl des Gerichts Peje/Kosovo vom 10. Februar 2015 (Zahl 383/13) zugrunde liegt, gemäß § 173 Abs 6 iVm Abs 2 Z 1 und Z 3 lit a StPO iVm § 29 ARHG die Auslieferungshaft verhängt, weil die Haftgründe der Flucht- und der Tatbegehungsgefahr nicht auszuschließen wären.

Der dagegen gerichteten Haftbeschwerde des Betroffenen gab das Oberlandesgericht Wien mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 21. Juni 2016 nicht Folge und setzte die Auslieferungshaft fort (22 Bs 154/16g).

Das Beschwerdegericht sah in dem Fahndungsersuchen zur Festnahme zwecks Auslieferung ein Ersuchen um Verhängung der vorläufigen Auslieferungshaft für den Fall der Betretung der gesuchten Person im Inland (vgl Göth‑Flemmich in WK 2 ARHG § 27 Rz 2; Art 24 des Vertrags zwischen der Republik Österreich und der sozialistischen föderativen Republik Jugoslawien über die Auslieferung, BGBl 1983/546; Geltung zwischen Österreich und Kosovo: BGBl III 2010/147).

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts ergaben sich aus den Fahndungsersuchen hinreichende Gründe für die Annahme, Haki G***** habe der Auslieferung unterliegende strafbare Handlungen begangen, und zwar nach Art 147 Abs 4 und Art 374 Abs 1 (Art 328 Abs 2) des kosovarischen Strafgesetzbuchs, nämlich des schweren Mordes sowie des unerlaubten Eigentums, der Kontrolle, des Besitzes sowie der Verwendung von unerlaubten Waffen, weil er am 30. Juli 2010 in P***** Bekim K***** durch einen Schuss in den Kopf mit dem von ihm unerlaubt besessenen Maschinengewehr der Type AK‑47 vorsätzlich getötet sowie weitere Personen gefährdet haben soll.

Dieser Sachverhalt wäre nach österreichischem Recht als Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB sowie Vergehen der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 StGB und nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffenG zu qualifizieren (BS 2, 5).

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts erhobene Grundrechtsbeschwerde des Haki G***** verfehlt den gesetzlichen Bezugspunkt (vgl § 1 Abs 1 GRBG). Gegenstand des Erkenntnisses über eine Grundrechtsbeschwerde ist – anders als bei einer Haftbeschwerde an das Oberlandesgericht – nicht die Haft, sondern die Entscheidung über diese (RIS‑Justiz RS0061004 [T5], RS0112012 [T5]).

Soweit die Grundrechtsbeschwerde das in der Beschwerde an das Oberlandesgericht erstattete Vorbringen wortident wiederholt, ohne auf die nunmehr bekämpfte Beschwerdeentscheidung einzugehen, entzieht sie sich einer inhaltlichen Erwiderung (RIS‑Justiz RS0106464, RS0110146 [T22]).

Indem die Grundrechtsbeschwerde ausführt, es lägen keine hinreichenden Gründe für die Annahme vor, der Betroffene habe eine der Auslieferung unterliegende strafbare Handlung begangen, bleibt sie ebenso die erforderliche Bezugnahme auf die angefochtene Entscheidung des Oberlandesgerichts schuldig.

Mit der Behauptung, von dem gegenständlichen Vorwurf bereits freigesprochen worden zu sein, argumentiert der Betroffene im Übrigen nicht auf Grundlage des Akteninhalts, wonach das freisprechende Urteil zwischenzeitig aufgehoben wurde (ON 13 S 3 f).

Auch das Vorbringen der Grundrechtsbeschwerde zur Einschätzung des Oberlandesgerichts, wonach die Haftgründe der Fluchtgefahr und der Tatbegehungsgefahr nicht ausgeschlossen werden könnten (§ 173 Abs 6 StPO; vgl RIS‑Justiz RS0113412, RS0113413), entzieht sich einer meritorischen Erwiderung, weil nicht auf die Begründung der Beschwerdeentscheidung (BS 5 f) Bezug genommen wird.

Der Einwand der Substituierbarkeit der Auslieferungshaft durch gelindere Mittel (§ 173 Abs 5 StPO) orientiert sich nicht an den Anfechtungskriterien des GRBG, weil die Beschwerde nicht erkennen lässt, worin dem Oberlandesgericht Wien, das die Voraussetzungen dafür verneinte (BS 6), insoweit ein Beurteilungsfehler unterlaufen sein sollte (RIS‑Justiz RS0116422).

Das gilt auch für das abschließende substratlose Vorbringen, „die Beschlüsse auf Verhängung der Auslieferungshaft“ enthielten betreffend die Verhältnismäßigkeit nur unzureichende Gründe.

Die Beschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) zurückzuweisen.

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